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nmz-archiv
nmz 2007/06 | Seite 33
56. Jahrgang | Juni
Jugend musiziert
Von Honigschlecken und hartem Brot
”Jugend musiziert“-Teilnehmer wurden zu Berufsperspektiven
befragt
In schöner Regelmäßigkeit sehen sich Musikhochschulen,
Musikschulen und auch Förderprojekte für Nachwuchsmusiker
wie ”Jugend musiziert“ der Kritik ausgesetzt, hochqualifizierte
Musiker für einen längst gesättigten Arbeitsmarkt
auszubilden und sie der Arbeitslosigkeit preiszugeben. Nun ist
dies zunächst ein pauschaler Vorwurf, der sehr wohl einige
eng gefasste Berufsbilder betrifft. Dass andere davon aber nur
sehr am Rande betroffen sind, zeigte zuletzt eine Studie mit dem
Titel „Von der Musikhochschule auf den Arbeitsmarkt“,
die in Auszügen in Musikforum 01/2007 publiziert worden war.
Musikhochschulen beginnen vermehrt auf neue Berufsfelder, neue
Anforderungen für Musiker und die globalisierte Kunstwelt
zu reagieren, Studenten nehmen die neuen Angebote dankbar und zahlreich
an. Doch wie weit ist die Sensibilisierung bei den musikalischen
Hochbegabungen im Schüleralter fortgeschritten? Streben sie
wirklich alle eine Solokarriere an und laufen blauäugig ihren
Fantasien hinterher?
Susanne Fließ befragte 2.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer
des bundesweiten Wettbewerbs ”Jugend musiziert“ über
ihre Wunschbilder und Kenntnisse der realen Situation. Das Ergebnis überrascht
in mehrfacher Hinsicht: Selbst 13- und 14-jährige Nachwuchsmusiker
zeigten sich erstaunlich informiert. Zweitens steht durchaus nicht
jeder Hochbegabung der Sinn nach einer Solokarriere. In vielen
Fällen lautete das erklärte Ziel, als Lehrkraft an einer
Musikschule oder allgemein bildenden Schule sein Wissen an Kinder
und Jugendliche weiter zu geben und für das eigene Musizieren
von seinen Schülern zu lernen. Und schließlich steht
die Erkenntnis, dass oft der Idealismus über wirtschaftliche
Argumente siegt: Finanzielle Einbußen werden bewusst akzeptiert
zugunsten eines sinnerfüllten Berufsinhaltes. Im folgenden
eine Auswahl aus unserer Befragung:
Stephanie
Appelhans, 15 Jahre, Violine
Als Lehrer versuchen, seine gewonnenen Erkenntnisse zu vermitteln
oder bei einem Jugendorchester als Dozentin zu arbeiten, vielleicht
auch in Dritte- Welt-Ländern, würde mich sehr reizen.
Oder dem Publikum Kammermusik zu vermitteln, das wäre ein
Traum. Aber der perfekte Musikerberuf wäre wahrscheinlich
von allem etwas. Mir ist bewusst, dass man besonders als freier
Musiker einen schweren Stand hat, da der Besuch klassischer Konzerte
nicht selbstverständlich ist. Die Konkurrenz wird immer größer,
und da es immer weniger Orchester- und Musikschulstellen gibt,
wird man auf jeden Fall nicht reich, nur den Spaß an der
Musik kann man weitergeben. Es ist gut, dass durch ”Jugend
musiziert“ ein besseres Niveau für den Arbeitsmarkt
geschaffen wird, jedoch heißt ein Bundespreis nicht gleich
die gesicherte Karriere.
Karoline Schott, 19 Jahre,
Klavier
Wenn man eine erfolgversprechende Zukunft vor sich hat, unterstützt
wird und sich frei entfalten kann, ist das Leben eines Künstlers
nur zu beneiden. Man sollte den Musikstudenten von Anfang an klar
machen, dass man als Musiker ein unsicheres Leben hat. Man ist
sehr abhängig von Glück und verlässlichen Kontakten.
Andererseits bietet einem das erfolgreiche Leben eines Künstlers
viele unbezahlbare Dinge.
Marie Schreer, 16 Jahre, Violine und Viola
Ich stelle mir idealerweise vor, mich nach dem Musikstudium entweder
solistisch weiterzubilden oder in dem für mich bestmöglichen
Orchester zu spielen. Da meine Eltern beide Musiklehrer sind,
weiß ich einiges über die berufliche Situation eines
Musikers. Einerseits ist es für Professoren an der Hochschule
leicht, andererseits kann es für einen Privatlehrer auch
sehr schwer sein. Musik ist ein so wichtiger Bestandteil im Leben,
dass man es eigentlich kaum wagen dürfte, für das Erlernen
eines Instrumentes Geld zu verlangen. Den Traumberuf darf man
nicht nur am Geld festmachen, leider wird Geld heutzutage immer
wichtiger in unserer Gesellschaft.
Stefan Landes, 18 Jahre, Schlagzeug
Mein Traum: Ich habe eine feste Stelle in einem Orchester oder
als Instrumentallehrer, außerdem bin ich in verschiedenen
musikalischen Projekten tätig. Ich absolviere Konzerte und
habe schon einige CDs aufgenommen.
Ich bin stilistisch für alles offen und halte Kontakte zu
nationalen und internationalen Musikern, mit denen ich mich gelegentlich
zum Musizieren treffe. Ich denke, dass man mit seinem Lehrer reden
kann, ob der Beruf eines Musikers der richtige für einen ist.
Außerdem muss man sich natürlich spätestens im
Studium informieren, wie die aktuelle Situation für das jeweilige
Instrument in Deutschland aussieht.
Corinna
Schwozer, 16 Jahre, Klarinette, Saxophon und Klavier
Meinen idealen Musikerberuf würde ich mir als Solistin oder
Mitglied eines A-Sinfonie-/Bläserphilharmonieorchesters vorstellen.
Immer mit imposanter und bewegender Orchesterliteratur zu leben
und in der Gruppe mit lauter gleichgesinnten und musikbegeisterten
Kollegen und Kolleginnen zu arbeiten stelle ich mir einfach traumhaft
vor. So weit ich weiß, ist es sehr schwer als normalbegabter
Musiker in solch ein Orchester zu kommen und die Berufe außerhalb
des Orchesterwesens sprechen mich nicht sonderlich an – Musiklehrer
an Schulen finde ich deprimierend, da viele Schüler kein Interesse
an der Musik haben.
Sebastian Pigorsch, 19 Jahre,
Klarinette
Idealer stelle ich mir die Ausübung des Musikerberufes in
einem Sinfonieorchester vor. Das gibt finanzielle und terminliche
Sicherheit. Für mich würde der Spaß an der Musik
und am gemeinsamen Musizieren in einem großen Orchester völlige
Erfüllung bringen.
Die berufliche Situation eines Musikers ist heutzutage erschreckend
schlecht. Es gibt kaum Orchesterstellen geschweige denn Orchester,
die sich über Wasser halten können. Die Kultur wird vor
allem auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel immer mehr abgebaut.
Dieser Tatsache fallen Musikschulen sowie Orchester und Hochschulen
zum Opfer. Da auch das Niveau und die Quantität von angehenden
Musikern zunehmen, ist es äußerst schwierig, seine Erfüllung
in diesem Beruf zu erlangen. Man sollte unbedingt vor einem Studium
an einer Musikhochschule mit diesen Tatsachen konfrontiert werden,
damit jedem klar ist wie hart und einsam das Musikerleben sein
kann.
Lisa Klotz, 17 Jahre,
Violine
Ich würde gerne in einem Kammermusikensemble spielen. Der
größte Traum ist natürlich Solist zu werden und
mit berühmten Orchestern zu spielen, allerdings hat man da
sehr wenig Chancen, da es zu viele gibt. Ich denke, dass man sehr
früh informiert werden sollte. Ich selbst bin Vorstudentin
und habe viele Kontakte mit Studenten oder ehemaligen Studenten,
die verzweifelt nach einem Arbeitsplatz suchen, da so viele Orchesterstellen
gestrichen werden und es zu viele Musiker gibt.
Mareike Vollmar, 14 Jahre,
Querflöte und Gitarre
Ich würde gerne in einem Rundfunk- oder Opernorchester spielen.
So könnte
ich mit vielen guten Musikern viele bekannte Werke von berühmten
Komponisten spielen. Ich weiß, dass es sehr schwer ist eine
Stelle in einem Orchester zu bekommen. Meine Querflötenlehrerin
hat mir erzählt, dass sich teilweise bis zu 200 Personen um
eine Stelle bewerben. Sonst weiß ich leider noch nicht sehr
viel über das Musikstudium oder den Beruf.
Simon
Hanowski, 16 Jahre, Schlagzeug
Perfekt wäre es, ein Musiker zu sein, der ständig auf
der Bühne und unterwegs ist. Das höchste wäre natürlich,
wenn man mit meiner Person einen bestimmten Musikstil in Verbindung
bringt. Daneben wäre ich auch gerne als professioneller Lehrer
oder Autor tätig. Ich persönlich brauchte über ein
Jahr, um mir darüber klar zu werden, ob ich beruflich Musik
machen will. Ich denke, wenn man frühzeitig mit Berufsmusikern
in Kontakt steht und sich realitätsnah ein Bild machen kann,
wie das Leben dann später sein könnte, hilft das schon
sehr bei der Entscheidung.
Felicia Stepp, 14 Jahre,
Violine
Es wäre mein Wunsch, nach dem Solostudium ein Quartettstudium
zu beginnen. Genaue Pläne habe ich mir aber noch nicht über
mein Berufsleben gemacht. Jeder, der das Musikstudium angeht, sollte
sich über die berufliche Situation eines Musikers im Klaren
sein. Denn die Orchesterstellen sind sehr knapp und außerdem
ist die Konkurrenz unheimlich hoch.
Julia Mahns, 20 Jahre,
Violine
Idealerweise würde ich eine gut bezahlte Stelle in einem renommierten
Orchester bekommen. Es würde geregelte Arbeitszeiten geben,
so dass ich noch genug Zeit habe, mich um andere Sachen zu kümmern.
Die tatsächliche Situation eines Berufsmusikers sieht leider
nicht besonders rosig aus.
Schon die Stellensuche kann sehr lange dauern, da man nicht nur
gegen deutsche Mitbewerber antreten muss, sondern oft auch gegen
osteuropäische und asiatische Mitbewerber. Wenn man eine Orchesterstelle
bekommt, gibt es oft unregelmäßige Arbeitszeiten und
Zeitdruck. Im Moment hört man auch immer mehr, dass Orchester
geschlossen und Stellen gestrichen werden ...
Michael Bigelmaier, 15 Jahre,
Posaune
Ich würde versuchen, in Orchestern eine Stelle als Soloposaunist
zu finden und ich würde mich um eine Stelle als Dozent an
einer Hochschule bemühen, um mein Können an andere interessierte
Musiker weiterzugeben. Ich finde es wichtig ein Musikstudium nur
dann zu beginnen, wenn man ein Abitur vorweisen kann, denn dann
hat man einfach mehr Möglichkeiten.
Miriam Mahmoud, 13 Jahre,
Posaune
Wenn ich die Musikhochschule erfolgreich absolviert hätte,
würde ich sicherlich in einem sehr guten Berufsorchester spielen.
Ich weiß, dass die Gehälter variieren, je nachdem, ob
man ein Blas- oder Streichinstrument spielt oder ob man ganze Konzerte
spielt und sehr bekannt ist. Man sollte darüber informiert
werden, wenn der Lehrer denkt, dass man echte Chancen hat, erfolgreich
im Beruf zu sein
Lisa Unterberg, 20 Jahre,
Fagott
Ich stelle mir den Musikerberuf als einen ganzheitlichen, kreativen
und interessanten Beruf vor. Sowohl als festes Mitglied in einem
Ensemble als auch freiberuflich. Ergänzend dazu sehe ich auch
immer die Lehre. Die Begeisterung an andere Menschen weiterzugeben
und dadurch ihr Leben zu bereichern ist für mich ein entscheidendes
Ziel. Ich denke dass schon vor Beginn der Ausbildung auf die schlechten
Jobaussichten hingewiesen werden sollte. Aber es sollte auch immer
Mut zum Wagnis „Musiker“ gemacht werden. Musiker ist
wohl kein Traumberuf, aber der schönste, den ich mir zurzeit
vorstellen kann.