nmz
2007/06 | Seite 32
56. Jahrgang | Juni
Bayerische Musikschulen
Musik und Bewegung – sinnstiftend für alles 2. Fachtag
Musikalische
Bildung von Anfang an“ in Ebersberg
Der Fachtag „Musikalische Bildung von Anfang an – Elementare
Musik- und Bewegungserziehung im Umfeld der Kindertagesstätte“ führte
auf Einladung des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen
(VBSM) etwa 60 Experten aus Kindertagesstätten (KiTa), öffentlichen
Musikschulen, Fachakademien und Aufsichtsbehörden in Ebersberg
zusammen. Auch Elternvertreter informierten sich darüber,
wie die Gestaltung musikalischer Bildung für Kinder im KiTa-Alter
sinnvoll ist.
Der neue Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kindertagesstätten
misst der Zusammenarbeit von öffentlichen Musikschulen und
KiTas „besondere Bedeutung“ bei. Voraussetzung dafür
ist der fachliche Dialog zwischen Erzieherinnen und Musikschullehrkräften.
Deshalb hatten sich bereits vor zwei Jahren die Pädagogen
aus Kindergärten und Musikschulen zu einem Fachtag zusammengefunden.
Sie formulierten den Auftrag, Angebotsformen der Musikalischen
Früherziehung zu entwickeln, die sich an ausnahmslos alle
Kinder einer Tageseinrichtung richten. Der diesjährige Fachtag
wendete sich konkret der Praxis zu. Vorgestellt wurden funktionierende
Kooperationsmodelle von Musikschule und Kindertagesstätten.
Darunter war auch das Pilotprojekt der Musikschule Ebersberg-Grafing,
das aus einer Idee des ersten Fachtags entstanden ist. Musikschulleiter
Peter Pfaff, der im Auftrag der vom Kultusministerium eingesetzten
Beratungsstelle des VBSM als Fachsprecher fungiert, erläuterte
die Struktur und die organisatorischen Rahmenbedingungen der ersten „MusiKita“-Projekte,
die allen Kindern im Aßlinger Gemeindekindergarten „Berger
Spatzennest“ und bei den „Kleinen Strolchen“ in
Grafing offen stehen. Früherziehungslehrerinnen der Musikschule
und das pädagogische Personal der beiden KiTas haben gemeinsam
die Konzeption auf den Alltag der Kindergärten abgestimmt – im „Dialog
auf Augenhöhe“. Projektleiterin Barbara Fischer konnte
in ihrem Vortrag eindrucksvoll zeigen, auf welchen fruchtbaren
Boden die Elementare Musikpädagogik in Form dieser „MusiKita“ fallen
kann. Dabei scheint es gelungen zu sein, den Bereich der Musik-
und Bewegungserziehung durch die Zusammenarbeit aufzuwerten. Die
Eltern setzen sich nun für eine Fortsetzung dieser Arbeit
ein.
Auch Kerstin Kern, Dozentin am Heinrich-Schütz Konservatorium
Dresden, berichtete über gute Erfahrungen aus ihrer Arbeit
an mehreren Kindergärten in der Stadt Dresden. Sie stellte
verschiedene Lernfelder vor und erläuterte die jeweiligen
Bildungsziele. Dabei halfen Geschichten, Spiele, Materialien und
szenische Gestaltungsvorschläge, den Stoff auf die Erlebniswelt
des Kindes zu übertragen. Eine „Reise ans Meer“ gab
Anlass, musikalische Strukturen differenziert wahrzunehmen, Klangqualität
zu werten, rhythmische Muster in Beziehung zu Metrum und Takt zu
setzen und die Geräusche des Meeres mit Handtrommeln, Rasseln,
Claves und dem eigenen Körper instrumental zu begleiten. Die
erfrischend authentische Vorgehensweise von Kerstin Kern hat viele
Teilnehmer animiert, solche Gestaltungsvorschläge und didaktischen
Konzepte unmittelbar in ihre eigene Arbeit aufzunehmen. Vor allem
aber wurde deutlich, dass der Kindergarten der beste Bildungsort
für die Musikalische Früherziehung ist. Die Musik- und
Bewegungserziehung kann aber ohne eine sehr umfassende und vertiefte
Berufsausbildung in diesem Bereich vielfach ins Leere laufen.
Ein weiterer Schwerpunkt des Fachtages in Ebersberg war das Thema „Stimme“ sowie
die musikpädagogischen Beiträge zur Unterstützung
der sprachlichen Entwicklung. Die Buchautorin Anne Zehnbauer erläuterte
Ansätze und Konzeption des bundesweiten Projekts „Sprachliche
Förderung in der Kita“ am Deutschen Jugendinstitut und
berichtete von ersten Erfahrungen mit der praktischen Umsetzung
in den Projekt-KiTas. Sie zeigte wie Sprachentwicklung und Sprachförderung
im Alltag des Kindergartens gelingen können, wenn Querverbindungen
zu den Bildungsbereichen Musik und Bewegung eröffnet werden.
Musik hilft schon bei der Koordination der Sprachwerkzeuge, bei
der differenzierten Klangwahrnehmung und Klangbildung, beim Erzeugen
einer Sprachmelodie und bei der Artikulation. Aber auch die Erweiterung
des Wortschatzes wird durch Musik unterstützt: Kinder erleben
unabhängig von ihrer Muttersprache Musik als Mittel der Kommunikation.
So werden sprachliche Unterschiede bei der Integration von Kindern
mit Migrationshintergrund nicht als problematisch empfunden. Auch
die Bewegungserziehung ist laut Anne Zehnbauer eine große
Hilfe für die Sprachentwicklung. Da geht es neben der Mundmotorik
und der Tonusregulierung um das körperliche Erleben und die
Relation von Begriffen, die besser im Gedächtnis bleiben und
für den Sprachgebrauch zur Verfügung stehen.
Die Themenbereiche aller Referenten wurden im zweiten Teil des
Fachtages kritisch besprochen, hinterfragt und ergänzt. Aus
den Musikschulen in Starnberg und Vaterstetten wurde von geglückten
Kooperationsformen zwischen öffentlichen Musikschulen und
KiTas berichtet, die alle Kinder einbeziehen. Peter Hoenke-Eisenbarth,
Leiter der Musikschule Wallerstein, stellte die „Musikalische
Früherziehung für alle“ vor, die dort in kurzen
Unterrichtseinheiten (15 oder 22 Minuten pro Woche) das ganze Jahr über
erprobt wurde. Die Kinder in Wallerstein zeigten sich begeistert,
von Elternseite kam große Zustimmung und der entstandene
Dialog zwischen den pädagogischen Fachkräften wurde vom
Musikschulleiter als „sehr fruchtbar“ bezeichnet. Er
hofft nun, die Gemeinde überzeugen zu können, sich dauerhaft
an der Finanzierung dieses Projekts zu beteiligen. Im gemeinsamen
Resümee des Fachtages wurde mehrfach die Forderung nach einer
deutlichen finanziellen Beteiligung von Staat und Kommunen laut.
Musik- und Bewegungserziehung in der frühen Kindheit erfordert
einen hohen und spezialisierten Ausbildungsstand der pädagogischen
Kräfte sowie besondere Rahmenbedingungen. Man war sich einig,
dass die „Musikalische Bildung von Anfang an“ im Zeitabschnitt
von KiTa bis hinein in die Grundschule so viele Chancen und Querverbindungen
eröffnet wie kein anderer Bereich innerhalb der Bildungs-
und Erziehungspläne.
Die Anwesenheit von Ministerialrat Hans-Jürgen Dunkl, Staatsministerium
für Arbeit, Sozialordnung, Familie und Frauen, wurde als Signal
dafür gewertet, dass man im zuständigen Ministerium die
Bestrebungen nach partnerschaftlicher Ergänzung für richtig
und begrüßenswert hält. Denn sowohl KiTas als auch
Musikschulen arbeiten im öffentlichen Bildungsauftrag auf
der Grundlage kommunaler und staatlicher Rahmenbedingungen. Beide
Institutionen verbinden im Wirkungskreis des regionalen Gemeinwesens
hohe Qualitätsanforderungen mit dem Bildungsprozess der ihnen
anvertrauten Kinder. Sie sind frei von kommerziellen Interessen
und verpflichtet, eine möglichst gleichberechtigte Teilhabe
an ihren Angeboten sicherzustellen – unabhängig von
der sozialen Herkunft der Kinder.