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nmz-archiv
nmz 2008/06 | Seite 12-13
57. Jahrgang | Juni
Kulturpolitik
Chancengleichheit ist gefragt
Stellungnahme der VG Bild-Kunst zum Enquete-Bericht
Der Schlussbericht enthält eine eindrucksvolle Beschreibung
der Arbeit der Verwertungsgesellschaften in Deutschland, sowohl
im Hinblick auf die Zielsetzung als auch die Praxis. Die Empfehlungen
greifen wichtige Punkte auf, die bereits in der Vergangenheit Gegenstand
von Diskussionen waren:
Mit Recht empfiehlt die Enquete-Kommission, die Interessen der
Rechtsinhaber, also vor allem der Urheberinnen und Urheber, in
den Mittelpunkt der Gesetzgebungsarbeit zu stellen. Gerade bei
den Beratungen zu Korb Zwei der Urheberrechtsreform, in der es
im Wesentlichen um die Anpassung der Regeln für private Vervielfältigung
an die Wünsche der elektronischen Industrie ging, hat sich
gezeigt, dass diesem Gesichtspunkt erhebliche Bedeutung zukommt:
Die Neuregelung der Privatkopie hat die Schwierigkeiten der Verwertungsgesellschaften,
angemessene Vergütungen für die zulässige private
Vervielfältigung geschützter Werke durchzusetzen, erheblich
vergrößert. Die weitere Entwicklung im medienrechtlichen
Bereich, zum Beispiel im Hinblick auf die Vergütungspflicht
für die Weiterleitung geschützter Werke durch Kabel-
oder Abrufsysteme zeigt, dass den Interessen der Kabelwirtschaft,
die sich ihrerseits auf angebliche Konsumenteninteressen beruft,
größere Bedeutung zugemessen wird als den Interessen
der Urheber.
Dies ist besonders deshalb bedenklich, weil die tarifvertragliche
Situation der Kulturberufe, abgesehen vom derzeit noch geschützten
Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, außerordentlich
schlecht ist und tendenziell eher schwieriger als besser wird.
Diese Erkenntnis ist der Enquete-Kommission vermittelt worden,
weshalb zu Recht gefordert wird, die urhebervertragsrechtliche
Gesetzeslage zu verbessern und den Urhebern durchsetzungsstarke
Instrumente an die Hand zu geben, um ihre berechtigten Forderungen
gegen die Kulturbranchen durchzusetzen. Nur wenn der Gesetzgeber
hier für Chancengleichheit sorgt, kann er im kulturwirtschaftlichen
Zusammenhang die Existenzgrundlagen der für die Content-Produktion
unersetzlichen Urheberinnen und Urheber sichern und damit die Basis
für die Informationsgesellschaft erhalten; kreative Menschen
sind in diesem Zusammenhang wichtiger als die Interessen der
kommerziellen Sender beziehungsweise der Hersteller von Vervielfältigungsmaschinen.
Es ist verdienstvoll, dass die Enquete-Kommission auch die jüngsten
Aktivitäten der Europäischen Kommission kritisch prüft,
der es nur noch darum zu gehen scheint, die Verwertungsinteressen
der internationalen Kulturkonzerne gegen die Verwertungsgesellschaften
als Selbsthilfeorganisationen der kreativen Menschen durchzusetzen,
wie etwa in der zitierten Empfehlung zur Online-Verbreitung von
Musik. Neuerdings wird auch das Wettbewerbsrecht eingesetzt, um
die im Interesse der Vertretung der Urheberinteressen notwendige
starke Position der Verwertungsgesellschaften zu schwächen.
Allein die nationalen Parlamente und das Europäische Parlament
können hier gegensteuern. Den Handlungsempfehlungen im Hinblick
auf die konkrete Arbeit der Verwertungsgesellschaften kann man
nur zustimmen: Transparenz im Inneren wie nach außen ist
unverzichtbar, um ihre Legitimation nachzuweisen. Ebenso selbstverständlich
ist, dass diejenigen, die als Vergütungsschuldner auch im
Bereich der Kultur- und Sozialarbeit die notwendigen und dort meist
reduzierten angemessenen Vergütungen zahlen sollen, dazu neigen,
Vergütungsfreiheit zu verlangen und dies auch in der Enquete-Kommission
zum Ausdruck gebracht haben. Dies zeigt sich insbesondere daran,
dass die Tarifpraxis der GEMA ausdrücklich thematisiert wird.
Wer allerdings Musik nutzt, sollte auch bereit sein, den kreativen
Kräften die angemessene Vergütung zuzugestehen. Die Verwertungsgesellschaften
wiederum nehmen in ihren Tarifen auf kulturelle und soziale
Zwecke Rücksicht.
Soweit die Enquete-Kommission schließlich eine Stärkung
der Aufsicht fordert, ist dagegen nichts einzuwenden, allerdings
sollte auch die beim Deutschen Patent- und Markenamt eingerichtete
Schiedsstelle verstärkt werden, um die zunehmenden Verfahren,
in denen den Verwertungsgesellschaften die Vergütungsforderung
streitig gemacht werden, schneller erledigen zu können. Aus
der Sicht der Verwertungsgesellschaften, die monopolistisch tätig
sind, kann allein eine starke Aufsicht und eine effiziente Schiedsstelle
die Gewähr für die immer wieder notwendige Legitimation
ihrer Tätigkeit bieten. Aus meiner Sicht werden allerdings
angebliche Defizite der Aufsicht unnötig dramatisiert.
Insgesamt wäre es wünschenswert, wenn die Handlungsempfehlungen,
insbesondere die erstgenannten, die weitere Arbeit des Gesetzgebers
im Urheberrechtsbereich beflügeln würden.