nmz 2008/06 | Seite 22
57. Jahrgang | Juni
Musikbildung
Schulmusik auf neuen Wegen
Schüler begegnen Jazz-Profis in der Akademie des Blasmusikverbandes
Baden-Württemberg
Seit etlichen Jahren schon ist Kürnbach im Kraichgau an den
Tagen vor Christi Himmelfahrt Schauplatz eines sicherlich einzigartigen
Projekts: In der dortigen Akademie des Blasmusikverbandes Baden-Württemberg
arbeiten instrumentale und vokale Jazzgruppen nordbadischer Gymnasien
mehrere Tage lang mit Profis von Weltklasseniveau. Die Instrumentalgruppen
werden regelmäßig von so namhaften Jazzmusikern wie
Peter Herbolzheimer, Judy Niemack (Gesang) und José Cortijo
(Percussion) betreut. Dazu kam in diesem Jahr noch Klaus Graf (Saxophon).
Die Ergebnisse der gemeinsamen Anstrengungen werden dann regelmäßig
im Abschlusskonzert einer größeren Öffentlichkeit
präsentiert. Möglich wird das Ganze durch die Zusammenarbeit
des Regierungspräsidiums Karlsruhe mit der Akademie. Die Plätze
bei diesem Workshop, berichtet Regierungsschuldirektor Reiner Senger,
sind inzwischen so begehrt, dass Wartelisten eingerichtet werden
müssen.
Zentrale Ziele der baden-württembergischen Bildungspläne,
die eine Öffnung der Schulen nach außen vorsehen und
neben fachlichen auch auf soziale und personale Kompetenzen großes
Gewicht legen, können hierbei in optimaler Weise verwirklicht
werden. Die Arbeit mit den Jazzexperten bringt die Jugendlichen
in mehrfacher Hinsicht voran: Sie erhalten nicht nur vielfältige
fachliche Hinweise zur Verbesserung der eigenen Spielpraxis, sondern
werden auch dazu angespornt, an sich weiterzuarbeiten und Durststrecken,
die beim jahrelangen Üben am Instrument nicht ausbleiben,
durchzustehen. Ein Teilnehmer bringt es auf den Punkt: „Dadurch,
dass so gute Dozenten da sind und verschiedene Bigbands, lernt
man viel kennen, also die Gemeinschaft in der Band und Übetechniken,
einfach, wie man so ein Stück anpackt und dass Musik verbindet.“ Das
gelingt nur mit einem Partner, der offen ist für die Zusammenarbeit
mit den Schulen. Georg Lernbass, der Direktor der Musikakademie
Kürnbach, sieht eine wichtige Aufgabe darin, „verschiedene
Kräfte zusammen zu bringen, zum Beispiel eine Kooperation
mit Schulen einzugehen, ein Zentrum der Kommunikation verschiedener
Generationen und unterschiedlichster Musikrichtungen zu bilden.“ Dass
dies mit diesem Projekt hervorragend gelingt, bestätigt Peter
Herbolzheimer: „Ich finde die Arbeit gerade hier in Kürnbach
sehr erfreulich, die Atmosphäre ist herrlich, ich kann mir
kaum etwas Schöneres vorstellen.“ Und er lobt auch den
Eifer der Teilnehmer: „Die Jugendlichen ziehen auch bei hohen
Ansprüchen sehr gut mit, das ist immer was Begeisterndes.“ Der
Jazz als Musikrichtung, in der Improvisation, Einfallsreichtum
und Individualität der Darbietung eine große Rolle spielen,
bietet dabei exzellente Möglichkeiten, um Jugendliche mit
unterschiedlichen Qualifikationen ihrem jeweiligen musikalischen
Entwicklungsstand und ihrer besonderen Leistungsfähigkeit
gemäß einzubeziehen und hervortreten zu lassen.
Welchen Motivationsschub eine solche intensive Arbeit mit Profis
außerhalb der normalen wöchentlichen Proben in der Schule
bei Jugendlichen auslösen kann, zeigt die begeisterte Äußerung
einer jungen Chorsängerin: „Es ist natürlich fantastisch,
mit so großen Leuten zu arbeiten. Man lernt einfach, ganz
anders, viel freier an die Stücke heranzugehen. Es wird halt
Jazz vermittelt von Leuten, die davon wirklich Ahnung haben und
da mit Leidenschaft rangehen, und das springt über. Dann überlegt
man sich auch viel mehr, dabeizubleiben.“ Bleibt zu hoffen,
dass der Workshop auch weiterhin großzügige Förderer
findet.
Dr. Eva Hirtler, Fachberaterin Musik am Regierungspräsidium
Karlsruhe