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nmz-archiv
nmz 2008/06 | Seite 42
57. Jahrgang | Juni
Bücher
Fasten steigert den Appetit
Das erste Buchprojekt der Ströer Bros. zum Thema besseres
Hören
Ernst u. Hans P. Ströer: Das MusikHörBuch. Vom passiven
zum aktiven Musikgenuss, Schott, Mainz u.a. 2008, 214 S., € 14,95,
ISBN 9783795701833
Der iTunes-Store von Apple bietet zurzeit mehr als sechs Millionen
Musikstücke zum Download an: das heißt bei einer durchschnittlichen
Länge von fünf Minuten könnte man 500.000 Stunden
Musik am Stück hören, also 57 Jahre lang – ununterbrochen.
Zudem sind wir einer ständigen musikalischen Dauerberieselung
ausgesetzt, die uns ein aktives bewusstes Musikhören immer
schwieriger macht. Diese beiden Tatsachen haben die Ströer
Bros., das sind die beiden Musiker, Komponisten und Produzenten
Ernst und Hans P. Ströer, wohl zu ihrem ersten Buchprojekt
bewegt.
Musik wird dabei wie jedes andere Genuss- oder Lebensmittel behandelt
und abgehandelt. Keine komplizierten Musiktheorien werden erklärt
oder dargestellt, es geht um den praktischen Umgang mit dem Musikhören
jenseits aller Stilistiken, das in der heutigen Zeit immer mehr
zum passiven Dauerspaß zu verkommen droht. Denn wenn wir
zum Beispiel das Autoradio anstellen, werden wir mit den Chart-Nummern
dauerbeschallt, die oftmals überhaupt nicht zur persönlichen
Stimmung oder Vorliebe passen. Im Kaufhaus, in der Fußgängerzone,
während der Werbepausen im Fernsehen werden unsere Ohren ungewollt
akustisch zugemüllt.
Die Ströers wollen hier Abhilfe schaffen und haben einen anschaulichen,
sehr sinnlichen Ratgeber verfasst, der sicherlich für aktive
Musiker oder Musikprofessoren überflüssig erscheint,
vor allem für junge, im Umgang mit Musik unerfahrene Hörer
aber sicher wertvolle Tipps bereithält. Gewürzt mit Anekdoten
und persönlichen Erfahrungen erhält der Leser eine Art
Führung durch den undurchdringlichen Dschungel, beziehungsweise
den weitgehend unerforschten unendlichen Kosmos der Musik.
So erfährt man zum Beispiel, dass Albert Mangelsdorff nach
einem Konzert in Indien die gesellige Runde seiner Mitmusiker verlassen
musste, weil es nicht möglich war, die Hintergrundmusik abzustellen.
Ein Plädoyer für das „Musikfasten“, das heißt
das Erleben größtmöglicher Stille zur Vorbereitung
des aktiven „besseren“ Hörgenusses wird hier den
weiteren Gedankengängen vorangestellt.
Weiter geht’s mit Tipps zum Aufstellen der Stereoanlage und
der Lautsprecher, dem Ordnen der Plattensammlung, zum Einberufen
von CD-Hör-Abenden mit Gleichgesinnten und Freunden, geeigneter
Musik für verschiedene Lebenssituationen wie Essenseinladungen,
Autofahrten oder Partys, der „richtigen“ Lautstärke
verschiedener Musikrichtungen, zum Konzertbesuch und vielem mehr.
Rasant werden die verschiedenen Musikepochen gestreift. Musikbeispiele
und ein Literaturverzeichnis vervollständigen den Wegweiser.
Fazit: für Einsteiger und Ver(w)irrte besonders geeignet,
auch ein Einsatz im Musikunterricht kann empfohlen werden, aber
auch passioniertere und bereits geschulte Hörer können
hier fündig werden und anhand praktischer Übungen und
neuer Gewohnheiten ihren Musikgenuss – der hier oft mit dem
Genuss von Wein verglichen wird – bewusst steigern.
Ursula Gaisa
CD-Tipp
Das bisher nicht mehr erhältliche Album „Nomaden“ von
1985 inklusive einiger bisher unveröffentlichter Stücke
aus dem Jahr 1986 wurde neu aufgelegt; hier musizieren die Ströer
Bros. zusammen mit dem britischen Poeten, Performance- und Sprechkünstler,
Howard Fine, – ein besonderes Hörerlebnis … www.stroerbros.de