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nmz-archiv
nmz 2008/06 | Seite 39
57. Jahrgang | Juni
Rezensionen-CD
Die Blume Gottes blüht
Murray Perahia (Klavier) spielt Johann Sebastian Bach: Partiten
Nr. 2 c-moll, Nr. 3 a-moll & Nr. 4 D-Dur
Sony Classical 88697226952.
Wieder sind mehrere Jahre vergangen, in denen Murray Perahia aufgrund
seiner Fingerverletzung nicht auftreten, ja, so gut wie nicht Klavier
spielen konnte. Diese Leidensgeschichte ist mittlerweile dem kollektiven
Gedächtnis des Klassikpublikums eingeschrieben und wir hoffen
alle, dass diese Katastrophe damit abgeschlossen sein möge.
Perahia selbst bewältigt sein Schicksal mit bewunderungswürdiger
Hingabe. Doch wer, wenn nicht er, sollte heute in der Lage sein,
uns solch meisterliche Aufführungen Bach‘scher oder
auch Mozart‘scher Musik zu schenken? Perahia (aus dem Hebräischen,
heißt die ‚Blume Gottes’) hat die Zeit, in welcher
ihm die praktische Ausübung seines Berufs verwehrt blieb,
genutzt, um noch tiefer in die Musik einzudringen. Sein Spiel,
ohnehin gezeichnet von einem erstaunlichen Grad überpersönlicher
Objektivierung und Transzendenz der rhythmisch-metrischen und melodisch-harmonischen
Vektoren, lässt ohne Künstelei alle Primitivität
taktweiser Strukturen weit hinter sich, fesselt als organisch in
allen Aspekten sich zu einem lebendigen Ganzen bündelnder,
schöpferischer Akt. Dabei ist seine Haltung – im besten
Sinne – noch nüchterner, gelassener, gleichmütiger
geworden. Dies geht Hand in Hand mit erlesenster artikulatorischer
Finesse, höchster klanglicher Verfeinerung und jede Faser
durchdringender Vitalität, die in ihrem Selbstverständnis
keines Gramms ‚interpretatorischer’ Eigensinnigkeit
bedarf. Dieses Musizieren ist andererseits in bestechender Natürlichkeit
persönlich, unverwechselbar, in diesem durch nichts zu stoppenden,
stets höchst differenziert perlenden Fließen, der kraftvoll
pulsierenden Schwerelosigkeit, der sachlichen Innigkeit, der Kontinuität
des endlos schattierten Ausdrucks. Perahia ist ein Medium der Musik
Johann Sebastian Bachs, als würde er zugleich immerzu erinnern: „Sein
(Bachs) Wille geschehe.“ Und Bach, dieser Gott der Musik,
lebt in der alltäglich geträumten Realität seiner
dionysisch-apollinischen Janusköpfigkeit. Überlässt
sich der Hörer bedingungslos diesen klanggewordenen Prozessen,
so mag er von Vollendung schwärmen, und Perahias unerschöpflich
blühende Gestaltung ist von Anfang bis Ende so schlüssig,
als könne es gar nicht anders sein.