[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2008/06 | Seite 39
57. Jahrgang | Juni
Rezensionen
Kurz vorgestellt
CDs
György Kurtág: Officium breve; Igor Strawinsky:
Drei Stücke für Streichquartett; Thomas Adès:
Arcadiana; Sätze von Orlando di Lasso, John Bennet und John
Dowland.
Kuss Quartett
Sony 88697092162
Die CD trägt den Titel „Bridges“, Brückenschläge
werden getan von den abgeklärten Sätzen der Renaissance
etwa aus Lassos „Prophetiae Sibyllarum“ (wunderschön
vibratofrei intoniert) zu kurzen Streichquartettsätzen des
20. Jahrhunderts. Diese durchaus schlüssige Gegenüberstellung
macht die CD zu einem Gesamterleben, wobei durchaus die Grenzen
zwischen den einzelnen Komponisten verschwimmen dürfen.
Vielleicht aber spielt das Kuss Quartett die modernen Stücke
etwas zu abgekühlt, zu wenig im Detail sprechend. Gerade
in diesen Aphorismen sind verdeutlichende Hervorhebungen so wichtig!
Giacinto Scelsi: Chukrum; Quatuor Pezzi; Natura renovatur;
Hymnos.
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Peter Rundel, Hans Zender.
Neos 10722
Vier ausgesprochen differenziert ausgearbeitete, massive Werke
von Scelsi (Aufnahmen aus Konzerten der Münchner musica
viva) sind hier in klanglich sehr differenzierter und auch aufnahmetechnisch überzeugender
Art zusammengestellt. Klang tritt auf immer wieder wundersame
Weise in gewaltige Erscheinung. Die Entwicklungsprinzipien Scelsis
scheinen ähnlich, aber welche Vielfalt resultiert daraus!
Und das unterstreicht ja seine Idee, dass alle Mannigfaltigkeit
aus Einem kommt – in der Musik ist das der einzelne Ton.
Ludwig van Beethoven: Klavierkonzert Nr. 3; Jean Sibelius:
Sinfonie Nr. 5.
Glenn Gould, Klavier. Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan.
(AD: 1957)
Sony 88697287822
Die CD feiert vor allem das Zusammentreffen zweier diametraler
Götter. Aber derlei Verklärung muss nicht jeder mitmachen.
Und so richtig aufregend ist denn auch Beethovens drittes Klavierkonzert – trotz
einer von Gould grandios gespielten Kadenz im ersten Satz, trotz
vieler anderer, vor allem pianistischer Schönheiten – auch
wieder nicht. Ob sich die beiden damals wirklich so nahe waren,
wie hier angepriesen wird? Karajan jedenfalls bleibt relativ
eindimensional trutzig und dunkel, freilich mit schön abgetöntem
Orchesterklang. Viel aufregender wirkt aber die Fünfte von
Sibelius. Hier kommt Karajan dem Geist der Musik, ihrem Aufbau
von Spannungsbögen, ihren Farbwechseln et cetera viel näher.
Das Stück wird zum Ereignis!
Hermann Nitsch: Für Anton Bruckner; Anton Bruckner:
Sinfonie Nr. 5.
Hermann Nitsch, Orgel. European Philharmonic Orchestra, Peter Jan Marthé.
Preiser Records PR 90746
Der Aktionskünstler Hermann Nitsch ist auch als Organist
und als Komponist tätig (mehrere Sinfonien liegen schon
vor). Musik spielt in seinen Vorstellungen von Kunst als Ritual,
als Mysterium immer eine große Rolle, hier vor allem ihre
magischen Qualitäten. So ist sein Orgelstück denn auch
eine Hommage an Bruckner, vielleicht an die Klangwelt des Beginns
der Neunten. Tiefste Töne, die den Unterleib treffen und
vibrieren lassen, quintige Harmonien bis hin zu schroffen clusterähnlichen
Bildungen. Musik von einer anderen Seite, gewiss nicht schlecht
oder gar dilettantisch. Natürlich kommt diese Ästhetik
der von Peter Jan Marthé sehr nahe. Er, der sein ganzes
Wirken fast ausschließlich dem Werk Bruckners gewidmet
hat und die Brucknergemeinschaft gewaltig aufrührt, sucht
immer neue Zugänge zu seinem Ideal. Es gibt viele Wege.
Und die Fünfte kommt prächtig nach Nitschs Hinführung.