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2008/06 | Seite 31
57. Jahrgang | Juni
Deutscher Musikrat
„Wir präsentieren die Besten aus den Bundesländern“
Deutscher Orchesterwettbewerb (DOW) in Wuppertal 2008 · Ein
Interview mit Helmut Schubach
Das Projektbüro in Bonn ist mit nur drei Personen besetzt,
dennoch plant und organisiert es unter der Projektleitung von Helmut
Schubach die beiden Musikrats-Projekte mit den meisten Menschen:
den Deutschen Chorwettbewerb (DCW) und den Deutschen Orchesterwettbewerb
(DOW). Letzterer ist Mitte Mai in Wuppertal zu Ende gegangen, mehr
als 5.000 Orchestermusikerinnen und -musiker in 15 verschiedenen
Orchesterkategorien hatten daran teilgenommen. Susanne Fließ sprach
mit Helmut Schubach.
Susanne Fließ: Wie war der 8. Deutsche Orchesterwettbewerb
und was war anders als in den Vorjahren? Helmut Schubach: Zunächst einmal: Ich fühle mich erleichtert,
dass es gut gelaufen ist. Zwar ist noch jede Menge Arbeit im Anschluss
des Orchesterwettbewerbs zu leisten, aber der Zeitstress ist weg.
Im Unterschied zum letzten DOW haben wir diesmal auf die so genannte „Offene
Kategorie“ verzichtet: Zum einen hat es sich als fast unmöglich
herausgestellt, Vergleichskriterien für die verschiedenen
Besetzungen zu finden. Der entscheidendere Grund sind jedoch die
geringer gewordenen Finanzmittel für den DOW 2008. Denn der
Wegfall dieser Kategorie bedeutete auch den Wegfall von zehn oder
zwölf Orchestern und das macht sich im Gesamtbudget durchaus
bemerkbar.
Fließ: Im Vorfeld ist ja
der erhöhte Teilnehmerbeitrag
kontrovers diskutiert worden. Schubach: Als wir die Ausschreibung vor drei Jahren verabschiedeten,
formulierten wir sie vor dem Hintergrund geringerer öffentlicher
Mittel. Da der Wettbewerb aber in seiner Größe erhalten
bleiben sollte, musste die Teilnehmergebühr entsprechend erhöht
werden. Deshalb verlangten wir in den Jugendkategorien 50 Euro
pro Person, in den Erwachsenenkategorien 70 Euro, im Bewusstsein,
dass das für jeden einzelnen eine hohe Summe ist. Die Suche
nach einem Hauptsponsor, der die entstandene Lücke auffüllen
sollte, war bisher erfolglos. Wir hoffen, dass die Öffentliche
Hand die Mittel wieder aufstockt, damit der Wettbewerb in seiner
Zielsetzung erhalten werden kann. Mit dem Budget 2008 sind wir
am unteren Ende der Machbarkeit angekommen. Sollten uns noch weitere
Kürzungen ins Haus stehen, steht das Projekt als Ganzes in
Frage.
Fließ: Welche Wirkung hofft
der DOW zu erzielen? Wer sollte sich also angesprochen fühlen, solch ein Projekt zu finanzieren? Schubach: Von Anbeginn war es das Ziel des DOW,
die Breite und die Qualität der Orchestermusik im Laien- oder besser Amateurbereich
darzustellen. Für jeden einzelnen Musiker soll es während
des Wettbewerbs darum gehen, einander zuzuhören und auch andere
Kategorien kennenzulernen. Das hat auch mit dem Abbau von Vorurteilen
zu tun. Für den Streicher eines Kammerorchesters ist es durchaus
wichtig zu erleben, welche Musik beispielsweise ein symphonisches
Blasorchester spielt. Vor diesem Hintergrund und mit dieser Zielsetzung
wurden der Deutsche Chorwettbewerb und auch der Deutsche Orchesterwettbewerb
ins Leben gerufen. Wenn aber das Projekt immer mehr zum Schrumpfen
verurteilt wird, weil das Geld fehlt, können auch diese Ziele
nicht verfolgt werden.
Fließ: Wenn man voraussetzt, dass ein Amateurorchester
zunächst
einmal wegen des gemeinsamen Musizierens und dem Spaß an
der Sache zusammenkommt, ist dann ein Wettbewerb das angemessene
Mittel? Wird der Spaßfaktor unter Wettbewerbsstress nicht
geringer? Schubach: Chöre und Orchester, die über viele Jahre immer
wieder an DCW oder DOW teilgenommen haben, spielten, durch das Üben
auf den Zielpunkt „Wettbewerb“ hin, nach und nach in
einer anderen Qualitätsstufe. Andere winkten bei dem Gedanken
an einen Wettbewerb ab. Sie wollten nicht so viel Zeit in die Vorbereitung
investieren und waren mit dem Niveau, auf dem sie musizierten,
zufrieden. Der Spaß am Musizieren geht auch mit Wettbewerb
nicht verloren. Der DOW besteht aus zwei Säulen: dem reinen
Wettbewerb und dem Rahmenprogramm mit einer Reihe von öffentlichen
Konzerten und der Begegnung mit Gleichgesinnten. Mit dem aktuellen
Teilnehmerbeitrag, den wir aus den bereits genannten Gründen
erhöhen mussten, wurde der Begegnungscharakter jedoch ein
wenig ausgehöhlt. Denn zwar sind darin die Übernachtungskosten
enthalten, aber jedes Orchester muss ja auch An- und Abreise finanzieren
und da spielt es im Budget durchaus eine Rolle, ob ein Bus für
zwei oder für vier Tage gemietet wird. Das läuft der
Idee des DOW entgegen! Wir wünschen uns, dass alle Orchester
den gesamten Wettbewerb über vor Ort bleiben. Und das heißt
eben nicht nur an den beiden Wettbewerbstagen, sondern auch zum
Rahmenprogramm und zu den Preisträgerkonzerten. Wir werden
darüber mit den Dirigenten und Organisatoren sprechen müssen,
vielleicht im Rahmen einer gemeinsamen Tagung im Vorfeld des nächsten
Wettbewerbs.
Fließ: Repräsentiert der DOW die ganze Bandbreite des
deutschen Amateurmusiklebens im Orchesterbereich? Schubach: Wir bilden mit all den Kategorien, die
wir anbieten den größten Teil aller Orchestertypen ab, sieht man mal
von den diversen freien Besetzungen ab. Der DOW ist ein föderaler
Wettbewerb, das heißt, zunächst sind 16 Landeswettbewerbe
vorgeschaltet und beim DOW spielen dann die besten Orchester aus
allen 16 Bundesländern. Wir präsentieren in jedem Fall
die besten Orchester aus den Bundesländern und das nicht nur
als repräsentativen Querschnitt, sondern auch auf sehr hohem
Niveau: An diesem Wettbewerb nahmen 130 Orchester teil, das waren
rund 5.000 Menschen. Als spartenübergreifende Veranstaltung
hat der DOW Alleinstellung in Deutschland.
Fließ: Was kann man denn
im Deutschen Orchesterwettbewerb gewinnen? Schubach: Zunächst Ruhm und Ehre, eine Urkunde und einen Geldpreis,
der aus dem Gesamtbudget des DOW finanziert wird. Im Anschluss
an die Wettbewerbsphase bietet das Projektbüro des DOW diverse
kategorienübergreifende Dirigierseminare und Stipendien für
Fortbildungen an. Darüber hinaus fand eine spartenübergreifende „Sonderwertung
Zeitgenössische Musik“ statt, an deren Ende ein Sonderpreis
verliehen wurde. Alle Orchester, die zwischen 23 und 25 Punkten
erreichen, sind „Preisträger des Deutschen Orchesterwettbewerbs“.
Im Deutschen Chorwettbewerb differenzieren wir jedoch noch weiter:
Hier gibt es einen Ersten, Zweiten oder Dritten Preisträger.
Und wie bereits beim Deutschen Chorwettbewerb erfolgreich und von
Anfang an praktiziert, steht auch für den DOW die Überlegung
im Raum, die besten Orchester beim nächsten Wettbewerb auszuschließen,
um für größeren Wechsel und mehr Ermutigung auf
Landes- und Bundesebene zu sorgen. Beim übernächsten
Wettbewerb sind vormalige Preisträger-Orchester dann wieder
zugelassen.
Fließ: Wie entwickeln sich denn die Bewerbungszahlen
der Orchester für den DOW? Schubach: Wir verzeichnen seit Jahren eine leicht steigende Tendenz.
Auffallend ist, dass es immer mehr Bigbands gibt, vor allem Jugendbigbands.
Deren Niveau steigt ebenfalls Jahr für Jahr. Verglichen mit
Preisträgern der ersten Wettbewerbsjahre spielen die aktuellen
Bigbands auf einem enorm hohen Niveau. Dass die Bigbands so zunehmen,
ist besonders den Musikschulen und Schulen zu verdanken, die sich
hier engagieren.
Fließ: Wie geht es weiter mit dem Deutschen
Orchester- und dem Deutschen Chorwettbewerb? Schubach: Im Grunde beginnt nun sofort die Suche
nach einem Austragungsort für den 9. Deutschen Orchesterwettbewerb. Denn bei 5.000 Menschen,
die dort für vier Tage zu Gast sein sollen, müssen bestimmte
logistische Voraussetzungen gegeben sein.Der Austragungsort für
den nächsten Deutschen Chorwettbewerb steht bereits fest,
Dortmund wird die gastgebende Stadt sein und wir erhoffen uns verstärkte öffentliche
Wahrnehmung, weil Dortmund im Jahr 2010 Teil der Kulturhauptstadt
Europas sein wird.