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nmz-archiv
nmz 2008/06 | Seite 23
57. Jahrgang | Juni
Verbandspolitik
Platz im europäischen Umfeld ausbauen
Harry Fuchs im Gespräch mit dem Generaldirektor der AKM Gernot
Graninger
Die AKM (Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten
und Musikverleger) ist eine Verwertungsgesellschaft, die in Österreich
die Rechte der öffentlichen Aufführung, die Senderechte
sowie die Zurverfügungstellungsrechte der Autoren, Komponisten
und Verleger von musikalischen Werken vertritt, die bei ihr oder
einer anderen (ausländischen) Verwertungsgesellschaft Mitglied
sind. Die AKM vertritt dabei die urheberrechtlichen Nutzungsrechte
der öffentlichen Aufführung, Sendung und Zurverfügungstellung.
Ihre Schwestergesellschaft Austro Mechana vertritt die urheberrechtlichen
Nutzungsrechte der mechanischen Vervielfältigung und Verbreitung
gegenüber der Tonträgerindustrie, der Video- und Filmindustrie,
der Leerkassettenindustrie, Hörfunk und Fernsehen. Gegründet
wurde die AKM im Jahr 1897 und ist somit (nach der französischen
SACEM) die zweitälteste Verwertungsgesellschaft Europas. Sie
ist die größte Urheberrechtsgesellschaft in Österreich
und als private Genossenschaft organisiert. Weiters ist sie Mitglied
in der GESAC, der europäischen Dachvereinigung der Urheberrechtsgesellschaften
und im internationalen Dachverband CISAC. Für die neue musikzeitung
sprach Harry Fuchs mit dem AKM-Generaldirektor Gernot Graninger.
Gernot
Graninger. Foto: AKM
neue musikzeitung: Der Musikmarkt ist momentan
einem rapiden Wandel unterworfen (Stichwort steter Rückgang bei CD-Verkäufen,
Downloadproblematik, geplante Flat Fee-Modelle). Inwieweit ist
die AKM als Verwertungsgesellschaft für Aufführungsrechte
davon betroffen, beziehungsweise wie reagiert die AKM auf die Marktentwicklungen? Gernot Graninger:
Von diesen Marktentwicklungen sind in erster Linie die Verwertungsgesellschaften
betroffen, die die mechanischen
Rechte wahrnehmen. Das ist in Österreich die Austro Mechana.
Aber auch die AKM ist betroffen, da die Nutzung von Musik in Netzen,
wie beispielsweise dem Internet oder Mobilfunknetzen, das Recht
der Zurverfügungstellung, also des interaktiven Anbietens,
beziehungsweise das Senderecht – zum Beispiel Webcasting
oder Simulcasting – berührt. Diese beiden Rechte werden
von der AKM wahrgenommen. Die AKM erbringt auch in diesem Bereich
umfassende Dienstleistungen.
nmz: Im Rahmen neuer Geschäftsmodelle wird unter anderem das
so genannte „creative commons“-Modell diskutiert, in
dessen Rahmen in der Extremausprägung schöpferische Werke
lizenzfrei als public domain zur Verfügung gestellt werden.
Wie steht die AKM dem creative commons-Modell gegenüber? Graninger:
Verwertungsgesellschaften verstehen sich als Serviceeinrichtung
für Urheber und sonstige Rechteinhaber.
Es steht jedem frei, diesen Service in Anspruch zu nehmen oder
seine Rechte unter
anderen Bedingungen zu verwerten oder sonst zur Verfügung
zu stellen. Plattformen wie „creative commons“ haben
ihre Daseinsberechtigung, da sie Möglichkeiten zur Präsentation
von Inhalten bieten und auf steigendes Interesse stoßen.
Sie haben aber auch ihre Nachteile, die einem bewusst sein müssen.
Ein großer Nachteil ist die mangelnde Flexibilität dieses
Systems: Wenn sie einmal ihre Rechte dorthin vergeben haben, können
sie diese nie mehr wieder zurückholen, sie müssen sich
damit abfinden, dass sie keine Vergütung und keine Rechtsdurchsetzung
mehr haben können, auch wenn das Werk ökonomischen Erfolg
haben wird.
nmz: Es gab seinerzeit eine Empfehlung
der Europäischen Kommission,
in der ein zentralistisches Lizenzierungsmodell vorgeschlagen wurde,
das die Bildung eines Oligopols von wenigen großen Verwertungsgesellschaften
begünstigt. Wie kommentieren Sie dieses Ansinnen, beziehungsweise
wie hat die AKM darauf reagiert? Graninger: Die politischen Entscheidungsträger in Europa haben
mittlerweile begriffen, dass die Fragmentierung von Repertoires,
die aus der Verfügungsgewalt des Rechteinhabers heraus durchaus
legitim ist, nicht den Bedürfnissen des Markts gerecht wird.
Die Nutzer wollen einen one stop shop und die Möglichkeit,
uneingeschränkt über das Weltrepertoire zu verfügen.
Es ist mittlerweile aber auch allen Beteiligten klar geworden,
dass es kein funktionierendes System geben kann, an dem nicht alle
Verwertungsgesellschaften, ob groß oder klein, beteiligt
sind. Es wird weiters sehr klar zwischen lokalen und internationalen
Nutzungen unterschieden, für die es unterschiedliche Spielregeln
geben wird. Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
nmz: Es hat ein Kartellverfahren
der Europäischen Kommission
gegen die AKM und andere Verwertungsgesellschaften gegeben; wie
ist hierbei der Stand der Dinge? Graninger: Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Die europäischen
Verwertungsgesellschaften bemühen sich auf CISAC-Ebene, ein
Lizenzmodell für den Online-Bereich auszuarbeiten, das der
Kommission vorgeschlagen wird.
nmz: Sehen Sie durch den freien
Wettbewerb innerhalb der EU eine Gefahr für die AKM hinsichtlich der Abwerbung von Mitgliedern
durch ausländische Verwertungsgesellschaften, beziehungsweise
wird die AKM gezielt potenzielle Mitglieder in anderen Ländern
ansprechen? Graninger: Entgegen der Vermutung der Europäischen Kommission
hat die AKM die Bewegungsfreiheit ihrer Mitglieder, spätestens
seit dem Beitritt Österreichs zum EWR, in keiner Weise eingeschränkt.
Es gibt einen Wettbewerb um Mitglieder und das akzeptieren wir
auch. Die AKM hat einen hohen Qualitätsstandard – zum
Beispiel bei der Verteilungsgenauigkeit – und geringe Kosten
zu bieten, das heißt einen im Vergleich zu manch großer
europäischer Schwestergesellschaft sensationell niedrigen
Spesensatz von 13 Prozent. Es besteht daher kein Grund, uns zu
fürchten.
nmz: Die 2005 verabschiedete UNESCO-Konvention zum Schutz
und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen
stärkt argumentativ auch die Bedeutung nationaler Verwertungsgesellschaften.
Nimmt die AKM diese Konvention zum Anlass für konkrete Aktivitäten? Graninger: Die österreichische UNESCO-Kommission hat
vor einiger Zeit eine ARGE „Kulturelle Vielfalt“ ins
Leben gerufen, in der auch die AKM vertreten ist. Im Übrigen
ist hier auf die langjährige rege Fördertätigkeit
der AKM zu verweisen, bei der Projekte, die das österreichische
Musikschaffen fördern, finanziell unterstützt werden.
nmz: Laut ihrem Statut stellt
die AKM zehn Prozent ihres Sozialabzugs, somit also ein Prozent
des Tantiemenaufkommens für Förderungen
zur Verfügung. Welche Linie wird bei der Fördervergabe
verfolgt, beziehungsweise durch welche konkreten Förderprojekte
wird diese Linie repräsentiert? Graninger: Die Förderungen werden über eine hundertprozentige
Tochtergesellschaft der AKM, die Gesellschaft zur Förderung österreichischer
Musik (GFÖM), www.gfoem.at, abgewickelt. Über die Vergabe
der Fördermittel entscheiden – unter Beachtung der von
der Generalversammlung der AKM aufgestellten Förderrichtlinien – die
Geschäftsführer der GFÖM. Einen großen Raum
bei der Fördertätigkeit nimmt seit jeher die Förderung
von Veranstaltungsreihen und Ensembles ein, die überwiegend
zeitgenössisches österreichisches Musikschaffen aller
Sparten präsentieren.
nmz: Die Veröffentlichung der AKM- Sendezeitstatistik ist
für viele Institutionen/Opinion Leader der Musikbranche jedes
Jahr aufs Neue Grundlage für massive Kritik am öffentlich-rechtlichen
ORF hinsichtlich des nationalen Airplay-Anteils. Wie kommentieren
sie das, beziehungsweise nimmt die AKM die Sendezeitstatistik zum
Anlass für konkrete Maßnahmen hinsichtlich einer Steigerung
des nationalen Anteils am Musikprogramm des ORF, beziehungsweise
der Rundfunkstationen allgemein? Graninger: Unsere Aufgabe als Verwertungsgesellschaft
ist es, die uns anvertrauten Rechte bestmöglich in Geld umzuwandeln. Die
Programmgestaltung von Rundfunksendungen gehört nicht zu unseren
Aufgaben, die Sendezeitstatistik ist lediglich eine Auswertung
einer Nutzungserfassung, die eine Grundlage für die Abrechnung
darstellt. Meine private Meinung ist, dass der ORF als öffentlich-rechtliche
Rundfunkanstalt sehr wohl eine kulturelle Verantwortung gegenüber
den österreichischen Musikschaffenden hat, nicht nur gegenüber
heimischen Interpreten, sondern auch gegenüber den Komponisten,
das wird oft vermischt.
nmz: Der ORF ist ja der größte Gebührenzahler,
gibt es dadurch für die AKM einen Interessenskonflikt hinsichtlich
eines kritischen Auftretens gegenüber dem ORF? Graninger: Die Größe des Lizenzkunden ORF hat nichts
damit zu tun, dass wir keinen Einfluss auf die Programmgestaltung
nehmen können.
nmz: Im Verwertungsbereich der
LSG kam es zu einer Zusammenlegung der Bereiche LSG Produzenten
und LSG Interpreten.
Wäre eine
Zusammenlegung der Verwertungsbereiche von AKM und Austro Mechana
sinnvoll, wenn nein, welche Vorteile bietet die derzeitige Struktur? Graninger: Es gibt in vielen Ländern eine Gesellschaft für
die Aufführungsrechte und eine für die mechanischen Rechte.
AKM und Austro Mechana arbeiten ohnehin sehr eng zusammen. Sie
haben zum Beispiel eine gemeinsame Werkedatenbank, die IT-Abteilung
der AKM erbringt ihre Dienstleistungen auch für die Austro
Mechana, im Bereich der Lizenzierung wird dort, wo es opportun
ist, gemeinsam lizenziert, wie beispielsweise bei Online-Nutzungen.
nmz: Im Juli 2006 trat ein neues Verwertungsgesellschaftengesetz,
gleichzeitig auch eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes
und des KommAustria-Gesetzes in Kraft. Inwieweit war die AKM in
die Gestaltung des neuen Gesetzes eingebunden, beziehungsweise
welche Änderungen haben sich dadurch für die AKM ergeben? Graninger: Es hat sich beispielsweise eine neue
Aufsichtsbehörde
etabliert, die wesentlich nachhaltiger und intensiver ihre Kontrolltätigkeit
ausübt. Leider schlägt sich das auch in den Kosten nieder.
nmz: Mit welcher Erwartung und
welcher Vision blickt die AKM in die Zukunft? Graninger: Die Herausforderungen werden zunehmend
größer,
das ist sicher. Die AKM wird ihre bereits bestehende unverzichtbare
Rolle für den österreichischen Markt beibehalten und
ihren Platz im europäischen Umfeld weiter ausbauen.
Das Gespräch führte Harry Fuchs
AKM in Zahlen
Gründungsjahr: 1897
Zahl der Mitglieder und Bezugsberechtigten gesamt: 17.433 (per
31.12.2007); davon sind
Tantiemenbezugsberechtigte: 16.932
Ordentliche Mitglieder: 501
Lizenzerträge aus dem Inland:
€ 69,2 Mio (2006)
Lizenzerträge aus dem Ausland:
€ 8,6 Mio (2006)
Höhe der Tantiemenausschüttung
an AKM-Bezugsberechtigte:
€ 41,1 Mio (2006)
Höhe der Auszahlungen an ausländische Verwertungsgesellschaften:
€ 23,6 Mio (2006)
Anzahl der Beschäftigten:
151 (per 31.12.2007)
Höhe des Spesenabzugs:
13,38% (2006)
AKM im Vergleich
Gegenüberstellung AKM/GEMA
Deutschland Einwohner: 82,3 Mio
Österreich Einwohner: 8,3 Mio
also ein Verhältnis von 1:10