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nmz-archiv
nmz 2008/07 | Seite 12
57. Jahrgang | Juli/Aug.
Forum
Geniale Idee Bundeszentrale
Leserbrief zu den Enquete-Kommentaren nmz 5/08, Seiten 13–15
Wir leben in einer Gesellschaft, die das Tauschmittel Geld zum
höchsten Wert erhoben hat. Keine Nachrichtensendung, keine
Talkshow, bei der nicht das Geld im Mittelpunkt der Betrachtung
stünde. Umso erstaunlicher, dass der Deutsche Bundestag eine
Enquete-Kommission ins Leben gerufen hat – was er nur in
ganz besonderen Fällen tut –, um die Lage der Kultur
in Deutschland einmal umfassend in den Blick zu nehmen.
Herausgekommen ist ein beachtliches Werk, das unter anderem sehr
dezidierte Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung der kulturellen
Bildung enthält. Dabei spielen die Veränderungen der
Bildungslandschaft durch die PISA-Studien, die Annäherung
von schulischer und außerschulischer Bildung und die demographischen
Veränderungen eine erhebliche Rolle. Als Ergebnis entstand
ein Konzept lebenslangen Lernens, das die bisherigen Fördermöglichkeiten
des Kinder- und Jugendplans des Bundes schlicht sprengt. Das muss
kein Schaden sein, lag doch die kulturelle Jugendbildung immer
schon im Schnittpunkt von vier Politikbereichen: der Jugend-, der
Kultur-, der Bildungs- und der Sozialpolitik. Gefördert wurde
sie bisher im Bereich der Jugendpolitik, wobei das Förderungsziel
mehr und mehr verfälscht wurde, weil die Jugendpolitik einem
Fehler erlag, vor dem das Bundesjugendkuratorium schon vor dreißig
Jahren gewarnt hatte: Sie entwickelte zur Zielgruppe ein Arzt-Patientenverhältnis,
was dazu führte, dass die Zielvorgaben immer enger auf die
Beseitigung von Mängeln ausgerichtet wurden, die Förderung
also immer mehr auf Zwecke abzielte – während Bildung
auf Sinn gerichtet ist.
Liegt es schon von daher nahe, die kulturelle Jugendbildung im
Bereich der Bildungspolitik anzusiedeln (was die rotgrüne
Koalition 1998 auch fast getan hätte), so gilt das umso mehr
in einer Zeit, die die Zusammenarbeit mit der schulischen Bildung
fordert (der Kinder- und Jugendplan des Bundes ist auf die außerschulische
Bildung beschränkt) und die die Altersgrenzen bewusst überschreiten
will. Der Kinder- und Jugendplan des Bundes, mit all seinen Verdiensten,
die er um die kulturelle Jugendbildung hat, ist zu ihrem Prokrustes-Bett
geworden, aus dem sie schleunigst herausgeholt werden muss, soll
nicht eine Vielzahl der Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission
ins Leere gehen.
Statt hier herzhaft zuzugreifen, verzetteln sich Träger der
kulturellen Jugendbildung bei der Frage, ob eine Bundeszentrale
für kulturelle Bildung sinnvoll und nützlich sei. Dabei
zeigt schon ein Blick in den Bereich der politischen Bildung, wie
segensreich die Bundeszentrale dort gewirkt hat. Die politische
Bildung ist doch nicht trotz sondern wegen der Bundeszentrale finanziell
erheblich besser ausgestattet als es die kulturelle Bildung je
war. Und sie hat die Trägerlandschaft nicht verwüstet
sondern bereichert.
Geradezu genial ist der Gedanke, eine Bundeszentrale für kulturelle
Bildung mit der bestehenden Bundeszentrale für politische
Bildung zu verbinden, nicht nur, weil es eine Menge inhaltlicher
Berührungspunkte zwischen beiden Bereichen gibt. Präsident
der Bundeszentrale ist Thomas Krüger, der Mann, der es als
Berliner Jugendsenator einst fertigbrachte, die kulturelle Bildung
im Berliner Haushalt zu etablieren, obgleich der Landesjugendplan
nur die politische Bildung kannte. Damit fiel er in der kulturellen
Szene so positiv auf, dass die Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung
(BKJ) ihn seinerzeit zu ihrem Jubiläum als Festredner einlud.
Wenn jetzt Vorbehalte an Runden Tischen bearbeitet werden müssen,
ist das nur noch mit kleinkariertem Funktionärsdenken zu erklären.
Dafür ist jetzt wahrlich keine Zeit mehr, im Gegenteil, die
Zeit drängt. Die Konjunktur lässt schon wieder nach,
die Preise steigen, bald wird wieder nur noch vom Geld die Rede
sein.