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nmz-archiv
nmz 2008/07 | Seite 15
57. Jahrgang | Juli/Aug.
Kulturpolitik
Musik steht am Anfang und am Ende
Zur Hauptarbeitstagung des Verbandes deutscher Musikschulen in
Limburg
Alle zwei Jahre treffen sich die Leiter und Direktoren der VdM-Musikschulen
zur Hauptarbeitstagung im Wechsel mit den Musikschulkongressen.
Da gibt es die Bundesversammlung mit Reden und Tagespunkten und
natürlich auch den Wahlen zum Präsidium und manches Politikum
mehr. Claudia Wanner berichtet ausführlich auf den Seiten
30/31. Hier interessiert, was so eine Hauptarbeitstagung darüber
hinaus noch ist, nämlich ein wichtiger Think Tank für
die Verantwortlichen der 925 im VdM zusammengeschlossenen öffentlichen
Musikschulen. Gekommen waren zwar nur 175, das ist etwa jeder fünfte
Musikschul-Chef Deutschlands.
Musikalische Bildung von Anfang an, Musik im dritten Lebensabschnitt
oder Musikschulen und interkultureller Dialog – die Titel
der Vorträge lässt nur einen Schluss zu: Auch beim VdM
hat die Kulturelle Bildung Hochkonjunktur. Warum Themen wie Seniorenarbeit
von zentraler Bedeutung für den VdM geworden sind und wie
sie sich mit dem Thema Ganztagsschule verknüpfen lassen, machte
Barbara Metzger, Professorin für Elementare Musikpraxis an
der Musikhochschule Würzburg, in ihrem Vortrag anschaulich. „80
plus trifft 10 minus“ heißt ein Projekt, das sie mit
ihren Studenten seit einiger Zeit durchführt. Zwölf Kinder
der Diagnose- und Förderklasse einer Schule zur individuellen
Lernförderung kommen jeden Dienstag von zehn bis elf Uhr zu
zehn bis vierzehn Senioren in einem Wohn- und Pflegeheim. Barbara
Metzgers Bericht machte klar: Trotz überalterter Bevölkerungsstruktur
leben junge Menschen in einer seniorenlosen Gesellschaft, denn
in der Familie leben alte Menschen heute nicht mehr und die Parkanlagen
und Wohnräume der Seniorenheime pflegen und unterstützen
ihre Klientel nicht nur, sondern schotten sie auch ab. Metzger
berichtete, dass nicht nur für die Kinder das Erlebnis Alter
ein neues war, sondern selbst für einzelne Musikstudentinnen.
Wenn eine frühere Pianistin nur noch mit Mühe zwei Stäbe
eines Xylophons zum Klingen bringen kann, dann ist ein Musiker
in dieser Situation nicht nur als EMP-Fachmann gefordert, sondern
als mit- und einfühlender Mensch.
Inwiefern Musizieren auch in höherem Alter bildet, legte Ulrich
Mahlert, UdK Berlin, dar. Er bezog sich bei seinen Ausführungen
auf den Philosophen und Bildungstheoretiker Georg Picht, der sagt,
dass Bildung die erworbene Fähigkeit ist, „Wirklichkeitselemente
aufeinander zu beziehen, scheinbar Bezugsloses in verborgenen Zusammenhängen
wahrzunehmen. Die Musik öffnet einen ‚Raum des Geistes’,
in dem Wahrnehmbares in seinen subtilsten Zusammenhängen erfahrbar
wird.“
Mahlert legte das altersfreundliche Potenzial des Musizierens
dar, betonte vor allem die Freude am Anfangen. Das Handwerkliche
am
Musikmachen müsse den jeweiligen Fähigkeiten von „go
goes, slow goes und no goes“ angepasst werden. Und weiter:
Das Gehör schläft nie, es gilt als der letzte Sinn, der
noch bis zum Tode funktioniert.
Dass man beim Thema Musik in der Erwachsenenbildung beinahe zwangsläufig
auch an die Bereiche Musiktherapie oder Medizin stößt,
machte Rolf Fritsch, Direktor der Musikakademie Trossingen, in
seinem Vortrag deutlich. Fritsch entwickelte ein Angebot zur zertifizierten
Weiterbildung von Musikschullehrern, das sich aus einem Grundseminar
aus Musikgeragogik, den vier Elementen Instrumentalmethodik, Musik
mit Senioren, Musik in der Betreuung und Musiktherapie sowie einem
projektbezogenen Aufbauseminar zusammensetzt.
Michael Dartsch von der Hochschule für Musik Saarland berichtete
von einer Studie zu Wirkungen und Voraussetzungen von Musikalischer
Früherziehung an seinem Institut, deren Auswertung bis zum
Herbst 2008 abgeschlossen sein soll. An der Untersuchung nahmen
insgesamt rund 1.000 Kinder im Musikalischen Früherziehungsalter
an nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Musikschulen teil.
Vorträge von Andreas Fervers, Musikschule Denzlingen, zum
Thema Neue Medien sowie Sibylle Gräfin Strachwitz, Vorstandsmitglied
der Bundes-Eltern-Vertretung und Christiane Krüger, stellvertretende
Vorsitzende des VdM, über die Elternarbeit an Musikschulen
ergänzten das Forum. Wie einzelne Musikschulen die genannten
Themen umsetzen und vor allem auch finanzieren, ließen die
Expertenbeiträge offen – ein Thema für den nächsten
Musikschulkongress im Mai 2009 in Berlin.