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nmz-archiv
nmz 2008/07 | Seite 6
57. Jahrgang | Juli/Aug.
Magazin
Der Instrumentensammler
Gunther Joppig im Gespräch mit der neuen musikzeitung
Das Musikinstrumentenmuseum im Münchner Stadtmuseum wird seit mehr als
zwanzig Jahren von Gunther Joppig geleitet. Bei der Vielfalt der hier zu leistenden
Tätigkeiten kamen ihm seine früheren Berufe als Musiker, Musikpädagoge,
Musikwissenschaftler und sogar als gelernter Schreiner sehr zustatten. Er betreut
damit zweifellos eine der weltweit größten Spezialsammlungen, aber
erstaunlich ist, dass München noch an anderen Plätzen weitere wertvolle
Bestände an Musikinstrumenten beherbergt. Für die nmz besuchte unser
Redaktionsmitglied Eckart Rohlfs Dr. Joppig und bat ihn um Erläuterung
und Bilanz seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit.
Gunther Joppig: Neben den Musikinstrumentensammlungen im Deutschen Museum
und im Münchner Stadtmuseum gibt es im Bayerischen Nationalmuseum noch Musikinstrumente
vornehmlich aus der früheren Hofkapelle. Die von Besuchern immer wieder
vorgebrachte Idee, die drei Sammlungen in einem einzigen großen Museum
zu vereinigen, berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Trägerschaften.
Das Münchner Stadtmuseum wird von der Landeshauptstadt München, das
Bayerische Nationalmuseum vom Freistaat Bayern und das Deutsche Museum von
der Bundesrepublik Deutschland finanziert. Mit etwa 6.000 Inventarnummern beherbergt
das Münchner Stadtmuseum sicherlich einen sehr großen Bestand, mit
der Besonderheit, dass Musikinstrumente aller Weltkulturen gesammelt wurden
und in der Dauerausstellung zu sehen sind.
Der
Direktor in seiner Sammlung: Gunther Joppig mit jungen Besuchern des
Museums. Foto: Eckart Rohlfs
neue musikzeitung: Die Sammlung ist ja nicht nur eine
historische Schau zur Entwicklung der Instrumentenfamilien, sondern Sie haben
verstanden, Instrumente
lebendig werden zu lassen: „Wie Töne gemacht werden“, „Wie
bringt man klangvolles Leben in tote Instrumente?“, „Welches Musikinstrument
für mein Kind?“, – durch solch kindgemäße Erläuterungen,
Selbst-anfassen- und Probierendürfen faszinieren und motivieren
Sie Ihre Besucher. Joppig: Als ich am 1. Februar 1987 die Sammlungsleitung übernahm, erklärte
der damalige Direktor Dr. Christoph Stölzl lapidar: „Sie haben die
schönsten Räume im Museum, aber es ist niemand drin. Beleben Sie
die Sammlung!“ und der damalige Kulturreferent Jürgen Kolbe forderte
mich auf, mit allen mit der Musik in München befassten Institutionen zusammenzuarbeiten.
Zunächst von der Hamburgischen Schulbehörde, wo ich als Studienrat
für Musik tätig war, an das Münchner Stadtmuseum ausgeliehen,
räumte ich den Führungen für Schulklassen oberste Priorität
ein.
nmz: Für ihr Konzertpodium haben Sie ein aufmerksames und treues Publikum – die
vierte Etage im Stadtmuseum ist voll integriert in Münchens Musikleben
und wurde damit zugleich eine museumspädagogische Instanz. Mehr kann sich
der Direktor einer solchen Sammlung nicht wünschen? Joppig: Ich intensivierte die Abendkonzerte. 1988 wurden
die Sonntagsmatineen eingeführt, um jungen Musikern Auftritte in der Öffentlichkeit ohne
finanzielles Risiko zu ermöglichen. Sonderausstellungen wie die Münchner
Geigentage machten darüber hinaus immer wieder auf das Musikinstrumentenmuseum
aufmerksam, das im 4. Stock etwas abgelegen und praktisch nur über die
beiden Aufzüge zu erreichen ist.
nmz: Die Stadt München feiert Geburtstag und präsentiert ihre 850-jährige
Historie im Stadtmuseum jetzt in neuem Kleid und wirbt mit bildungs- und besucherfreundlicher
Informationsgestaltung. Aber Ihre Musikinstrumentensammlung im Dachgeschoss
des Stadtmuseums wurde bei der Renovierung und Neugestaltung ausgespart. Ist
das ein gutes oder ein schlechtes Omen? Sogar beunruhigende Stimmen waren zu
hören: Was verbinde denn diese weltweite Instrumentensammlung im Münchner
Stadtmuseum ausgerechnet mit Münchens Geschichte? Joppig: Von der Stadt München wurde zunächst der historische Teil
mit dem ehemaligen Zeughaus und dem Eingangsbereich saniert mit der Auflage,
dort eine stadtgeschichtliche Ausstellung zu installieren, die soeben
eröffnet und positiv besprochen wurde. Zusammen mit dem Ensemble, bestehend
aus der Synagoge, dem jüdischen Gemeindezentrum, dem Jüdischen Museum
und dem sanierten Teil des Münchner Stadtmuseums ist in München mit
dem St.-Jakobs-Platz ein neues Zentrum entstanden, das Besucher aus dem In-
und Ausland anzieht. Derzeit laufen die Planungen für die Sanierungen
des zweiten Bauabschnittes, die auch die Sondersammlungen des Münchner
Stadtmuseums betreffen. In welcher Form die Sammlung Musik dann in die geplanten „Urbanen
Welten“ aufgenommen wird, lässt sich zu diesem Zeitpunkt
nicht beantworten.
nmz: Welche Vorstellungen haben Sie für die Weiterführungen und zeitgemäße
Präsentation Ihrer Musikinstrumentensammlung, wofür zum Beispiel
die Sammlungen in Brüssel oder in der Cité de la Musique in Paris
oder die aktuelle Ausstellung im Völkerkundemuseum Zürich („Trommeln
der Schamanen“) neue Maßstäbe gesetzt haben? Joppig: Da eine Ausschreibung der Sammlungsleiterstelle zum gegenwärtigen
Zeitpunkt noch nicht erfolgt ist, wird die zukünftige Betreuung in den
Händen von unserem Mitarbeiter Dr. András Varsányi liegen,
der zurzeit auch eine Professur für Weltmusik an der Universität
Münster wahrnimmt. Für die Musikinstrumentenpräsentation in
den neuen Gebäuden in Brüssel, Paris und Wien wurden Audiosysteme
installiert, für die in München bisher keine Mittel zur Verfügung
standen. Dagegen haben wir immer auf eine persönliche Betreuung von Besuchergruppen
gesetzt. Zunächst werde ich für Führungen in Zusammenarbeit
mit dem Museumspädagogischen Zentrum (MPZ) gerne weiterhin zur Verfügung
stehen.
nmz: Für den 26. Juli ist im Münchner Stadtmuseum von und mit Gunther
Joppig „Eine Abschieds-Valentinade“ angekündigt. Welche Bilanz
ziehen Sie aus Ihrem Einsatz? Joppig: Ende Juli erreiche ich die Altersgrenze
und kann auf eine sehr intensive Dienstzeit zurückblicken,
in der es uns gelungen ist, trotz überall
zurückgehender Besucherzahlen in den Museen, ein Stammpublikum
aufzubauen, das immer wieder gern unsere Veranstaltungen besucht.
Heute kommt zu Führungen
bereits die „Zweite Generation“, wie ich sie nenne:
Das sind junge Lehrerinnen, Erzieherinnen und Kindergärtnerinnen,
die bereits während
ihrer Schulzeit unsere Führungen kennen- und schätzengelernt
haben, und die nach entsprechendem Studium mit ihren eigenen Klassen
und Gruppen wiederkommen.
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird heute allgemein strapaziert,
hier hat er wohl seine Berechtigung.
nmz: Auch der Sammlungsbestand konnte bereichert
werden? Joppig: Ein Hammerflügel von Johann Andreas Stein, Augsburg 1790 und ein
weiterer seines Schülers. Franz Joseph Wirth, Augsburg 1803 (gemeinsame
Erwerbung mit dem Ernst-von-Siemens Kunstfonds), eine Violine von Jakob Stainer,
Absam 1656, eine Silbertrompete von Philipp Schöller, München um
1760 und ein Paukenpaar aus dem Besitz der Hofkapelle (mit Unterstützung
der Freunde des Münchner Stadtmuseums). Attraktionen jeder Führung
stellen das javanische Gamelan-Ensemble, Wírun 1987, die riesige Klostertrommel
aus Nordthailand, die Konzertharfe von Josef Obermayer, Starnberg 1959, das
selbstspielende Steinway-Welte-Klavier von 1925 und das Riesen-Tamtam der Firma
Paiste, Schacht Audorf 1999 dar, das zur Jahrtausendwende mit einem Durchmesser
von über zwei Metern gefertigt wurde.
nmz: Welche Ideen und Plänen haben Sie, Ihre bisherige flankierende Arbeit
als Wissenschaftler, Forscher und Autor etlicher Fachpublikationen weiterzuführen? Joppig: Außer, dass ich nicht mehr täglich im Museum zu erreichen
bin, wird sich an meinen Aktivitäten nicht viel ändern. Angebote
für einen Lehrauftrag am Institut für Musikpädagogik und Vorträge
für die Seniorenuniversität der Ludwig-Maximilian-Universität
in München liegen bereits vor. Veröffentlichungen auf dem Gebiet
der Instrumentenkunde harren ebenso ihrer Vollendung, wie die Herausgabe von
Notendrucken. Wieder mehr zum Üben zu kommen auf meinen zahlreichen Holzblasinstrumenten,
der Harfe und dem Flügel wird mir eine besondere Freude sein.