[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2008/07 | Seite 9
57. Jahrgang | Juli/Aug.
Magazin
Über beide Ohren musikalisch
Stephen Jones zwischen Band, Filmmusik und sich selbst
Stephen Jones ist keiner, den man als puren Songwriter etikettieren sollte.
Landläufig würde man ihn eher als queren, nachdenklichen und fortschrittlichen
Songwriter bezeichnen, der nebenbei Bücher (The Bad Book und Harry and
Ida Swap Teeth) veröffentlicht, dem Stillstand ein Fremdwort ist und der,
von innerer Unruhe getrieben, nach vorne muss. Doch wer ist Stephen Jones?
Rückblick. 1996. Das sich gerade formatierende Radio besticht im Gestrüpp
der austauschbaren Singles mit einem immer wieder gespielten Titel: „You’re
Gorgeous“. Geschrieben von Stephen Jones alias Babybird. Eine Songwriterband,
der ein Hit nach der „lex pop“ gelingt: knackig, mitsingbar aber
nicht beliebig. Es folgen acht weitere UK Top 40 Chartplatzierungen und zwei
Millionen verkaufte Platten. Stephen Jones besaß plötzlich die Freiheit,
in den nächsten Jahren jegliche Musik machen zu dürfen. Filmmusik
(„Blessed – Kinder des Teufels“ mit Heather Graham) zum Beispiel. „Allerdings
eine trügerische Freiheit“, ergänzt er, „denn letztendlich
machst du das, was der Regisseur von dir möchte. Bei der eigenen Musik
steckt mehr Leidenschaft drin und das Schreiben fällt mir leichter.“ 2000
folgt das bis dato letzte Babybird-Album „Bugged“. Begleitet von
einer umjubelten Tour in England. Was für Jones kein Grund war weiterzumachen.
Er verkroch sich künftig in Filmkompositionen und Soloalben.
Nun gibt es mit dem Album „Between My Ears There’s Nothing But
Music“ ein Comeback der Band. Warum die lange Pause? „Na ja“,
schmunzelt Jones, „zunächst hatte ich einige Filmaufträge zu
bewältigen und wollte meine Soloalben veröffentlichen. Und schließlich
kamen noch ein paar Kinder dazwischen. So schnell vergehen acht Jahre.“ Aber
die Band scheint noch zu funktionieren. Zusammen mit dem Gitarristen Luke Scott
und Schlagzeuger Rob Gregory bastelte er zwei Jahre am Album. Dabei gab es
keinen besonderen Ansporn, ein Band-Album zu machen. „Es war relativ
simpel“, erzählt Jones. „Der Chef meiner Plattenfirma fragte,
ob wir nicht Lust hätten, eine Platte zu machen. Und da ich ständig
Songs schreibe, gab es jede Menge Material.“ Stichwort Schreiben. Wie
sehr hängt ihm beim Schreiben der „Gorgeous“-Fluch nach? Oder
die Paranoia, einen Hit landen zu müssen? „Ich selbst erwarte das
nicht“, wehrt Jones ab. „Man kann das auch nicht vergleichen. Damals,
1996, war ich arbeitslos, hatte keinen Plattenvertrag und schrieb Songs, weil
ich sonst nichts zu tun hatte. Dass „You’re Gorgeous“ ein
Hit wurde, war reiner Zufall. Ich hatte das nicht unter Kontrolle. Und deswegen
fühle ich keinen Druck, einen Teil Zwei des Songs zu produzieren.“ Eine
Attitüde, die man jedem einzelnen Song anmerkt.
Zerbrechlich aber einladend beginnt die Platte mit einer sperrigen Ballade.
Man klebt am Song und an der Band fest. Entscheidet sich spontan, das komplette
Album durchzuhören. Stephen Jones bestätigt die Wichtigkeit des ersten
Titels: „Wir haben uns schon Gedanken gemacht. Schließlich werden
neuerdings nur noch einzelne Songs bei „iTunes“ heruntergeladen,
ohne dass die Leute das gesamte Album kennen. Deswegen muss man zu Beginn des
Albums den Hörer zu einer Reise einladen.“ Die setzt man bei Babybird
gerne fort. Es ist dieser raffinierte Popanspruch, den die drei zwischen Gitarrenriffs,
Pianoläufen und elektronischen Versatzstücken durchschimmern lassen.
Und der Mut, den nächsten Akkord garantiert unerwartet zu setzen. Bloß keine
Meterware verkaufen. Zugegeben, das ist an manchen Stellen gewöhnungsbedürftig.
Aber es bleibt. Zumal Stephen Jones’ Texte zum Mitlesen und Zuhören
motivieren. „Es geht um unser Leben“, erklärt er. „Um
das, was uns zustößt. Ich denke, jeder kann sich in den Texten finden,
und das hat für mich Bedeutung.“ Irgendwie glaubt man ihm. Und an
das Album. Ein Songwriteralbum trotz Band. Mit Unerwartetem aber nicht Unbekanntem.
Schön, dass es noch Alben zum „Durchbeißen“ gibt.