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nmz-archiv
nmz 2008/07 | Seite 9
57. Jahrgang | Juli/Aug.
Magazin
Hoffnung auf eine harmonische Welt
Der Dirigent Muhai Tang bei young.euro.classic 2008
Wenn das Festival young.euro.classic vom 1. bis 17. August wieder zur Anhörung
von Jugendorchestern aus aller Welt ins Berliner Konzerthaus lädt, wird
wie im vergangenen Jahr ein Klangkörper besonderes Interesse auf sich
ziehen: das Festivalorchester China-Deutschland, das sich diesmal aus Studierenden
des Konservatoriums Shanghai und der Münchner Musikhochschule zusammensetzt.
Weitere Auftritte wird das Orchester unter anderem in Shanghai, Peking, München
und Dortmund geben. Für die nmz sprach Juan Martin Koch mit dem aus China
stammenden Dirigenten Muhai Tang.
neue musikzeitung: Sie kennen young.euro.classic schon
seit Längerem,
was ist für sie das Besondere an diesem Festival? Muhai Tang: Musik zu machen auf der ganzen Welt ist für mich immer etwas
Aufregendes, besonders in diesem Jahr der Olympiade, mit allen diesen Umständen, über
die wir nicht mehr viel zu reden brauchen. Ursprünglich wollte ich die
Konzerte auch direkt nach China übertragen lassen, als einen Gruß aus
Berlin. Für mich ist Musik immer eine Botschaft, die Hoffnung auf eine
harmonische Welt. Wir wollen Brücken aufbauen in verschiedene Länder,
in verschiedene Kulturen.
nmz: Sie haben im vergangenen Jahr schon ein deutsch-chinesisches
Orchester dirigiert. Wie erleben Sie die Musiker? Tang: Wenn ich mit jungen Leuten arbeite, spüre ich immer eine riesige
Energie und einen großen Wissensdurst. Und ich merke auch, dass da mit
den verschiedenen Kulturen auch verschiedene Charaktere aufeinandertreffen.
China erlebt ja eine ganz besondere Zeit, eine hoffnungsvolle Zeit, aber auch
eine schwierige. Das Land öffnet sich, die Wirtschaft entwickelt sich
so schnell und alles ist auch ein bisschen durcheinander. Die jungen Leute
reagieren ein wenig nervös darauf, glaube ich. Früher, so zumindest
meine Erinnerung, waren sie entspannter.
nmz: Ist bei der Einstudierung unterschiedliche Ausbildung
spürbar? Tang: Ganz klar, in Deutschland und anderen Ländern mit großer klassischer
Tradition wird viel Wert auf das Zusammenspiel, auf das Ensemble gelegt. In
China steht der Solo-Auftritt stärker im Mittelpunkt des Interesses und
es wird sehr schweres Repertoire gelehrt. Man merkt es daran, dass es plötzlich
hervorragende chinesische Solisten gibt. Aber im Orchesterniveau ist man noch
weit weg. Die Nervosität, von der ich sprach, hat also vielleicht auch
damit zu tun, dass sie noch nicht so gut für das Spiel im Kollektiv trainiert
sind. Die Diskussion, welche Ausbildung die bessere ist, wird nie aufhören.
Das alles ist ja auch Ausdruck einer Gesellschaft, einer Kultur. Ich kann die
Leute nicht zu einem anderen System zwingen.
nmz: Wie steht es mit dem persönlichen Kontakt zwischen den chinesischen
und deutschen Musikern? Kann sich in den Proben- und Konzertphasen etwas entwickeln? Tang: Im letzten Jahr hat das noch nicht so gut geklappt,
die Studenten blieben eher unter sich, zum Teil wegen der Sprachkenntnisse,
zum Teil aus Schüchternheit.
In diesem Jahr wollen wir versuchen, das alles besser zu organisieren und werden
die jungen Leute animieren, mehr Zeit zusammen zu verbringen.