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nmz-archiv
nmz 2008/07 | Seite 17
57. Jahrgang | Juli/Aug.
Medien
Zukunftsmusik made in Austria
ORF bietet freiwillige Selbstverpflichtung an
Unter dem Titel „Zukunftsmusik. Aktuelle Herausforderungen
und musikalische Entwicklungsperspektiven in Österreich“ befasste
sich eine Parlamentarische Enquete Anfang Juni mit den Themen Musikwirtschaft
und Musikstandort Österreich sowie Musikausbildung, Musikvermittlung
und Musikpädagogik. Die Idee zur ganztägigen Enquete
stammt aus einem Treffen zwischen den Kultursprecher/-innen der
einzelnen Fraktionen und der Präsidentenkonferenz Musik, die
auch den Themenkatalog erstellt und „wertvolle Inputs“ gegeben
habe, wie Abgeordnete Christine Muttonen in ihren Eröffnungsworten
betonte.
Bundesministerin Dr. Claudia Schmied sah in ihrer Eingangsrede
durch diese Enquete die Tatsache bestätigt, dass Musik nicht
nur eine tragende kulturelle Säule Österreichs, sondern
auch ein respektabler Wirtschaftsfaktor und darüber hinaus
ein wichtiger Baustein in der Persönlichkeitsbildung junger
Menschen ist. Um ihre Vielfältigkeit zu erhalten, gelte es,
die Rahmenbedingungen für eine lebendige Musiklandschaft immer
wieder neu zu definieren und zu schaffen.
Das dominierende Thema des Tages, das alleine rund die Hälfte
der insgesamt achtstündigen Veranstaltung beherrschte, war
das Verhalten der heimischen Rundfunksender in Bezug auf österreichische
Musikproduktionen und hier vor allem des dominierenden und marktführenden öffentlich-rechtlichen
Senders ORF. ORF-Hörfunkdirektor Dr. Willy Mitsche sah sich
einer, in selten da gewesener Einigkeit verbundenen Branche gegenüber.
Dies ließ keinen Zweifel daran, dass der ORF, allen voran
das „Flaggschiff“ Ö3, die im ORF-Gesetz verankerte „angemessene
Berücksichtigung und Förderung der österreichischen
künstlerischen und kreativen Produktion“ sowie die in
der UNESCO-Charta zur Bewahrung der kulturellen Vielfalt festgeschriebenen
Vorgaben in eklatanter Weise verletzt. Auch das vorsorglich von
den ORF-Verantwortlichen mitgebrachte Promotion-Video konnte an
dieser Einschätzung nichts ändern. Zu deutlich war die
Sprache der Zahlen und Fakten, welche die gut präparierten
Redner präsentierten: Mit rund 15 Prozent durchschnittlichem
Anteil österreichischer Musikproduktionen im gesamten Rundfunkmarkt
stehe Österreich im europäischen Vergleich mit immensem
Abstand an letzter Stelle und selbst im weltweiten Vergleich reiche
es nur für den drittletzten Platz. Mit einem Anteil von gerade
einmal 5 Prozent österreichischer Musik auf dem mit über
70 Prozent marktführenden Sender Ö3 sorge der ORF nicht
nur für eine beschämende Situation, sondern er füge
einer ganzen Branche schweren wirtschaftlichen Schaden zu, der
diese an den Rande der Existenzfähigkeit brächte – so
die übereinstimmende Meinung aller Diskutanten. Angesichts
der spartenübergreifend demonstrierten Entschlossenheit, diese,
einer Kultur- und Musiknation unwürdige, Situation nicht länger
zu akzeptieren und diese baldmöglichst durch eine gesetzliche
Quotenregelung, wie sie in beinahe allen Ländern der EU schon
seit einiger Zeit die Regel sei, beseitigen zu wollen, sah sich
Hörfunk-Programmdirektor Dr. Mitsche veranlasst, den Branchenvertretern
die Einsetzung einer Arbeitsgruppe anzubieten. Diese wird schon
Ende Juni erstmals tagen und eine freiwillige aber verbindliche
Lösung für „das Problem ORF und Ö3“,
wie es der Enquetevorsitzende wörtlich nannte, zu erarbeiten
und umzusetzen. Die SPÖ-Kultursprecherin Muttonen zeigte sich
ob dieses Angebots erfreut. Als Mediensprecher der ÖVP setzt
sich der ehemalige Kulturstaatssekretär Franz Morak nach wie
vor stark dafür ein, dass der ORF die im Gesetz formulierten
Zielbestimmungen des Programmauftrages ernsthaft umsetzt: „Die
Qualität und die Quantität der österreichischen
Musik sind ausreichend vorhanden, sie muss nur gespielt werden.“
Der Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl, ergänzte
die Diskussion um ein weiteres Thema und forderte dringend ein
Musikförderungsgesetz, das sich auf adäquate Weise mit
den aktuellen Formen und Bedingungen des österreichischen
Musikschaffens auseinandersetzt.