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nmz-archiv
nmz 2008/07 | Seite 17
57. Jahrgang | Juli/Aug.
Medien
Von selbstregulierenden Portalen und Cyber Mobbing
Zu einer Veranstaltung der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen
zum Thema Web 2.0
Vor dem Hintergrund der Diskussion um den neuen Rundfunkstaatsvertrag
erhält das Veranstaltungsthema „Web 2.0 – Potenziale
und Herausforderungen“ eine zusätzliche aktuelle Dimension – vor
allem, wenn der Veranstalter die Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen
ist, die zum Thema „Öffentlich-Rechtliche im Netz“ vermutlich
eine andere Meinung vertreten dürfte als die Öffentlich-Rechtlichen
selbst. Die Präsentationen, die im Rahmen des Workshops gezeigt
wurden, gaben jedenfalls – neben dem Eindruck der Unüberschaubarkeit
musikalischer Netz-Angebote – beredt Zeugnis von vielfältigen
Netz-Portalen, die auch ohne Gebühren-Bezuschussung Kultur
anbieten.
Das Ziel des Workshops war allerdings ein anderes. Eigentlich
wollten dessen Initiatoren, Joachim Gerth von der Landesmedienanstalt
und
Matthias Pannes vom Verband deutscher Musikschulen, am Ende des
Tages den Einstieg in ein Musikportal für junge Menschen gefunden
haben, das mit seriösen und qualitativen Inhalten eine steuernde
Wirkung hat.
Spricht man vom „Web 2.0“, muss man sich allerdings
fragen, inwieweit Steuerung von außen überhaupt eine
Chance hat. Begriffe wie „user generated content“, „wikis“,
Social Bookmarks oder Weblogs, die den – nicht begrenzbaren – Raum
des Web 2.0 prägen, deuten bereits an, dass hier Vieles mit
Selbststeuerung zu tun hat.
Der immense Erfolg von Webportalen wie Studi- oder Schüler-VZ
ebenso wie My Space oder You Tube ergibt sich ja gerade aus der
Selbstregulierung, in die – scheinbar – von außen
niemand eingreift.
Würden sich junge Menschen also auf ein – womöglich
noch von älteren Generationen – gesteuertes Musikportal
einlassen?
Kollektive Antworten auf diese Frage konnten die Referenten nicht
finden. Zu unterschiedlich stellten sich die Portale dar, die sie
präsentierten. Eröffnungsredner Bernt von zur Mühlen
hatte sich im Netz umgetan, um positive wie negative Beispiele
ausfindig zu machen. Einige Ergebnisse: Klassische Musik ist durchaus
geeignet, auch ins Web 2.0 Eingang zu finden.
Allerdings brauchen solche Web-Angebote, gerade wenn sie Jugendliche
ansprechen wollen, mehr „spirit“ als das, was zurzeit
auf dem Markt ist. Bewegtbild sei nicht mehr wegzudenken, so von
zur Mühlen. „Promis“ als Zugpferde seien auch
im Klassikbereich attraktive Anziehungspunkte. Schließlich
empfahl er den Blick auf Formate wie „DSDS“, die dem
Klassikbereich in Sachen Marketing mehrere Schritte voraus seien.
Die anschließenden Beiträge stellten scheinbar unvereinbare
Angebote wie die Musikschul-Community im Netz (präsentiert
von Andreas Fervers) einem sich selbst regulierenden Portal wie „Last.fm“ (Marco
Medkour) gegenüber. Wiederum eher von außen geregelte
Strukturen zeigte Kerstin Ciba mit Bildungsangeboten von DigiOnline
auf.
Angst und Bange konnte einem werden, als es um die Gefahren des
Web 2.0 ging: Gefahren, die gerade von jungen Menschen, die sich
wie selbstverständlich im World Wide Web tummeln, oft nicht
erkannt werden. Begriffe wie „cyber mobbing“, Verletzung
der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes, jugendgefährdende
Inhalte, Jugendschutz, Urheberrechtsverletzungen und vollkommene
Transparenz der eigenen Persönlichkeit wurden von Christina
Rhode eindrucksvoll in den Raum gestellt. Rechtsanwalt Christian
Solmecke schließlich, dessen Kanzlei zurzeit zahlreiche illegal
downloadende Jugendliche gegen die Phonografische Wirtschaft vertritt,
sprach über die „Kriminalisierung“ junger Menschen
und die aus seiner Sicht überdimensionale rechtliche Verfolgung
von „Piraterie“-Delikten. Die Verteidiger des Urheberrechts
auch im Bereich der neuen Technologien waren in der anschließenden
Diskussion leider in der Minderzahl. Keiner mochte so recht das
Schwert der Kreativen hochhalten; die Frage, wie Musik-Autoren
in Zeiten von „creative commons“ Geld verdienen sollen,
blieb von dessen Verfechtern unbeantwortet.
Dass am Schluss kein Rezept gefunden war, was man jungen Musik-Interessierten
im Web 2.0 sinnvoll und qualitativ anbieten kann, tat der Veranstaltung
keinen Abbruch. Neue Räume hat sie den Teilnehmern allemal
eröffnet, allerdings auch den sicher richtigen Eindruck hinterlassen,
dass eine regulierende Ordnung im musikalischen Internet letztlich
nicht (mehr) geschaffen werden kann.