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nmz-archiv
nmz 2008/07 | Seite 16
57. Jahrgang | Juli/Aug.
Musikwirtschaft
Erst Startschuss dann Fehlstart?
Die Initiative Musik stellt Förderbedingungen vor und offenbart
Konflikte
Am 9. Juni war es endlich soweit. Die Verantwortlichen der Initiative
Musik stellten in Berlin ihre Richtlinien für die Förderung
von populärer Musik vor. 2008 sollen 60 bis 80 Projekte in
den Sparten Rock, Pop und Jazz mit zwei Millionen Euro gefördert
werden. „Besser spät als nie“, bemerkte ein Teilnehmer
der Pressekonferenz, war doch bereits 2006 die erste Million vom
Deutschen Bundestag für die Initiative bewilligt worden. Der
zwölfköpfige Aufsichtsrat hatte sich zunächst über
ein Jahr nicht auf eine konkrete Ausgestaltung der Initiative einigen
können. Nun liegen nicht nur die Förderrichtlinien vor,
sondern es stehen auch je eine Million Euro für dieses und
letztes Jahr zur Verfügung. Nach der langen Zeit der Stille,
soll nun alles ganz schnell gehen. Antragsteller bekommen nur drei
Wochen Zeit, Ihre Projekte für die erste Auswahlsitzung einzureichen.
Kurz nach Veröffentlichung der Förderrichtlinien standen
diese bereits in der Kritik. Monika Griefahn, kulturpolitische
Sprecherin der SPD im Bundestag, bemängelte, dass die Zugangshürden
für den Nachwuchs zu hoch seien. Tatsächlich können
nur Projekte zu 40 Prozent gefördert werden, die ein Mindestbudget
von 25.000 Euro erreichen. Das kritisieren auch die Jazz&WorldPartners,
ein Wirtschaftsverband, in dem zahlreiche Firmen von Universal
und Warner bis hin zu Edel und Act organisiert sind. In ihrer Pressemitteilung
stellen sie fest: „Große Labels und internationale
Musikfirmen können und werden sich wie bisher auch in Zukunft
nicht in der nationalen Nachwuchsförderung engagieren. Diese
Aufbauarbeit wird in der Regel durch kleine und kleinste Unternehmen
geleistet.“ Für diese seien die Förderbedingungen
jedoch kaum erreichbar, da insbesondere der Eigenanteil von 60
Prozent „in der Regel nicht zu leisten“ sei.
Die Politikerin Monika Griefahn sieht außerdem kritisch,
dass die Initiative Musik in mehreren Punkten nicht den Erwartungen
des Bundestages entspreche. Bereits 2007 forderten Union und SPD
in einem Antrag unter anderem einen Spielstättenprogrammpreis
und die besondere Beachtung des Jazzbereichs. In diesem Genre gäbe
es eine spezielle Situation und damit „spezifische Auswirkungen,
die besondere Beachtung finden müssen“. Ansonsten würde
improvisierte Musik wie bei anderen Förderprogrammen schnell
hinten herunterfallen. Gerade weil mit diesem Antrag in der Jazzszene
so viele Erwartungen geweckt worden waren, sind von dieser Seite
nun die offensten Stimmen zu hören.
Unter den Kritikern ist auch der Jazzbeirat des Deutschen Musikrates.
In einer Stellungnahme beanstandet er insbesondere, dass der Spielstättenprogrammpreis
für improvisierte Musik durch die Richtlinien nun sogar ausgeschlossen
bleibt. „Es macht kaum Sinn, hochprofessionelle Musikerinnen
und Musiker auszubilden, wenn ihnen nach ihrer Ausbildung keine
professionellen Spielmöglichkeiten zur Verfügung stehen“,
so Werner Lohmann, Vorsitzender des Jazzbeirates. Warum sich die
Kritik erst auf diese Weise offenbart, obwohl der Musikrat selbst
Gesellschafter der Initiative ist, bleibt offen. Griefahn hatte
schon früh vergeblich gefordert, dass der Aufsichtsrat Experten
für Rock, Pop und Jazz hinzuzieht.
Nun bleibt abzuwarten, ob von Seiten der Politik Änderungen
eingefordert werden. Immerhin werden die Abgeordneten auch in Haushaltsverhandlungen
im Herbst erneut über die Weiterführung der Initiative
entscheiden müssen. Doch wodurch konnten solche Unstimmigkeiten
entstehen? Eine Frage, die alle Beteiligten gemeinsam beantworten
müssten. Der Haushaltsausschuss legte den Grundstein für
die Konfusion, indem er mit der Initiative ein Programm verabschiedete,
das er, abgesehen von den drei abstrakten Säulen Nachwuchs,
Integration und Export, inhaltlich komplett offen ließ. Der
Bundeskulturstaatsminister Bernd Neumann, dessen Interesse für
den Film das für Musik deutlich übersteigt, versäumte
es über Monate, eigene Ideen zur Initiative Musik zu entwickeln.
Die Kulturpolitiker des Bundestages formulierten zwar inhaltliche
Kriterien in einem Antrag, sorgten jedoch nicht für seine
Umsetzung im Aufsichtsrat der Initiative. Diesem gehören nun
keine Kulturpolitiker, sondern zwei Abgeordnete des Haushaltsausschusses
an, die zwar Geld aber keine Inhalte geliefert hatten. Und zu guter
Letzt schätzten die Akteure aus der Musikindustrie die Lage
falsch ein. Sie erhofften sich den Beginn einer Wirtschaftsförderung
für ihren seit Jahren kriselnden Geschäftszweig. In Ihrer
Euphorie schienen sie zu übersehen, dass eine für diese
Zwecke sehr übersichtliche Summe von einer Million Euro, die
noch dazu im Kulturhaushalt und nicht beim Wirtschaftsminister
festgeschrieben ist, kaum ihre Wünsche erfüllen kann
und auch gar nicht darauf angelegt war.
Selbst wenn der Aufsichtsrat noch auf einzelne Forderungen aus
dem Bundestagsantrag eingehen sollte, der ganz grundlegende Dissens
ist weit schwerer zu bereinigen. Die Abgeordneten sehen die öffentliche
Förderung der populären Musik als kulturellen Bereich,
der sich laut Antrag „nicht vordergründig einer ökonomischen
Logik unterwerfen“ lasse. Nicht so Aufsichtsratsvorsitzender
Gorny, der auf der Internetseite der Initiative formuliert: „Musik
hat einen unschätzbaren Wert für unser Land, leistet
einen enormen Beitrag zum Bruttosozialprodukt und ist damit wirtschaftlich
für unser Land wichtig.“ Mit dieser kulturwirtschaftlichen
Sichtweise bleibt auch für die Säule Integration kein
Platz mehr. Den Pressevertretern deutete Gorny an, dass er die
Begriffe Migration und Integration mit dem des multinationalen
Marktes gleichsetzen würde und löst sich damit kurzerhand
von dem unerwünschten kulturpolitischen Ballast. Folgerichtig
sucht man spezifische Ansätze für Migration und Integration
in den Förderrichtlinien vergeblich.
Gerade ob die Initiative Musik die Antwort auf die Probleme der
Musikwirtschaft sein kann, bleibt mehr als fraglich. Selbst die
Branche scheint nicht daran zu glauben. So ist es bei ähnlichen
Bundestagsinitiativen wie dem gerade beschlossenen Computerspielepreis
gängig, dass sich die Wirtschaft finanziell gleichberechtigt
beteiligt. Für die Initiative Musik stellt die Branche jedoch
nur 150.000 Euro zur Verfügung. Skepsis ist angebracht. Zu
deutlich hat sich gezeigt, dass die bisherigen Erlösmodelle
der Musikwirtschaft von der CD bis zum Musikfernsehen gerade in
Zeiten des Internets immer weniger tragfähig sind. Stattdessen
haben sich abseits der großen Plattenkonzerne kleine innovative
Unternehmen gefunden, die erfolgreich neue Wege gehen. Ob in der
derzeitigen Konzeption für diese neuen Wege Platz bleibt,
wird wohl erst mit den ersten Förderentscheidungen sichtbar
werden. Die Förderbedingungen sprechen eher nicht dafür
und es bleibt fraglich, ob sich die Politik als Auftraggeber damit
zufrieden gibt. Der Startschuss für die Initiative Musik ist
gegeben, doch ihr Ausgang bleibt offen.