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nmz-archiv
nmz 2008/07 | Seite 47
57. Jahrgang | Juli/Aug.
Rezensionen-CD
Herzverloren
Wolfgang Michels: zuhause
Ferryhouse/Warner Music FHP 420082
Seit den Seventies gilt der Singer/Songwriter Wolfgang Michels
zu den ewigen Geheimtipps wie Nick Drake oder Tim Buckley. Mit
seiner Gruppe „Percewood’s Onagram“ und Soloalben
wie „Full Moon California Sunset“ schrieb Michels deutsche
Popmusikgeschichte. In den letzten Jahren hatte er sich vor allen
Dingen als Music Consultant betätigt. Vorbildlich wertete
er den legendären „Telefunken“-Katalog von Künstlern
wie Hildegard Knef, Caterina Valente oder Udo Lindenberg aus. Zudem
produzierte er eine herausragende Box mit – teilweise unveröffentlichten – Marlene-Dietrich-Aufnahmen
oder Kompilationen mit raren Songs seines alten Freundes Rio Reiser.
Irgendwann war es für Michels aber Zeit geworden, wieder selbst
Musik zu machen. So entstand nach einer Lebenskrise, als sein Herz „nicht
mehr zu schlagen schien“, dieses neue Album, das einen Neuanfang
markiert: „zuhause“.
Und „zuhause“ scheint
Michels tatsächlich mit seinen Liedern wieder angekommen zu
sein, bei seiner alten Liebe zu Beatles-Harmonien und Stones-Rhythmen.
Wie ein Jungbrunnen wirkt dabei die junge Band, die ihn manchmal
vielleicht um eine Spur zu rockig begleitet. Ohrwürmern wie „Lover
Lover“ oder „Fernweh“ verpasst diese ein radiotaugliches
musikalisches Gewand. Einen traumhaften Song wie „Die Wüste“ peppen
sie geschickt im Tarantino-Sound auf. Die eigentliche Attraktion
bleibt aber die leicht angeraute, jungenhafte „Soul“-Stimme
des immer noch lässigen Sängers Wolfgang Michels, der
sich bei Nummern wie „Wenn ich mich so fühl“ kongenial
an der Akustikgitarre begleitet. Nach wie vor angetrieben von einer „kleinen
Sehnsucht“ erzählt Michels die „ewigen“ alten
Geschichten von Vollmondnächten, Langeweile und Liebe. „Jemand
wie du“, das vielleicht persönlichste Lied dieser vorzüglichen
Kollektion, über die Zeit, als seine Welt „an einem
Faden hing“, erklingt bei Michels – in schönster
Samba-Tradition! – im leichtfüßigen Latin-Sound.
Ganz plötzlich nach einem Telefongespräch mit seiner
Mutter sei ihm diese Melodie gekommen, erzählt Michels, der
lange darüber nachgedacht hat, woher diese kam: „So
etwas hatte ich bis dato noch nie verwendet. Bis mir einfiel, dass
meine Eltern mich in frühester Kindheit häufig mit zu
vornehmen Tanzteeveranstaltungen nahmen, die damals mit Orchester
in Hotels oder Kurhäusern gegeben wurden.“