Hansestadt Lübeck: etwa 270.000 Einwohner, ein ehemaliges
Dreispartenhaus, das sich von seinem Ballett trennen musste und
derzeit auf der Suche nach einem neuen GMD ist, ein Philharmonisches
Orchester sowie zahlreiche Gastspiele im Kammermusikbereich, aber
auch bei Theater und Tanz. Lapidare Fakten zum Musikleben in der
ehrwürdigen Hanse-Stadt. Zwei Berichte, einmal über die
Ausstellung Als Bach Buxtehude behorchte..., dann über
das 10. Kammermusikfest beleuchten schlaglichtartig zwei Lübecker
Veranstaltungen von überregionaler Bedeutung.
Zwei Interessen hat Johann Seastian Bach sicherlich mit seinem
Besuch in Lübeck 1705 verbunden: Die damals berühmten
Abendmusiken zu hören und Bedingungen der Nachfolge Dietrich
Buxtehudes als Organist an der St.- Marien-Kirche auszuloten. Bach
machte sich zu Fuß auf den Weg, und er blieb, zum Ärger
seines Arbeitgebers, der Kirchengemeinde in Arnstadt, ein Vierteljahr
in Lübeck.
In der Ausstellung Als Bach Buxtehude behorchte...,
die vom 27. April bis 4. Juni 2000 im Lübecker Behnhaus
Museum für Kunst und Kulturgeschichte zu sehen war, sind die
verbliebenen Spuren dieses denkwürdigen Besuchs zusammengetragen
und einem historischen Kontext in vorbildlicher Weise zugeordnet
worden. Bemerkenswert daran ist, dass sämtliche Exponate aus
Beständen Lübeckischer Institutionen stammen.
Wovon die Kooperationspartner dieser Ausstellung, die Stadtbibliothek
mit ihrer bedeutenden Musikaliensammlung und das Behnhaus mit einem
in der deutschen Ostseeregion einzigartigen Fundus historischer
Instrumente, die meisten zur Verfügung stellten.
In Lübeck war man nicht knauserig bei der Anschaffung neuer
Instrumente. Der erhebliche Aufwand für die Abendmusiken, den
Buxtehude durch seine Neuordnung dieser exzeptionellen Veranstaltungen
betrieb, dürfte für Bach beeindruckend gewesen sein. Denn
der Einsatz von Waldhörnern etwa war zu der Zeit sehr modern,
wahrscheinlich hat Buxtehude diese Praxis von der Hamburger Oper
übernommen. Große Besetzungen dieser Art hat Bach später
fürs Weihnachtsoratorium verwendet. Möglicherweise
genau die von Bach gehörten Waldhörner waren im Behnhaus
zu sehen. Darüber hinaus auch ein sehr rares Exemplar eines
drei Meter langen Großbasspommers, das mit Doppelrohrblatt
und in Querposition zum Solisten gespielt wurde. Außer diesem
Original sind weltweit nur noch zwei weitere Pommer vorhanden.
Bach hat während seines Aufenthaltes in Lübeck nicht
nur zugehört und zugeschaut, wie die ausgestellten Dokumente
vermuten lassen. Die Orgeln in Lübeck hat er mit ziemlicher
Sicherheit ausprobiert, im Übrigen auch Georg F. Händel
bei seinem Besuch zwei Jahre früher. Händel hatte mit
der Organistenstelle bei St. Marien geliebäugelt, doch diese
dankend abgelehnt, weil damit wohl die Heirat einer Tochter Buxtehudes
verbunden war. (Dessen Tochter Anna heiratete dann der tatsächliche
Nachfolger Buxtehudes, Johann C. Schieferdecker.) Auch Bach verließ
Lübeck wieder, ohne die begehrte Organistenstelle zu übernehmen.
Allerdings hatte er in Lübeck seine Auffassungen vom Orgelspiel
so erheblich verändert, dass er später in Arnstadt die
Gemeinde (damit) confundiret hatte.
Dokumente zum Bachbesuch in Lübeck sind in einem sorgfältig
kommentierten Katalog nachzulesen, zu hören sind Klangbeispiele
an der Orgel zu St. Marien auf einer CD mit historischen Aufnahmen.
Im Anschluss an diese Ausstellung werden im Behnhaus ungefähr
120 Musikinstrumente aus vier Jahrhunderten Von Zinken, Serpenten
und Giraffenklavieren vom 9. Juli bis 15. Oktober 2000 gezeigt.
Für die Öffentlichkeit ist dieser einmalige Bestand erstmals
zugänglich. Begleitend finden Konzerte im Rahmen des Schleswig-Holstein
Musikfestivals und anderswo statt.
Hans-Dieter Grünefeld
Buch: Ulrich Althöfer/Arndt Schnoor: Als Bach Buxtehude
behorchte... Katalog zur gleichnamigen Ausstellung CD: Walter Kraft spielt Werke von Bruhns, Buxtehude und eigene
Kompositionen an der 1942 zerstörten Totentanzorgel in St.
Marien und den beiden Orgeln in St. Jakobi zu Lübeck (Historische
Aufnahmen) Bezug: Buch und CD sind zu beziehen über Bibliothek
der Hansestadt Lübeck, Hundestr. 517, 23552 Lübeck
oder im Behnhaus Museum für Kunst und Kulturgeschichte,
Königstr. 911, 23552 Lübeck