Eine Betrachtung zur Wettbewerbs-Situation bei den Kontrabassisten
· Von Klaus Trumpf
Wettbewerbe für Kontrabass sind sehr selten. Gemessen an 450
etablierten Klavier-Wettbewerben kann man eher von einer Peinlichkeit
sprechen, die professionelle Wettbewerbsveranstalter und administrativ-verantwortliche
Musikinstitutionen (in Deutschland und weltweit) einer Instrumentengruppe
zubilligen, die zwar nicht unbedingt die erste Geige zu spielen
gewillt, aber doch von der fundamentalen Gewichtung ein entscheidendes
Wort mitspricht.
Was eigentlich veranlasst die Verantwortlichen, zum Beispiel beim
ARD-Wettbewerb in München, natürlich zugunsten einer Erhöhung
der Kapazitäten für weitere Gesangs- und Klavierwettbewerbe,
einige Instrumente aus dem Wettbewerbsprogramm auszuschließen?
Wichtige Orchesterinstrumente scheinen den Entscheidungsträgern
nicht so attraktiv zu sein. War nicht gerade seit der Etablierung
dieser Instrumente (der erste internationale Kontrabass-Wettbewerb
fand 1969 in Genf statt) ein enormer Niveau-Anstieg international,
weltweit zu verzeichnen? So fehlen Vergleiche, die für eine
Weiterentwicklung, zumindest jedoch für eine Niveau-Erhaltung
dringend erforderlich sind.
Der neue Johann-Matthias-Sperger-Wettbewerb soll dieses Defizit
ausgleichen. Guter Anlass war der 250. Geburtstag des bedeutendsten
Kontrabassisten des 18. Jahrhunderts, Johann Matthias Sperger, der
als Komponist ein reichhaltiges Werk an Sololiteratur für Kontrabass
hinterlassen hat. Wie kaum ein anderer Komponist hat Sperger, tief
eingedrungen in die spezifische Klangwelt und die Möglichkeiten
des Solo-Kontrabasses der Wiener Klassik, unvergleichlich kreativ
die Gegebenheiten des Instrumentes in virtuos-technischer sowie
in musikalischer Hinsicht erfasst, genutzt und voll ausgeschöpft.
Von der Musikwissenschaft erst spät entdeckt und beachtet,
obliegt es nun den Praktikern, sein bisher zum Teil vernachlässigtes
Werk zu rekonstruieren. Ein Denkmal gebührt ihm allein schon
dafür, dass beinahe die gesamte Konzertliteratur der Wiener
Klassik für Solo-Kontrabass in seinem Repertoire und Nachlass
zu finden war und dadurch der Nachwelt erhalten geblieben ist. Die
Würdigung geschah nun in Form dieses internationalen Kontrabass-Wettbewerbes.
Er fand in Mecklenburg-Vorpommern statt, unweit seiner langjährigen
Wirkungsstätte an der Hofkapelle Ludwigslust, im restaurierten
ehemaligen Anwesen der Familie von Flotow, im Gutshaus und der großartig
ausgebauten Konzertscheune Woldzegarten/Müritzkreis, organisiert
vom dort ansässigen Verein Natur, Bildung, Kultur.
Deutscher Nachwuchs ...
In privater Initiative wurden Sponsoren gesucht und auch im privaten
Bereich gefunden. An dieser Stelle muss die absolute Zurückhaltung
kompetenter deutscher Musikinstitute und -institutionen wie des
Deutschen Musikrates, der Deutschen Stiftung Musikleben, der DOV
bis zur GVL und sogar der Musikschulen angeprangert werden, obwohl
ihnen allen die prekäre Situation speziell des deutschen Kontrabass-Nachwuchses
bekannt ist. Allein die ESTA mit ihrem Präsidenten Prof. G.
Mantel hat die Dringlichkeit erkannt und zumindest die Werbung und
die Portokosten übernommen. Weitere finanzielle Hilfen kamen
von Seiten der Instrumentenhersteller, von Verlagen, privaten Sponsoren
und aus dem Ausland.
... abgeschlagen
Auch in diesem Zusammenhang wundert es dann nicht, dass der deutsche
Kontrabass-Nachwuchs international weit abgeschlagen und nicht konkurrenzfähig
ist. Seit Jahren nehmen kaum deutsche Studenten an internationalen
Wettbewerben teil; die Solostellen in den führenden Orchestern
können fast nur noch an ausländische Mitbewerber vergeben
werden, ebenso die Kontrabass-Professuren an den deutschen Hochschulen.
Der permanente Mangel an Kontrabassisten bei allen deutschen Jugendorchestern
und Musiziergruppen ist seit Jahren bekannt und führt zu bezeichnenden
Ergebnissen: Nicht einmal das Bundesjugendorchester bekommt eine
spielfähige Kontrabassgruppe von 3 Spielern aus Deutschland
zusammen.
Diese Situation ergab die Idee für einen Wettbewerb, der deutsche
Teilnehmer anlocken und sie zum internationalen Vergleich animieren
sollte. Ergebnis: Von 24 deutschen Musikhochschulen beteiligten
sich lediglich 6 mit insgesamt 10 deutschen Studenten.
Während Beobachter aus England, Polen, der Schweiz, Tschechien
und Österreich kamen, war die deutsche Resonanz beschämend:
Wo waren die Studenten und Pädagogen, die sich ein Bild von
der internationalen Nachwuchsbühne hätten machen können?
Keine Hochschule, außer denen, die Kandidaten geschickt hatten,
nutzte die Gelegenheit zur Information.
Keine Orchestermusiker waren vertreten, sich ein Bild über
ihre zukünftigen Kollegen zu machen, obwohl im Vorfeld alle
Orchester in Deutschland, Kontrabassgruppen und Musikdramaturgen
angeschrieben wurden und Konzertangebote für Preisträger,
eine übliche internationale Gepflogenheit, gemacht wurden.
Von 140 Adressaten antworteten zwei: die Anhaltische Philharmonie
Dessau und das Mecklenburgische Kammerorchester Schwerin. Diese
breitgestreute Gleichgültigkeit und Ignoranz etablierter Institute
und Orchester bedeuteten eine erschreckende Erfahrung für die
Organisatoren. Das traditionsreiche Fundament, das uns die großen
Namen der deutschen Kontrabass-Historie, auch speziell im pädagogischen
Bereich bereitet hatten, erscheint völlig verspielt und verschenkt.
Deutscher Kontrabass-Nachwuchs wird weiterhin an Boden verlieren,
und so werden wir auch weiterhin und sogar noch verstärkt den
ausländischen Kapazitäten die Green-Card vermitteln müssen.
Hohe Anforderungen in diesem erfolgreich verlaufenden Wettbewerb
stellte die neunköpfige, international besetzte Jury unter
dem Ehrenvorsitz Alfred Planyavskys (Wien). Weitere Jury-Mitglieder:
David Walter (USA), Lev Rakov (Moskau), Miloslav Gajdos (Tschechische
Republik), Ovidiu Badila (Trossingen), Miloslav Jelinek (Brünn)
und Klaus Trumpf (München). Ein praxisorientiertes Programm
und gut dotierte Preise (für den 1. Preis wurde von dem italienischen
Geigenbauer Luciano Golia ein Kontrabass gestiftet) lockten 65 Teilnehmer
aus allen Teilen der Welt nach Woldzegarten. Hohes künstlerisches
Niveau vieler Teilnehmer machte es der Jury schwer, nur
20 Kandidaten für die 2. Runde auszuwählen. Die 3. Runde,
ein in die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern integriertes öffentliches
Konzert mit dem Schweriner Kammerorchester, bestritten dann mit
einem Kontrabass-Konzert vom Namensgeber des Wettbewerbes die drei
Bestplatzierten.
Das Ergebnis: 1. Preis: Roman Patkolo (Slowakei), 2. Preis: Ion
Cristian Braica (Rumänien), 3. Preis: Ruslan Lutsyk (Ukraine),
der auch den Publikumspreis erhielt.
Die Worte des Schirmherren des Wettbewerbes, Maestro Zubin Mehta,
werden in Zukunft hoffentlich auch im Land des Veranstalters Gehör
finden: Die Idee, einen internationalen Musikwettbewerb für
Kontrabass ins Leben zu rufen, kann ich nur aus ganzem Herzen unterstützen,
da dieses Instrument mit all seinen Möglichkeiten meiner Meinung
nach viel mehr gefördert und beachtet werden müsste!
Der zweite J.M.Sperger-Wettbewerb wird im Juni 2002 stattfinden.