Nicht unbedingt Country-Outlaws, aber doch große Außenseiter,
die schon seit Mitte der 80er-Jahre unbestrittene Kritikerlieblinge
und Musicians Musicians sind und immer auch zäh
und flexibel genug waren, sich ihr Nischen-Segment auf dem unübersichtlicher
werdenden Musikmarkt zu sichern: Smog, das war und ist (bei sonst
wechselndem Personal) Bill Callahan. Begonnen hat er
im Low-Fi-Kontext, gewissermaßen als Home-Recorder, mit reduziertesten
Mitteln, die bei ihm aber immer auch ästhetisches Konzept waren:
Steigerung der Intensität und Authentizität
durch Beseitigung alles Ornamentalen. Für den frühen Bill
Callahan war Arrangement Verbrechen, die Song-Architektur musste
funktional sein: reiner, durch nichts gestörter und verfälschter
Ausdruck. Das hat sich geändert: Das letzte, grandiose Album,
das zu den späten Highlights der 90er-Jahre gehörte, wurde
von Jim ORourke produziert. Das war nicht opulent, schon gar
kein fetter, pathetischer wall of sound
aus dem Geiste Phil Spectors, aber doch voller kleiner, vertrackter
Beiwerk-Raffinesse.
Auf dem neuen, Dongs of Sevotion (Domino/Zomba), geht
Callahan, ohne ORourke, dessen eigene Gitarren-Instrumentals
paradoxerweise jetzt so reduziert-minimalistisch daherkommen wie
die frühen Smog, ohne dessen schamlose Süße,
dafür insistenter und repetitiver, ein wenig back to the roots:
zwar sind das weiterhin Lieder der Hingabe, aber (wie der Buchstaben-Tausch
des kryptischen Titels anzeigt) verschämter, more sophisticated.
Bill Callahan bekennt sich in seinen Songs zu einem existenziellen
Außenseitertum, einer Post-Bohème quer zu den Normen:
justice aversion reimt sich da auf animal nature;
das Ganze ist aber kein terroristisches politisches Projekt, nicht
einmal mehr ein Outlaw-Dasein, das mit dem Gesetz in Konflikt gerät,
sondern gewitzte private Subversion, die Konventionen auf den Kopf
stellt: Zieh dich auf meiner Beerdigung sexy an, fordert er von
seiner Frau, zum ersten Mal, fügt er kokett hinzu
und er geht so sehr in die Details, dass die Pietät
auf der Strecke bleiben muss.
Michael Halls Weg ist noch länger und gebrochener als
der Callahans. Er gehört zur legendären Austin-Szene,
veröffentlichte seit 1985 mit den nicht minder mythischen Wild
Seeds drei Alben und war dann, nach deren Split, teils solo, teils
in wechselnden All-Star-Besetzungen unterwegs. Am bekanntesten dürfte
sein 93er-Projekt Setters mit Walter Salas-Humara und
Alejandro Escovedo gewesen sein. 1995 zog Michael Hall nach Chicago,
wo er auf dem bizarren Frank Slades 29th Dream-Album
den Titelsong auf paranoid-zersplitternde 38 Minuten dehnte. Das
anschließende 96er-Album Day hatte einen sicheren
Platz in den Kritiker-Charts des Jahres und diversen Album-des-Monats-Listen.
Dead by Dinner (Blue Rose/Zomba) ist eine weitere Facette
und Steigerung des Michael-Hall-Macho-Universums, das freilich weniger
von Männer-Selbstgewissheit als von verfehltem Begehren und
einer nie so recht an ihr Ziel gelangenden Sehnsucht zeugt. Die
western music war immer misogyn und melancholisch, aber
nie, wenn man das so sagen kann, auf einem solchen Qualitäts-Level
wie bei Michael Hall. Eine kleine Episode veranschaulicht vielleicht
die Heftigkeit der Obsession: im vergangenen Juli spielte er mit
seinen zähen neuen Woodpeckers 24 Stunden nonstop
Van Morrisons Gloria. Die dreizehn Songs auf dem neuen
Michael Hall & the Woodpeckers-Album führen dieses Sentiment
bis zur letzten fatalen Konsequenz, die unbegriffenen Leidenschaften
eigen sind: einmal kann der Held der Songs nicht begreifen, dass
sie den Anderen angerührt hat, dann verfolgt er
seine Liebe bis ins Grab und ist sich ganz sicher, dass sie und
sonst keine die Einzige ist. Unentbehrliches Album, mit nicht ermüdendem
Gitarren-Flow und einem ganzen Mikrokosmos pop-mythologischer Geschichten.