Ach ja, diese Musikmesse in Köln. Die ist ja auch schon wieder
lange her. Und wenn man nicht aufpasst, bleibt nicht viel mehr übrig
als die monströsen Zahlen, die die Nachbereitung offenbart:
17.417 Fachbesucher aus 50 Ländern (erneut angeschwollen),
924 Aussteller aus 32 Ländern (53,8 Prozent aus dem Ausland,
so viele wie nie) und vor allem: darunter 216 Firmen aus dem New
Media-Bereich, 56 Prozent mehr als im Vorjahr, als das übergreifende
Thema explizit noch Digitale Revolution hieß.
Da waren dann alle ganz fürchterlich nervös geworden,
und wie zur Selbstberuhigung hing nun der Ruf Chancen des
digitalen Alltags über der Popkomm 2000.
Aber
jenseits all dieser offizielen Töne, die mit verschiedenen
Zahlen letztlich Jahr für Jahr immer das Gleiche sagen, bleibt
doch etwas mehr hängen, wenn man diese Zeit dort in Köln
mit fokussierten Sinnen verbracht hat. Und was da hängen bleibt,
das ist wieder einmal dieses zwiespältige, unbehagliche Grundgefühl.
Es ist diese verspannte Atmosphäre, die unterschwellig an jedem
der unzähligen kleinen Treffpunkte herrscht. Ob an den Bars
der Firmenstände, der DVD-Arena, den Messe-Imbissen,
in den Panels oder bei den Werbepräsentationen hinter
jedem angeregt tönenden Gespräch, jedem Lächeln,
jeder engagierten Diskussion, jedem bunten Licht und coolem Beat
lauert dieser Zwiespalt. Der entsteht zwischen Profitwünschen,
Überlebenskämpfen, Kontaktpflicht und dem omnipräsenten
Diktat des Pop-sein-Wollens, dieser Verdammung zum Optimismus, zur
lockeren Ausstrahlung, zur Lässigkeit, auch wenn man sich bedroht
fühlen mag. Von der Konkurrenz, von besserer Musik, von den
diffusen neuen Distributionskanälen des Internet. Gar nicht
so einfach, diese Verspannung abends bei einem der Konzerte abzubauen.
Erst recht nicht, wenn sich der Stress mit dem unruhig suchenden
Blick nach den wichtigen Leuten in der VIP-Lounge des jeweiligen
Events fortsetzt. Wohl denen, die sich da vorne/da unten vor der
Bühne rechtschaffend und unbekümmert einen abschwitzen.
Die unbekümmerten Konsumenten, die einfach nur eine gute Pop-Zeit
haben können.
Die sind das Problem. Jene Kanäle des Internet sind deshalb
noch nicht unter Kontrolle, weil schlicht und einfach das Verhalten
der Konsumenten, der User nicht unter Kontrolle ist. In den Überschriften
der Diskussionen und Vorträge herrschen die Fragezeichen, von
Deutscher HipHop Wie lange hält der Boom noch
an? über Wer zu spät kommt, den bestraft der
Markt? (zum Thema Neue Business-Modelle) bis Digitalisierung
Das Ende der Promotion?. Die unzähligen bunten
lauten Gründungen von Firmen, die sich im Internet tummeln,
wirken da wie Trial&Error-Versuche, den entscheidenden Knackpunkt
zu finden.
Napster & Co
Den gibt es höchstens als Feindbild. Was die Bonzen des Gewerbes
wirklich an dem MP3-Tauschtool Napster gewurmt hat, sind in Wahrheit
nicht finanzielle Verluste aufgrund von digitalen Kopien ihrer Musikstücke.
Über diese Verluste ist sich sowieso niemand wirklich im Klaren.
Es ist ja sogar von Untersuchungen die Rede, die beweisen wollen,
dass die Eigendynamik so einer Börse den Musikträger-Kauf
durchaus initiiert. Geärgert wird sich vor allem darüber,
zum Beispiel von Universal-Chef Tim Renner, das die Napster-Chefs
sich damit eine goldene Nase verdient haben (bis zu jenem Gerichtsurteil),
aber in der medialen Öffentlichkeit als Pop-immante Robin
Hoods gehandelt werden. Bedenkliche Tendenzen und Fakten wie
die fortschreitende Konzern-Monopolisierung (siehe die Gründung
des Seagram-Universal-Kraftpakets vor einem Jahr) werden damit natürlich
erfolgreich aus der Diskussion gedrückt.
Ein langjähriger Aussteller diverser Musikmessen (als Leiter
eines kleinen, konventionellen Plattenlabels) meint
in den vergangenen Monaten beobachtet zu haben, dass von
der letztjährigen Popkomm über die Midem in Cannes im
Januar über die SXSW Conferences in Austin im März bis
zur Popkomm 2000 die Anzahl der dotcom-Firmenpräsentationen
um ein Vielfaches gestiegen sei. Aber, und das sei das Entscheidende,
nur in wenigen Fällen würde er den gleichen großlettrigen
Markennamen bei der nächsten Messe wiederbegegnen
Und so muten die eleganten bis protzigen Stände der neuen Internet-Startups
ob Talent-Portale, Suchmaschinen, Livestreamservices, Distributionen
auf der Popkomm auch an: wie Werbepaläste für Ideen,
deren Umsetzung noch diffus bleibt. Hauptsache, ein Name und das
Design sind schon mal da. Doch fragt man mal an, was denn da nun
wirklich so Besonders dran sei, dann ist die Site häufig nur
ein Dummy, sind die Links noch nicht eingerichtet, kann man dies
und das jetzt noch nicht machen, oder der Terminal ist gerade abgestürzt.
Es wird also viel erzählt und versprochen auf so einer Messe.
Diese Branche hantiert zur Zeit wie vielleicht noch nie mit Gerüchten
und Annahmen. Was davon wahr ist, worauf man sich da verlassen kann,
was also einen tatsächlichen Gehalt hat, das verhält sich
zum Schwindel wohl auch nicht anders als bei den vielen netten Minikontakten
zwischendurch: War schön, Dich zu treffen. Wir bleiben
in Kontakt. Hier mein Kärtchen. Da machen wir was zusammen,
ich ruf dich an Und tschüss.