Porträt Musikunternehmer: die Internationalen
Musikverlage Hans Sikorski und ihr Profil
Ein
Familienunternehmen im besten Sinne ist der Verlag Sikorski: in
der zweiten und seit einigen Jahren auch in der dritten Generation
werden die Geschicke des Unternehmens durch direkte Nachfahren des
Firmengründers Hans Sikorski (mit)bestimmt. Erst im 20. Jahrhundert
ins Leben gerufen und damit nicht zu den altehrwürdigen Traditionsverlagen
gehörend zählen die Internationalen Musikverlage Hans
Sikorski heute doch zu den wichtigsten in Deutschland und in der
Welt. Der Romanist und Ökonom Hans Sikorski gründete 1935
mit dem Neuen Theater Verlag sein eigenes Verlagshaus.
Kriegswirren und Berufsverbot durch die Nazis konnten ihn nur bis
1946 an der Weiterführung hindern; dann folgte die Neugründung
in Hamburg. Die Hansestadt ist auch heute noch Firmensitz des Verlags,
genauer: das repräsentative vierstöckige Haus aus der
Gründerzeit, das gleich nach dem Krieg bezogen wurde. Für
die inzwischen zirka 50 Mitarbeiter ist das Gebäude freilich
zu klein geworden; deshalb wurde eine Brücke zum Nachbarhaus
geschlagen, in dem sich nun weitere Verlagsräume befinden.
Das Verlagsgebäude
Schwerpunkt des Verlagsproramms war in den ersten Jahrzehnten
die leichte Muse: Editionen für Tanz- und Unterhaltungsmusik
bildeten den Stock und auch heute noch gehört
Sikorski zu den wenigen Verlagen, die U und E
unter einem Dach vereinigen. Vorbehalte oder Berührungsängste
gegenüber dem U-Bereich stoßen im Hause Sikorski
auf Unverständnis. Die Unterscheidung zwischen den Sparten
sei schon gerechtfertigt, meint Axel Sikorski, Enkel des Verlagsgründers
und seit 1997 im Unternehmen, dürfe aber nicht dazu führen,
dass man nur das eine oder das andere betreibt. Es geht um
die Freude an der Musik und darum, dass man dafür das ganze
Spektrum nutzt. In diesem Sinne nimmt sich das Unternehmen
seit vielen Jahren eines weiteren Bereichs an, der, wenn auch weniger
umsatz- oder gar gewinnträchtig, dennoch zu den aus Verlagssicht
förderungswürdigen gehört: der Neuen Musik. Es ist
ein bewusster Entschluss, zeitgenössische Komponisten zu unterstützen,
ihnen Aufführungsmöglichkeiten und damit auch ein Einkommen
zu beschaffen. Dabei gehören etablierte Namen wie Sofia Gubaidulina
oder Peter Ruzicka ebenso ins Programm wie junge unbekannte Autoren,
die sich erst noch entwickeln müssen. Die Verlegerseele hänge
an diesem Thema, so Axel Sikorski, der sich in seiner Dissertation
mit dem schwierigen Thema Musikwirtschaft und Neue Musik
beschäftigt hat. Die wenigsten zeitgenössischen Autoren
führen zu einem nennenswerten wirtschaftlichen Erfolg. Diese
Erfahrung muss auch der Verlag Sikorski machen: nicht zuletzt aufgrund
der Zurückhaltung von Veranstaltern, die die mit neuer Musik
verbundenen GEMA-Gebühren ebenso fürchten wie das Wegbleiben
des Pub-likums.
Geschäftsführer des Verlags sind heute die beiden Kinder
des Gründers, Dagmar und Hans W. Sikorski. Beide bestimmen
wie schon ihr Vater über das eigentliche Verlagsgeschehen hinaus
das deutsche Musikleben mit: so hat Hans Sikorski die Deutsche Stiftung
Musikleben mit aus der Taufe gehoben, sein Sohn ist stellvertretender
Aufsichtsratsvorsitzender der GEMA, die Tochter Dagmar Vorstandsmitglied
des Bühnenverlegerverbandes und der VG Musikedition
um nur einige der Engagements zu nennen. Die Kooperation mit Verbänden
und Institutionen dient dem Verlag als Instrument, einer Entwicklung
entgegenzusteuern, die durch den Rückgang und den Abbau der
musikalischen Bildung in Deutschland gekennzeichnet ist. Daneben
ist der Verlag weltweit tätig und stolz darauf. Die Sikorski-Gruppe
umfasst inzwischen mehr als 30 Verlage in Europa und den USA.
Die rasante Entwicklung der neuen Medien hat Sikorski durchaus
im Blick, auch wenn sich der Verlag nicht als Vorreiter, sondern
eher als aufmerksamer Beobachter dieses Bereichs versteht. Der Web-Auftritt
des Verlags dient zur Zeit anders als bei vielen Wettbewerbern
einzig der Promotion der Produkte. Neben ausführlichen
Werkkatalogen wird der Besucher der Seiten regelmäßig
über Verlags-Neuheiten und -neuigkeiten sowie Aufführungen
informiert. Von einer Bestellmöglichkeit im Netz hat man bisher
bewusst Abstand genommen, um den traditionellen Vertriebsweg, den
Musikalienhandel nicht zu übergehen. Mit den derzeitigen Modellen
des Verkaufs im Internet habe man sich noch nicht anfreunden können,
so Axel Sikorski obwohl auch er zugeben muss, dass sich im
Musikalienhandel einiges geändert hat: Sortimenter im eigentlich
Sinne gebe es kaum noch, in den meisten Fällen werde die Werbearbeit
vorher getan, der Händler leite lediglich Bestellungen weiter.
An die Zukunft des Handels glaubt der Verlag jedoch fest
nur müssten auch die Händler sich auf die neuen Gegebenheiten
einstellen. Auch das Urheberrecht sieht Sikorski durch das Internet,
das schließlich kein rechtsfreier Raum ist, nicht
grundlegend gefährdet. Die ersten Urteile gegen Verwerter,
die gegen das Urheberrechtsgesetz verstoßen haben, könnten
in diesem Bereich optimistisch stimmen.
Last not least hat Sikorski seit einigen Jahren einen weiteren
Schwerpunkt für sich entdeckt. Sei es Zufall oder Fügung:
Anfang der 70er-Jahre kam ein Betriebswirtschaftler als As-sistent
der Geschäftsleitung in den Verlag. Sein Name: Rolf Zuckowski.
Dass er sich zu einem der erfolgreichsten Kinderliedermacher im
deutschsprachigen Raum entwickeln würde, war damals nicht abzusehen.
Auch nachdem er sich für eine künstlerische Laufbahn entschieden
hatte, blieb er dem Verlag treu. Seine Liederbücher sind alle
bei Sikorski verlegt und tragen heute zum wirtschaftlichen Erfolg
des Unternehmens bei. Um dieses herum gruppiert sich ein ansehnliches
Kindernotenprogramm, das ständig erweitert wird.
Gibt es eine Firmenphilosophie des Hauses Sikorski? Keine geschriebene
jedenfalls, aber doch eine unausgesprochene, die die gesamte Arbeit
prägt: Freude an der Musik vermitteln und Musik allen zugänglich
machen: Ziele, die einem jung gebliebenen Verlag gut zu Gesicht
stehen.