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nmz-archiv
nmz 2001/02 | Seite 31
50. Jahrgang | Februar
Bayerischer
Kulturrat
Kunst im gesellschaftlichen Spannungsfeld
Eine Podiumsdiskussion zur künstlerischen Ausbildung an
Bayerns Hochschulen
Für Kunst und Kultur stehen in den nächsten Jahren bedeutsame
Herausforderungen an: neue Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung
und Kunstförderung, die Rolle der öffentlichen Hand und
der privaten Wirtschaft, die Chancen und Folgen von Multimediadynamik
und digitaler Revolution. Welche Funktion haben dabei die Ausbildungsinstitute
für künstlerische Berufe? Tragen die Ausbildungsinstitute
völlig neuen Berufen wie Audiodesign und Videodesign Rechnung?
Werden Impulse von außen, aus der Rock- und Popkultur, aus
der Verbindung von Musik und Computer, aber auch generell aus Politik
und Gesellschaft aufgegriffen und kreativ umgesetzt? Erwarten die
Ausbildungsinstitute solche Impulse von außen oder sind sie
selbst zu Impulsen bereit und in der Lage? Können sie den Kindern
und Jugendlichen von heute der Mediengeneration kulturell-künstlerische
Erfahrungen ermöglichen?
Eine von der Friedrich Ebert Stiftung in Kooperation mit dem Bayerischen
Kulturrat veranstaltaltete Podiumsdiskussion in München suchte
Antworten auf diese vielen Fragen heutiger Kulturpolitik. Unter
der Leitung von Prof. Dr. Inka Stampfl und Dr. Wolfgang Zacharias
vom Bayerischen Kulturrat diskutierten Ministerialdirektor Josef
Erhard (Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus),
Prof. Karl Imhof (Akademie der Bildenden Künste), Prof. Robert
M. Helmschrott (Rektor der Hochschule für Musik und Theater
München), Prof. Dr. Helmut Matiasek (Präsident der Bayerischen
Theaterakademie), Prof. Dr. Franz Müller-Heuser (Präsident
des Deutschen Kulturrats und Gründungsrektor der Kommunalen
Musikhochschule Augsburg/Nürnberg), Prof. Klaus Schreyer (Hochschule
für Fernsehen und Film) und Prof. Klaus Schultz (Intendant
am Staatstheater am Gärtnerplatz).
In einer ersten Diskussionsrunde nahmen die Vertreter der verschiedenen
Ausbildungsinstitute Stellung zu den Auswirkungen der Kürzungen
im musikalisch-ästhetischen Bereich, zur Einengung der Wahlfächer
und zur Bedeutung der neuen Medien für ihre jeweiligen Institute.
Josef Erhard verwies von Seiten des Ministeriums darauf, dass die
Öffentlichkeit vor allem die Förderung der Naturwissenschaften
verlange. Innerhalb der Künste sei im Rahmen der Lehrerausbildung
eine Tendenz zur Bevorzugung der Bildenden Künste vor der Musik
zu beobachten, die Stellen für Schulmusiker könnten in
Bayerns Schulen mittlerweile nicht mehr ausschließlich mit
Fachkräften besetzt werden. Soviel zum Status quo aus Sicht
der Kultusverwaltung.
Die Antworten aus den verschiedenen Ausbildungsinstituten zeigten
dann das ganze gesellschaftliche Spannungsfeld auf, in dem künstlerische
Ausbildung stattfindet: Welchen Bildungszielen ist die künstlerische
Ausbildung verpflichtet? Für welche gesellschaftlichen Bedürfnisse
wird ausgebildet? Gibt es für die künstlerisch wünschenswerte
Leistung überhaupt einen Markt? Die Überlegungen der verschiedenen
Institute sahen in Abhängigkeit davon, ob es um die Ausbildung
professionell Tätiger oder um die Vermittlung von Kultur in
der Breite geht, ganz unterschiedlich aus. Die Verschränkung
dieser beiden Bereiche ist in den verschiedenen Ausbildungsinstituten
unterschiedlich stark gefordert und vollzogen, was zu je eigenen
Problemen führt.
In der nun folgenden Diskussion mit dem Plenum ging es um Probleme
der Schulmusikausbildung in Bayern, um neue Ausbildungsgänge
im künstlerischen Bereich und um die Ausweitung der Fragestellung
auf sämtliche mit künstlerischer Vermittlung befasster
Erzieher und Lehrer.
Einen wichtigen Raum in der Diskussion nahm auch die Selbstvermarktung
des Künstlers in der Gesellschaft ein. Dieser Gedanke wird
von den einzelnen Ausbildungsinstituten in unterschiedlicher Weise
aufgegriffen. Teilweise sehen sie ihre Aufgabe direkt in der Sozialisierung
des Kreativen.
Schließlich wurden die verschiedenen Ausbildungsinstitute
gefragt, in welcher Weise sie sich vom Aufbruch ins 21. Jahrhundert
gefordert sehen. Auch hier reichten die Antworten vom Desiderat
der Elitenförderung, um eine Strahlkraft in der
deutschen Kulturszene zu ermöglichen (Hochschule für Film
und Fernsehen) bis hin zur Förderung der Laienkultur (Desiderat
der Kommunalen Musikhochschule Augsburg/Nürnberg).
Der Ruf nach öffentlicher und hier vor allem finanzieller
Unterstützung bei den Aufgaben in der Zukunft kam einhellig
von Seiten aller Institutionen. Allen Diskussionsteilnehmern war
aber wohl auch deutlich, dass nicht nur die öffentliche Hand
mit Finanzspritzen, sondern vor allem Eigeninitiative und Ideen
beim Übergang in die neue Welt des 21. Jahrhunderts gefragt
sind.
Bei der Begegnung der verschiedensten Fachsparten mag es für
manchen auf dem Podium und im Saal zu einem Überdenken der
eigenen Position, der eigenen Aufgabenstellung und der eigenen Ziele
gekommen sein. Zukunft lässt sich ohne Visionen nicht gestalten;
und gerade in einer Zeit der virtuellen Revolution ist
das Überprüfen alter Weisheiten und Erfahrungen und das
Formulieren neuer Visionen in einer Gesellschaft notwendig, die
ein reiches kulturelles Erbe zu verwalten hat und allen Bürgern
kulturelle Bildung ermöglichen möchte.