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nmz-archiv
nmz 2001/02 | Seite 51
50. Jahrgang | Februar
Konzerte für Kinder
Stillsitzen und anbeten und nichts verstehen...
Das öffentliche Konzert hat abgewirtschaftet · Von
Hans Christian Schmidt-Banse
Das öffentliche Konzertwesen liegt im Koma. Es ist verbraucht
und stirbt langsam vor sich hin. Höchste Zeit für die
letzte Ölung. Warum? Es zelebriert wie noch vor 100 Jahren
sein immergleiches stumpfsinniges Ritual. Dauert bis zu zwei Stunden.
Bietet haarsträubend langweilig geschriebene Programmhefte
an. Kann und will niemandem erklären, warum heute abend die
Dritte und nicht die Zweite von Brahms.
Etwa 98 Prozent der Konzertbesucher, so unsere realistische Schätzung,
können im Sinfonie-konzert weder die Qualität der musikalischen
Werke noch die Qualität ihrer Interpretation beurteilen. Denn
an diesem Paradoxon ist nicht zu rütteln: Musik, obgleich das
sinnlich unmittelbarste Medium, ist zugleich das erklärungsbedürftigste
von allen.
Warum das öffentliche Sinfoniekonzert so inflationär,
so langweilig, so aus der Mode gekommen, so lächerlich geworden
ist?
Erstens gibt es einfach zuviel Musik. Das Angebot ist ins Gigantische
geschwollen. Keine Scheune mehr, in der es nicht tönt. Keine
säkularisierte Kirche, kein Innenhof und kein Marktplatz und
keine stillgelegte Schachtanlage, wo Musik nicht wäre. Das
öffentliche Konzert, sei es sinfonisch, sei es kammermusikalisch,
hat seinen Ausnahme-, seinen Ereignis-Charakter verloren. Und die
aus Verzweiflung geborene alberne Cross Over-Erfindung
enttäuscht sowohl den Jazz- als auch den Klassik-Fan: Beide
sitzen im falschen Film.
Zweitens hat sich der Bildungsfundus auf Seiten des Zuhörers
dezimiert. Musikalische Bildung, allen musikpädagogischen Beschwörungen
zum Trotz, ist in ausreichender Form vor allem bei Jugendlichen
nicht mehr vorhanden, um so etwas wie Neugier auf neue musikalische
Erfahrung zu stiften. Darum altert das Konzertpublikum sukzessive.
Mag sein, dass ein Fünfzigjähriger noch etwas anfangen
kann mit einem Nocturne, eine Sechzehnjährige hält
es vermutlich für Designer-Parfum. Beinahe niemand kennt die
vorgestellten Werke und ihre kulturellen, historischen, ästhetischen
oder musikologischen Kontexte. Fragen Sie mal in der Pause, im Anschluss
an Griegs Peer Gynt-Suite, ein paar Konzertbesucher
nach Peer Gynt ... oder nach Egmont, Harry János, Mazeppa,
Coriolan. Ja, tun Sie das doch mal!
Drittens erschöpfen sich die Programme in den ewigen Top Fifty
der Weltliteratur. Die häppchenweise verabreichte Neue Musik
kann sich im Sandwich-Muster ebenfalls nicht empfehlen: ohne Plausibilität,
warum sie an der Zeit war oder ist, wird sie als Notwendigkeit
nicht akzeptiert... Welche Not wendet sie denn eigentlich, na?
Viertens verfügt heute jedermann preiswerten CD-Labels
sei Dank über einen hinreichenden Fundus an Musik. Wer
die Vierte von Mendelssohn unter George Szell hat, muss nicht unbedingt
in ein Sinfoniekonzert nach Osnabrück gehen, um sich dort den
Aufguss der Vierten von Mendelssohn anzuhören. Mir war es lange
Zeit ein Rätsel, warum meine Studenten (Musikstudenten!) selten
ins Konzert gehen in ihrem stattlichen CD-Fundus liegt eine
von vielen Erklärungen. Meine Studenten gehen mit Musik um,
statt dorthin zu gehen, wo man Musik spielt. Und sie machen selber
Musik, nicht zuletzt am PC und mit Hilfe des Sound-Samplers. Das
scheint ihnen zu reichen, weil es eine kreative, aktive und keine
rezeptive Umgangsform ist.
Fünftens sind Programme, wenn sie denn schon so etwas wie
einen roten Faden haben, düster, pessimistisch, betroffensheitsbeflissen.
Niemand braucht sich zu wundern, dass ein Konzert wenig verlockt,
wenn das Thema Musik gegen den Krieg heißt
Kriege haben wir alle Abende im Fernsehen. Und wer Filmmusik-Konzerte
mit Werken von John Williams anbietet, hat verschlafen, dass im
derzeitigen Kino Sound-Design goutiert wird.
Sechstens sind die Programme zu lang. Wo bitteschön steht geschrieben,
dass einer zwei Stunden lang hochkomplexer Musik ungeteilte Aufmerksamkeit
schenken könne? Ich gestehe freimütig: Bei mir ist spätestens
nach einer Dreiviertelstunde Schicht, dann fange ich an, die Lampen
im Saal zu zählen.
Irgendwie ahnt jeder Konzertbesucher, dass er mit den musikalischen
Werken allein gelassen wird, dass sie als tosender Klangschwall
an ihm vorbeirauschen und dass er sie nicht versteht. Also verlagert
sich sein Interesse, wo er mit der Substanz nichts anfangen kann,
aufs Unwesentliche, auf die Sensation, aufs andächtige Staunen
wie im Zirkus. Name dropping springt dort ersatzweise
ein, wo ein musikalisches Verstehen systematisch unterbunden wird.
Und der Dirigent sollte mindestens Barenboim oder Levine heißen.
Ich halte als Wette dagegen: Die Leute würden erst recht ins
Konzert strömen, wenn Egon Krenz und Boris Becker dirigierten.
Wie heraus aus diesem Circulus vitiosus?
Erstens mit einer gründlichen Revision von Programmheft-Texten.
Mit dem Mut, die sattsam beliebten analytischen Hochnäseleien
zu verbieten und stattdessen einer narrativen Textkultur Raum zu
geben. Als Programmtext-Autor weiß ich, wie schwer das ist:
Musik metaphorisch dergestalt einzukreisen, dass Bilder im Kopf
entstünden; Musik so beim Wort zu nehmen, auf dass sie ihren
Prozesscharakter enthüllte; Musik so zu befragen, wie ein Laie
sie befragen würde; Musik auf eine Weise zu skizzieren, auf
dass die Skizze zum sicheren Leitfaden beim Hören würde
und ein griffiger Umriss entstünde. Erklärungsmuster
der üblichen Art greifen nicht, weil sie in aller Regel Formalanalyse
betreiben. Schon mal was von Ausdrucksanalyse gehört? Nein?
Kann ja auch fast keiner.
Zweitens mit der Erkenntnis, dass zur dargebotenen Musik Sprache
hinzutreten muss: in der einfachsten Form meinetwegen
eine intelligente Conférance, in der aufwändigeren zwischengebaute
Textdokumente aus dem Munde gut einstudierter Sprecher/-innen (das
können Briefe sein, Poesien, Auszüge aus Dramen, je nach
musikalischem Anlass; das können aber auch Rezensionen sein).
Denn wie verschaffen wir, die sogenannten Kenner, uns denn einen
sicheren Eindruck von Musik? Seien wir ehrlich: indem wir all das
lesend zur Kenntnis nehmen, was sich zwiebelschalenartig um ein
betreffendes Werk herum angelagert hat (etwa nach dem gelungenen
Modell der Rororo-Ricordi-Opernbücher).
Also: Wenn wir denn schon solche Weisheiten selber gewinnbringend
verwerten, dann sollten wir sie doch auch dem Hörer anbieten
... und zwar im Konzert selbst, damit er simultan erlebe, wie man
Musik verstehen könne, indem er das Nachdenken über die
Musik und die Auseinandersetzung mit ihr gleich mitgeliefert bekommt.
Drittens mit der radikalen Umgestaltung der musikalischen Darbietungsformen:
mit der Möglichkeit, Musik im Moment ihrer Präsentation
wenn nicht zu verstehen, so doch wenigstens orten zu können.
Musikwerke sind nicht vom Himmel gefallen. Sie sind gewachsen auf
dem Kartoffelacker einer weit verzweigten Kulturgeschichte. Sie
haben etwas zu tun mit Menschen. Mit Menschen, welche sie ersannen.
Mit Menschen, für die sie ersonnen wurden. Mit Menschen, denen
sie viel später in die Hände fielen. Mit Menschen auch,
die so dreist sind, sie für ihre ganz persönlichen Zwecke
zu missbrauchen. Will sagen: Musikalische Werke geistern nicht bindungslos
irgendwo im Welt- oder Konzertsaal-All herum, sie sind eingewoben
in mehr oder weniger dichte Koordinatennetze. Sie haben, neben ihrer
Erscheinungsweise als Werk, ihre Entstehungsgeschichte, sie haben
ihre Werkgeschichte, sie haben ihre Rezeptionsgeschichte. Und sie
haben, wenn man so sagen darf, andere Werke in ihrer Nachbarschaft,
mit denen sie sich wie im richtigen Leben entweder
friedlich vertragen oder im gerichtlichen Streit liegen.
Was folgt daraus für die eben geforderte radikale Umgestaltung
der musikalischen Darbietungsweisen, möchte man wissen?
Aus den kontextuellen und den textuellen Daten muss ein Inszenierungs-Konzept
entwickelt werden. Was bitteschön soll inszeniert werden? Das,
womit die Geschichte jene Musikwerke von sich aus inszeniert hat.
Alles klar? Nein? Na dann: Zum Beispiel wäre ein zyklisches
Musikwerk X aus der Zeit Y als Achse zu denken. An diese Achse docken
Ereignisse unterschiedlicher Art aus der Zeit Y an... Nachrichten,
parallel entstandene Werke, verwandte Kulturdokumente, literarische
Zeugnisse, private Komponistennotate, Bewertungs-Widersprüche
et cetera.
Was haben Woodstock und Berios Sinfonia gemeinsam?
Was der Feuervogel mit dem Schlager Immer an der
Wand lang oder mit Schönbergs op. 11? Ein Drehbuch gediegener
Art würde jene scheinbar inkommensurab-len Fakten zusammenbringen...
als Koordinatennetz, in dem alles mit jedem verwoben ist. Wie stehen
plötzlich Peter und der Wolf da, wenn (sagen wir
nach der ersten Hälfte) sich das ereignisreiche Jahr 1936 dazwischen
schieben würde? Als Musik für Kinder? Unsinn, als hoch
brisante politische Parabel! Was hätten sich Bach und Schostakowitsch
zu erzählen, würde man sie in einem wohltemperierten
Streitgespräch aufeinander loslassen? Was die Herren Robert
Schumann und E.T.A. Hoffmann, ließe man sie in einem fiktiven
Dialog über ihre Kreisleriana räsonieren?
Wie würde eine Anthologie von Märschen tönen, die
bei der Musterungsbehörde durchfallen, weil sie nicht kriegerisch
genug sind? Haben die Damen und Herren Konzertveranstalter schon
mal darüber nachgedacht, wie schön ein Interpret ins Licht
zu setzen wäre mit einem, mit seinem Interpretenporträt-Konzert?
Wie atemberaubend eine durchs Programm führende Lichtregie
sein könnte? Wie hintersinnig, witzig, kontrapunktisch, ergänzend,
unvermutet oder verblüffend Statements zur Musik wirken könnten,
würde man sie auf einer Dia-Leinwand einblenden? Haben sie
nicht. Sie lassen lieber Sting mit den Drei Tenören La
donna è mobile singen und Muti dirigieren.
Inszenierte Konzerte arbeiten nach dem Prinzip der filmischen Collage.
Bilder und Gegenbilder erhellen sich wechselseitig, ohne dass man
schulmeisterlich dazwischenfahren müsste. Und vor allem: Bilder
das heißt gezeigte Bilder, Personenkonstellationen
und Sprachbilder, Requisiten und Beleuchtungen inklusive
werden, weil sorgsam inszeniert und miteinander in Kontrast gebracht,
zu Sinnbildern, zu Bedeutungsträgern. Man muss also, um möglichst
viele Sinne des Zuhörers/Zuschauers anzuregen und zu beschäftigen,
diesem Zuhörer/Zuschauer viel zu sehen geben, man muss seine
Fantasietätigkeit neben der Musik auch mit den Mitteln der
Sprache und mit den Mitteln visueller Eindrücke anregen. Kurz:
man muss ihn mitspielen lassen. Dann verknüpft er, was wir
ihm zur Verknüpfung anbieten. Mehrsinnlich beschäftigt,
bleibt er wach und beobachtet das musikalische Werk als eine Art
Spinne, wie sie im Netz sitzt, wie sie ihr Netz gewoben hat, wie
sie in diesem Netz ruht oder emsig arbeitet.
Warum solche Inszenierungs-Konzepte?
Weil sie erstens ein geschriebenes Drehbuch zur Grundlage haben.
Weil die Wahrnehmung einer zeit- und kulturgeschichtlichen Collage
so alltäglich ist wie die Wahrnehmung einer filmischen Collage
in einem Bella Block, Tatort oder in einer
TV-Werbung: Da kennen wir uns heute aus, die filmische Wahrnehmung
ist uns zur zweiten Natur geworden. Und das ist, ganz nebenbei,
auch der tiefere Grund, warum sich junge Leute im Sinfoniekonzert
nicht mehr zurechtfinden: unversöhnlich kollidieren dort die
alten monosensorischen mit den neuen audiovisuellen Rezeptionsgepflogenheiten.
Wohingegen der Einbau von musikalischen Kunstwerken in ihren Zeithorizont
einem Setzkasten vergleichbar der vergleichenden
und verknüpfenden Wahrnehmung entgegenkommt. Weil zweitens
die Inszenierungs-Konzepte das mitlesende Auge, das Sprache vernehmende
Ohr beschäftigen Stammhirn und Hirnrinde arbeiten so
auf das Schönste zusammen. Weil sie drittens mit Licht, also
mit visuellen Focussierungen arbeiten: Das macht schon einen starken
Effekt, wenn nach einer Orchester-Pièce plötzlich die
Oboistin mit einer Britten-Metamorphose im einsamen Lichtkegel steht,
während um sie herum alles im Dunkel versinkt.
Inszenierte Konzert-Konzepte veranlassen Musik, ihre ihnen eingeschlüsselte
Geschichte zu erzählen. Inszenierte Konzerte spielen mal auf
das Feld des Theaters, mal auf das Feld von Geschichtenerzählungen
hinüber. In jedem Fall aber geben die solcherart eingekreisten
Werke mehr preis, als in ihren Noten steckt; sie geben preis, was
zwischen den Notenlinien nistet und zum Sprechen, zum Erzählen
befreit werden will.
Man wird einwenden: Da werde zusammengekleistert, was nicht zusammengehöre.
Richtig und falsch! Richtig ist, dass bei der programmatischen Frage
Wie klang das Jahr 1908? Werke unterschiedlicher Ranghöhe
gemixt werden, gar mit Wilhelm Buschs Max und Moritz
für Sprechchor. Falsch ist, dass eine solche Zusammenstellung
willkürlich sei: In diesem Jahrhundert (manche sagen: im Jahrhundert
der Postmoderne) steht im Museum der Künste ein zerbrochener
Regenschirm neben der Aktskulptur aus Marmor, steht eine Harley-Davidson
unter einem Tintoretto. Eine verbindliche Ästhetik gibt es
nicht mehr, alles gesellt sich zu allem, das Elitäre ist trivial,
das Triviale elitär. Und wenn es überhaupt noch so etwas
wie eine ästhetische Verbindlichkeit gibt, dann wäre es
die des Sammelsuriums. Wer also die Frage stellt Wie klang
das Jahr 1908?, der muss durch ein sinnenfälliges Inszenierungs-Konzept
beweisen, dass zu diesen 1908-Klängen Debussys Childrens
Corner, Ravels Ma Mère lOye, Bartóks
1. Streichquartett, de Falla-Klavierstücke, aber auch der Klang
eines Wilhelm Busch, der Klang eines Autos namens Tin Lizzy
(es läuft 1908 vom Band), der Klang eines mit der orthodoxen
Kirche streitenden Leo Tolstoi, der Klang eines in Zentralasien
einschlagenden Meteoriten, der Klang des ersten Autorennens rund
um die Welt, der Klang eines aus der Haft entlassenen Hauptmanns
von Köpenick dazu gehören. Die Welt klingt auf vielstimmige
Weise. Musik ist nur eine Stimme in diesem Konzert. Vielleicht nicht
einmal die wichtigste, wenn man fragt, wie denn die Jahre 1941 oder
1977 geklungen und wer damals als Dirigenten
in welchen Konzerten den Takt geschlagen
haben. Inszenierte Konzerte erzählen Geschichten, erzählen
Geschichte. Und zwar so, dass das jeder versteht: Kinder, Jugendliche,
Eltern, Onkels zweiten, Großmütter ersten Grades, unverheiratete
Tanten. Will sagen: Sie machen die hilf- und erfolglose Diversifikation
in Kinderkonzerte, Jugendkonzerte, Familienkonzerte, Promadenkonzerte,
Sonntagskonzerte, Schulkonzerte et cetera schlichtweg überflüssig
dadurch, dass sie die Restkindlichkeit des Erwachsenen und den reifen
Verstehenshorizont des Kindes gleichermaßen beim Wort nehmen
dem narrativen Zauber entzieht sich niemand.
Noch einmal: warum?
Weil nach zirka 1.000 Jahren das Warenhaus mit Musik
bis unters Dach gefüllt ist. Weil um es drastisch zu
sagen die Zeiten bahnbrechender musikalischer Erfindungen
sowohl in der Rockmusik als auch in der so genannten Klassik vorbei
sind trotz Pärt, trotz Rautavaara. Eben jetzt hätte eine
ebenso erfinderische Zeit der musikalischen Vermittlung, der Sichtung
von Musik, der Zusammenstellung von Konzertprogrammen zu beginnen,
in denen die Auseinandersetzung mit Musik essenzieller Teil der
eigentlichen Performance ist links neben der Volkshochschule und
rechts neben Helmut Lotti, André Rieu und Justus Frantz.
Um also wieder wie im 19. Jahrhundert im Konzertsaal
konkurrenzlos zu werden, muss sich das öffentliche Konzert
darauf besinnen, eine Darbietungsform zu entwickeln, welche auf
CD oder CD-ROM nicht, sondern nur (!) im Konzertsaal zu haben ist:
Musikwerke zu spiegeln an der Welt, aus der sie stammen oder an
jener anderen Welt, in die sie hineingeraten sind, und umgekehrt
die Welt zu spiegeln an Musikwerken, welche Zeugnis ablegen von
Menschen und ihrem Denken, ihren Hoffnungen, ihrer Unzulänglichkeit.
Dazu aber sind Hilfen nötig. Hilfen durch begleitende beziehungsweise
widersprechende Texte, Hilfen durch erhellende Bilder, Hilfen durch
Sinn stiftende Szenarios.
Darauf will ich entschieden hinaus: Inszenierte Konzerte sind Transplantationen
des anspruchsvollen Radio-Features live in den Konzertsaal unter
Zuhilfenahme visueller Gestaltungsmöglichkeiten: Voilà
die Geburt des audiovisuellen Konzert-Features!
Nicht mehr gilt es, Musik einfach nur zu spielen, abzuspielen, plattzuspielen.
Es gilt, jene Rolle zu zeigen, welche Musik spielte und spielt...
in Rollenspielen also.
Dort und nur dort wird sie, die Musik, endlich auch preisgeben,
welche Rolle sie für uns spielen könnte: Als Ärgernis
oder als Trost, als Botschaft oder als Amüsement, als Erinnerung
oder als Versprechen in die Zukunft, als Lebens-Mittel oder als
Kostprobe. Damit das Stillsitzen im Kopf aufhöre. Damit das
Anbeten von dirigentischen oder pianistischen Hohepriestern ein
Ende habe. Damit Schluss sei mit dem Nichtverstehen dessen, was
inständig um Verständnis bittet: die Sache Musik.