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nmz-archiv
nmz 2001/02 | Seite 53
50. Jahrgang | Februar
Konzerte für Kinder
Spuren der Begeisterung hinterlassen
Konzerterlebnisse in der Kindheit als nachhaltiger Ansporn für
das aktive Musizieren
Die naturgemäß starke Fluktuation in Kinderchören
bedingt eine ständige Nachwuchssorge für Chorleiter oder
anderweitig Verantwortliche. Ob auf professioneller Ebene, von der
zu berichten dem Autor seine Tätigkeit bei den Regensburger
Domspatzen die Möglichkeit gibt, oder in kleinen Dorfchören
(auch einen solchen leitet der Verfasser seit über zwölf
Jahren): die Aufgabenstellung bei Konzertprojekten ist beinahe immer
eine doppelte. Präsentation der Arbeitsergebnisse und zugleich
aber Werbung für die eigene Sache, Werbung um kleine Sänger
und Sängerinnen.
Aufrufe, Handzettel, Plakate drohen im Überangebot der Informationen
über Freizeitangebote unterzugehen. Zudem kann der eigentlich
wertvolle Inhalt des Singens zwar verbalisiert werden, aber er ist
in solch theoretischer Form nicht unbedingt leicht verständlich.
Überzeugender ist das klingende und direkt berührende
Beispiel.
Konzerte sind für die ausführenden Kinder eine ganz
wesentliche Bestätigung für ihr Bemühen um Fortschritte.
Wohlwollende Erwachsene sind dabei die nahe liegenden Adressaten.
Aber stärker beziehungsweise noch stärkender wirkt es,
wenn das Publikum aus nahezu gleichaltrigen besteht. Es lässt
sich am Applaus messen, dass selbst denjenigen, die sonst Singen
blöd finden, die Darbietungen gefallen, dass sie großen
Respekt vor der spürbaren Leistung der anderen haben. Wie könnte
man besser Selbstvertrauen und Selbstständigkeit zwei
wesentliche Voraussetzungen für das Singen bahnen?
Viele Domspatzen unterschiedlichen Alters berichten von einem
Konzerterlebnis in ihrer Kindheit als auslösendem Moment, den
Eintritt in den Regensburger Domchor anzustreben. Auf dieser Ebene
sind es durchaus auch Äußerlichkeiten, die ansprechen:
die festliche Atmosphäre eines Saales oder einer Kirche, das
Erscheinungsbild des Chores mit Anzug oder Chorrock (eigenartig
aber vielleicht eine unterbewusste Sehnsucht nach Ordnung,
nach Ästhetik?), das große Auditorium und die eigentlich
immer begeisterte Resonanz. Nicht zuletzt freilich spüren auch
Kinder sehr gut Qualität jeglicher Art. Die klassische
Literatur hinterlässt viel tiefere Spuren, als das unsere Spiel-
und Spaß- (fun- and action-) Vorstellung von Kinderseelen
diesen zutraut. Auch das von Natürlichkeit geprägte Ausloten
aller stimmlichen Möglichkeiten berührt Kinder
beinahe körperlich.
Der kleine Gesangsverein-Kinderchor wirbt freilich mit anderen
Mitteln und Wirkungen, die jedoch nicht weniger wertvoll sind. Die
bloße Tatsache, dass Kinder Kinder singen sehen, kann alleine
nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wie soll ein junger Mensch
motiviert werden, etwas zu tun, das so die Lebens- und Erfahrungswelt
vieler unserer Kinder ja eigentlich kein anderer tut, respektive
tun will? Wenn dann noch Spaß und Freude, darüber hinaus
vielleicht sogar noch ein breiteres Spektrum an Emotionen fühlbar
werden, springt der Funke schnell über. Und sollte die Leistung
auch auf niedrigerem Niveau sein als bei einem professionellen Ensemble:
ehrliches und intensives Bemühen wird immer Zuspruch finden.
Nun sollte die Musik, das Singen, der Chor auch noch den entscheidenden
Schritt aus dem künstlerischen Glashaus heraus machen und sich
auf die Kinder zubewegen, die man erreichen will. Konzerte für
Kinder anzukündigen, an neutralem Ort zu veranstalten
und dann im Stile des klassischen Konzertbetriebes darauf zu warten,
wer kommt, ist nicht schlecht.
Aber es werden wieder nur diejenigen kommen, die ohnehin (zumindest
vom Elternhaus her) sensibilisiert sind. Auf Kindergärten,
Schulen und Pfarrgemeinden zuzugehen und öffentliche (kommunale)
Anlässe für Auftritte zu nutzen das sind die entscheidenden
Schritte, sich einem neuen Klientel zu öffnen. Die letzte und
für den nachhaltigen Erfolg wichtigste Frage ist dann, was
man anbietet. Kindermusicals (oder etwas altertümlicher Singspiele
genannt wo ist da eigentlich der Unterschied?) sind hoch
im Kurs und erzielen nicht zuletzt durch den meist erheblichen Aufwand
drumherum großen Effekt.
Um bewusst andere (nicht Gegen-!) Akzente setzen zu können,
bedarf es einigen Mutes und großer eigener Überzeugung
vom Wert einer vielfältigen Literatur. Nur kleine Beispiele
aus der eigenen Arbeit sollen andeuten, was damit gemeint sein könnte:
In einem Saal mit 100 Erwachsenen und 200 Kindern von 4 bis
10 wird es ungelogen mucksmäuschenstill, wenn am Ende eines
Kinderkonzertes 30 Buben ihre Bitte um Frieden für die Welt
mit dem gregorianischen Da pacem domine formulieren.
Die hoffnungslos überstrapazierte Kleinform Kanon
wird lebendig, wenn sich aus verschiedenen Ecken des Zuschauerraumes
die Gruppen aufeinander zubewegen und sich auf der Bühne
zum gemeinsamen Singen vereinigen.
Eine neue Komposition, die einfach nur so gehört
sicher manchen Zuhörer eher in seinen Vorurteilen bestätigt
hätte, wird zum begeistert aufgenommenen Höhepunkt eines
Konzertes, weil der Komponist anwesend ist und mit seinem jungen
Publikum ins Gespräch kommt.
Und gängige Volkslieder schließlich ermöglichen
ein Gemeinschaftserlebnis besonderer Art, weil Jung und Alt einstimmen
und die Grenzen zwischen Hörern und Sängern zerfließen.
Der Kernpunkt bleibt: Wer in Konzerten für Kinder die kleinen
und doch schon so großen Persönlichkeiten berührt,
darf sicher sein, dass er auch über den Moment hinaus begeistert
und dass die Kindlein zu ihm kommen.