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nmz-archiv
nmz 2001/02 | Seite 54
50. Jahrgang | Februar
Konzerte für Kinder
Hallo Vermittlung bitte durchstellen!
Labor Kinderkonzert: Neue Formen musikalischer Kommunikation mit
Kindern und Jugendlichen
Das Fräulein vom Amt hatte eine bedeutsame Aufgabe. Sie vermittelte
zwischen Menschen, die mitunter weit voneinander entfernt waren.
Das war in den Anfängen der Telekommunikation noch eine echte
Sensation und dem ein oder andern sicherlich auch irgendwie unheimlich.
Zugegeben, die eigentliche Vermittlungstätigkeit war nicht
besonders attraktiv, eher mechanisch. Die Verbindungen wurden auf
Wunsch durch steckbare Schnüre, Schalter oder Tasten hergestellt.
Aber sie war solange notwendig, wie das Medium selber den freien
und eigenständigen Umgang noch nicht erlaubte zum einen
rein technisch nicht (erst die Erfindung der Wählscheibe löste
die Handvermittlung durch das Fräulein vom Amt ab), zum anderen
aber auch psychologisch: Der Fernsprecher war ein neues, fremdes
Medium und bedurfte der Vermittlung auch im übertragenen Sinne.
Aufhören!
Foto: Konzertprojekt Lärm am Theater der
Stadt Duisburg
Während wir heute der vollständigen Aneignung dieses
Mediums entgegenstreben und es als absolut selbstverständlich
hinnehmen, wenn nicht sogar erstrebenswert finden, praktisch überall
telefonisch erreichbar zu sein (bis ins Theater und den Konzertsaal
hinein!), entwickeln sich andere Umgangsformen zurück.
Zurück? Nein, das klingt zu sehr nach dem selbstmitleidigen
Lamento über den allgemeinen Sitten- und Kulturverfall. Besser
also: Umgangsformen verändern sich. Das Konzert etwa als Ritual,
in dem klassische Musik dargeboten und genossen wird, ist keineswegs
mehr selbstverständlich oder als allgemein vorauszusetzen.
Zugänge zur abendländischen Musik ergeben sich kaum noch
auf traditionellen Wegen, also über familiäre Zusammenhänge,
den Musikunterricht in der Schule oder gar Instrumentalunterricht
an einer Musikschule. Sie ergeben sich heute viel eher über
Fernsehwerbungen oder den Soundtrack eines Kinofilms.
Das alles kann man bedauern. Und sicher muss man auf viele Zustände
und Veränderungen kultur- und bildungspolitisch einwirken.
Aber als Musiker ist man zunächst einmal gefordert, sich auf
diese veränderten Bedingungen einzustellen. Wenn Musik heute
weit gehend anders auf- und wahrgenommen wird, andere Erfahrungen
im Umgang mit ihr bestehen, so wird man auch die überkommenen
Formen der Darbietung von Musik hinterfragen müssen. Wollen
wir das, was uns selber am Herzen liegt, weitergeben, so sind unsere
Vermittlungsbemühungen gefragter denn je.
Dies betrifft auf den ersten Blick vor allem die Konzerte für
Kinder und Jugendliche. Hier werden auch am ehesten andere Formen
der Musikvermittlung erprobt. Allerdings wäre zu fragen, ob
sich diese Bemühungen nur auf Kinder- und Jugendkonzerte beschränken
müssen? Vielmehr ließe sich grundsätzlich fragen,
worin eigentlich der Unterschied zwischen Konzerten für Kinder
und solchen für Erwachsene besteht?
Liegt es daran, dass Kinder anders wahrnehmen als Erwachsene und
dass man sie deshalb anders behandeln muss? Oder stellt man Kindern
eine andere, kindgerechtere Musik vor als Erwachsenen? Wie wäre
diese aber beschaffen? Ist sie einfacher, schlichter oder gar primitiver
als die Erwachsenenmusik? Muss sie sich beschränken
auf die eine Handvoll an Klassikern um Prokofieffs Peter und
der Wolf?
Im Umfeld dieser Fragen ist einiges in Bewegung geraten und mit
dem Netzwerk der Jeunesses Musicales ist ein breites Forum für
einen engagierten Austausch geschaffen. Zur Intensivierung dieser
Diskussion lädt die Jeunesses gemeinsam mit der Bundesakademie
Wolfenbüttel am 17. und 18. Februar 2001 zu einem Kinderkonzert-Labor
unter dem Titel Dem Peter sein Wolf nach Wolfenbüttel
ein.
Hier ist dann nicht die großväterliche Belehrung gefragt
sondern Peters Geschicklichkeit in der Vermittlung wölfisch-wilder
Musik. Diese soll dann freilich nicht zu Grabe getragen werden.
Eher könnte die (verschluckte) Ente in ihr zum Vorschein gebracht
werden...
Praktisch heißt das: Anhand einer sperrigen, auf das erste
Hören hin gerade wenig kindgerecht erscheinenden Musik werden
verschiedenste Vermittlungsformen und -methoden in kleinen und interdisziplinären
Arbeitsgruppen experimentell entwickelt und auf ihre Tauglichkeit
für Kinder erprobt und systematisiert. Zugleich sollen an diesem
Prozess die Kriterien überdacht und geschärft werden,
die an ein seriöses Konzert für Kinder anzulegen sind
und letztlich zu seinem Gelingen beitragen.