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nmz-archiv
nmz 2001/02 | Seite 53
50. Jahrgang | Februar
Konzerte für Kinder
Musikalische Körpersprachen choreografiert
Chorfestivals als Orte internationaler Begegnungen
550 Kinder sitzen unten, 50 stehen auf der Bühne. Die Zuhörer
kommen aus Belgien, Griechenland, Lettland, Polen, Rumänien,
Russland, der Slowakei, Tschechien und Deutschland; die jungen Sängerinnen
aus Belgien. Sie tragen ein 40-minütiges Programm vor. Fast
ausschließlich zeitgenössische Musik. Und sie singen
nicht nur, sondern ihr Auftritt ist über weite Strecken auch
durchchoreografiert. Das lockt zusätzlich in die Aufmerksamkeit,
das fördert die Konzentration und das hilft in einigen Fällen
auch zusätzlich, den Inhalt der Stücke besser zu verstehen.
Besser weil zunächst ohnehin alle Titel angezeigt
werden.
Es gibt eine knappe Moderation in Deutsch und Englisch. Und dann
ist da ein Pantomimen-Clown! Er hat sich natürlich zusammen
mit dem Moderator vorbereitet. Und er übersetzt
die Inhalte der gesungenen Stücke in seine Körpersprache.
So ist für die Kinder aller unterschiedlichsten Sprachen immer
klar, worum es geht ganz ohne Worte.
Und dann singen die Osteuropäer und die Griechen und die
Balten und die Deutschen. Sie geben Informationen aus erster Hand
über die Chormusik ihrer Länder: alte und neue, geistliche
und weltliche, ernste und heitere.
Sie bringen sich die Stücke gegenseitig bei. Sie lernen gemeinsam
Neues in Workshops. Sie erklären sich mit Händen und Füßen,
warum sie bestimmte Stücke mehr mögen als andere.
Am Ende der einwöchigen Veranstaltung (EUROPA CANTAT junior
2, veranstaltet vom Arbeitskreis Musik in der Jugend, AMJ) fahren
600 Kinder heim und haben unendlich viel dazugelernt. Sie sind auch
in hohem Maße neu motiviert für die harte Probenarbeit.
Vor allem aber haben sie tolle neue Argumente bekommen für
ihre Gespräche mit Gleichaltrigen: Warum gehst Du bloß
in diesen langweiligen Chor? Diese Quälerei
in den Proben und wofür? Was macht denn
daran Spaß? Was hast Du denn davon?
Antworten auf diese Fragen ergeben sich jetzt ganz von selbst.
Eine besondere Form der Ansprache der Kinder (sowohl der Festivalteilnehmer
als auch der Zuhörer-Kinder aus der Stadt) bietet das Kinderchorfestival
Halle. Hier sind immer Komponisten zum Anfassen dabei.
Die stellen sich selbst, ihre Vita, ihre Arbeitsweise und ihre
Stücke im Gespräch den Kindern vor. Alle Chöre sind
vorher gebeten, möglichst ein Werk eines der anwesenden Komponisten
selbst einzustudieren und im Konzert anzubieten. Es gibt ein kurzes
Auftragswerk, das von allen Chören gemeinsam vorbereitet ist
und im Eröffnungskonzert uraufgeführt wird. Und mitten
drin im Festival der Höhepunkt: die Komponisten geben auf eigens
vorbereiteten Leporellos mit ihren Fotos und Lebensgeschichten Autogramme.
Und das ist ein Hit! Die Kinder stehen Schlange, um für einen
Moment ganz direkt selbst am Komponisten dran zu sein: Und
ich habe doch wirklich gedacht, Komponisten seien Leute, die immer
schon tot wären.
Chorleiter, die selbst Erfahrungen mit der Teilnahme an solchen
internationalen Chorbegegnungen hatten, bestätigen übereinstimmend,
dass sie anschließend ein viel leichteres Arbeiten mit ihren
Chorkindern hatten. Außerdem ist eine regelmäßige
schöne Begleiterscheinung, dass viele neue Kinder in den Chor
wollen. Sie haben aus der Erzählung ihrer Freunde entnommen,
was für ein Gewinn das eigene Mittun im Chor ist! Und die Kinderchöre
in Halle und Wolfenbüttel, den Austragungsorten der hier erwähnten
Festivals, haben wahrlich keinen Nachwuchsmangel.
Rolf Pasdzierny
Der
Arbeitskreis Musik in der Jugend ist unter folgender Adresse im
Internet zu finden: amj.allmusic.de