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nmz-archiv
nmz 2001/02 | Seite 11
50. Jahrgang | Februar
Kulturpolitik
Unruhe des Musiklebens
Klaus Bernbacher zum siebzigsten Geburtstag
Es fiele schwer, für das, was Klaus Bernbacher sein Leben
lang getan hat und heute noch tut, eine einzige Berufsbezeichnung
zu finden. Gewiss: Er hat viel dirigiert, dann war er Dirigent.
Im selben Augenblick aber strahlte Radio Bremen, wo er jahrzehntelang
an der Seite Hans Ottes und später alleinverantwortlich die
Belange der Musik vertrat, ein Konzert mit Neuer Musik aus, gestaltet
vom Musikredakteur Bernbacher. Er war von Beginn an am Aufbau der
deutschen Sektion der Internationalen Jeunnesses Musicales
beteiligt und deren Bundesvorsitzender von 1963 bis 1983. Er war
auch an anderer Stelle mehrfach Vorsitzender: in der Satzungskommission
des Präsidiums des Deutschen Musikrates, im Hauptausschuss
für die Konzerte des Deutschen Musikrates, später
im Landesmusikrat Bremen.
Das ist der Punkt ich
kann auch zuhören: Klaus Bernbacher bei einer Diskussion.
Foto: Charlotte Oswald
Er war auch Gründer: Gemeinsam mit dem Freund Klaus Hashagen
rief er 1958 die Tage Neuer Musik Hannover ins Leben,
die immerhin bis 1998 existierten. Auf Schloss Weikersheim, dem
ständigen Sitz der deutschen Jeunnesses Musicales,
richtete er 1965 einen ständigen Opernkurs ein, zu dessen Aufführungen
in den Sommerwochen ein zahlreiches Publikum aus nah und fern herbeiströmt.
Zum Politiker und Parlamentsabgeordneten avancierte er schließlich
nach seiner offiziellen Pensionierung bei Radio Bremen in der Hansestadt.
Für die AFB Arbeit für Bremen zog er
in die Bremische Bürgerschaft (den Landtag) ein, war dort stellvertretender
Sprecher der Deputation für Bildung, Wissenschaft, Kunst und
Sport, in gleicher Funktion im Ausschuss Medienpolitik
sowie im Ausschuss für Bundes-und Europaangelegenheiten. Besonders
stolz ist Klaus Bernbacher darauf, dass sein Antrag, die Kultur
als Staatsziel in die Bremische Verfassung aufzunehmen, einstimmig
angenommen wurde.
Dirigent, Musikredakteur, Vorsitzender, Gründer, Organisator
und schließlich Politiker das alles ist Bernbacher
gewesen. Und doch beschreiben alle diese Berufs- und Tätigkeitsbezeichnungen
nicht die Persönlichkeit Klaus Bernbachers. Vor dem in unseren
Zeiten so geschätzten Funktionär schützten
Bernbacher Temperament, Engagement, kreative Fantasie. Seine Wutausbrüche
waren (und sind?) gefürchtet und inzwischen sozusagen berühmt.
Sie dienten aber in der Regel nur der Sache, um die es gerade ging.
Er streitet gern, diskutiert leidenschaftlich, setzt sich rückhaltlos
für alles ein, was er für wichtig erkannt hat. Seine Heftigkeit
wird gemildert durch Humor, sanften Spott und durch die sinnliche
Freude an guter Musik und noch besserem Wein. Und so könnte
man nach einem halben Jahrhundert rastlosen Engagements für
die Musik und das Musikleben doch noch die passende Berufsbezeichnung
für Klaus Bernbacher finden. Er war und ist die Unruhe für
das deutsche Musikleben der Jahre zwischen 1951 und nunmehr 2001:
Prof. unruh. Klaus Bernbacher den Professorentitel trägt
er ohnehin schon.
Klaus Bernbacher und seine Mitstreiter in der Musik, zu denen
sich in aller Bescheidenheit auch die neue musikzeitung gesellen
möchte, haben für den Aufbau des deutschen Musiklebens
nach dem Krieg große, in vielen Fällen sogar entscheidende
Verdienste erworben. Die Leistung basierte primär auf der Erkenntnis,
dass ohne eine gezielte, intensive Jugend-und Nachwuchsarbeit ein
lebendiges Musikleben mittelfristig zum Untergang verurteilt ist.
Jeunnesses Musicales, die effektive, kontinuierliche
Arbeit in Weikersheim, die Tage Neuer Musik in Hannover
mit ihrer wunderbaren Verbindung aus Neuer Musik und jungen Interpreten,
die engagierte Arbeit im Deutschen Musikrat das waren einige
und entscheidende Impulse, die der drohenden Verkümmerung des
deutschen Musiklebens entgegenarbeiteten. Bernbachers Fähigkeit,
die berechtigten Ansprüche der Musik und ihrer Künstler
auch politisch durchzusetzen, notfalls dadurch, dass man sich einfach
in die entsprechenden Gremien hieinwählen ließ, dürfen
als individuelle Begabung gewertet werden.
Für Bernbacher bilden Musik, Kunst, Gesellschaft und politische
Organisation eine untrennbare Einheit. Er hat, oft mit Erfolg, es
allen Beteiligten, vor allem der gern ignoranten Politik, gleichsam
einzuhämmern versucht. Er weiß aber auch, dass zu einem
florierenden Musikleben zugleich die ständige Erneuerung und
Weiterentwicklung der schöpferischen Substanz gehört.
In diesem Sinne hat er sich sein Leben lang, als Dirigent und Redakteur
bei Radio Bremen, als Leiter der Hannoverschen Tage Neuer
Musik, in den Konzerten des Musikrates und an anderen Orten
für die Komponisten der Neuen Musik unermüdlich eingesetzt.
Es klingt wie ein Märchen aus alten Tagen, wenn man hört,
dass am Bremer Sender einmal die Möglichkeit bestand, in der
Woche einhundertzwanzig Stunden Klassik zu gestalten,
von der Musik aus Renaissance und Barock bis zu den damaligen Avantgardisten.
Und die Nordwestdeutsche Philharmonie, die bis 1961 von keinem geringeren
als Hermann Scherchen geleitet wurde, hat Bernbacher als Nachfolger
Scherchens rund sechshundert Mal dirigiert das Orchester
fungierte für den kleinsten Sender der Republik als Rundfunksinfonieorchester.
Für alles gebührt Klaus Bernbacher, nicht nur am Tag
seines siebzigsten Geburtstages am 25. Januar 2001, der Dank aller,
die wissen, wie wichtig Musik für den Seelenhaushalt des Menschen
ist.