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Ausgabe 2001/02
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nmz 2000/10 | Seite 48
50. Jahrgang | Februar

Nachschlag

Zweiklassen-Gesellschaft

Kürzlich war ich beim Komponisten Enjott Schneider und bewunderte in seinem Haus ein groß eingerichtetes Tonstudio, das allein so an die zwei Millionen kostet. Bald danach sprach ich mit einer Komponistin, die mir klagte, wie viel Geld ihre Projekte, die im Studio erarbeitet werden, immer wieder verschlingen. Die Frage konnte nicht ausbleiben: „Wovon lebst du eigentlich?“ Sie gestand mir irgendwie mit schlechtem Gewissen, dass sie das meiste Geld wieder durch das Schreiben von Musik für die Werbung herein bekomme. Es ist in der Tat so: Schreibt ein Komponist ein markantes C-Dur mit einer, das ist zugestandenermaßen schon Pflicht, irgendwie charakteristischen Wendung, dann kann er in sagen wir drei Tagen leicht einmal 20.000 oder 50.00 Mark verdienen.

Bekommt er einen Auftrag für eine Oper oder ein Orchesterwerk, woran er viele Monate oder sogar mehrere Jahre arbeitet, dann muss er mit fünf- oder zehntausend Mark zufrieden sein. Vor einigen Jahren hat sich der Komponist Horatiu Radulescu in Donaueschingen bitter über diesen Zustand beklagt und deutete einen kompositorisch erarbeiteten Monatsgehalt von vielleicht knapp tausend Mark an. Sicher hätte er das Zeug, auch einmal ein paar Takte für einen Werbejingle oder für Musik im Fernsehen abzugeben. Er tut es, wie viele andere, nicht, weil ihm ein irgendwie strukturiertes kompositorisches Gewissen dafür im Weg steht. Es scheint so, als wären sich die Industrien, die Filmmusik oder Werbemusik in Auftrag geben, auch über dieses schlechte Gewissen bewusst. Das könnte der Grund sein für diese gewaltige Schere, die sich bei der Bezahlung von Musik und indirekt damit auch beim Einkommen von Komponisten heute auf tut. Man muss natürlich hinzufügen, dass auch Werbejingles oder Filmmusiken strenge Wertkriterien haben. Und die sind hart und unbestechlich.

Was sich verkauft, was ankommt, was betörend wirkt, was die Aufmerksamkeit weckt und dabei den kritischen Verstand schlafen lässt, ist gut. Das kann nicht jeder, und einige fühlen sich für solche Zuliefertätigkeiten auch zu gut. Sie erkaufen dies durch Armut und leben von anderen Tätigkeiten, vom Taxifahren bis zum Unterrichten. Das gehört zum Ethos, dass man sich fürs Taxifahren weniger zu gut vor kommt, als für die Erstellung von Klängen, die in ihren Ohren Schund oder Schmutz sind. Und indem sie sich enthalten, treiben sie gleichzeitig die Preise für das von ihnen als Schund Betrachtete in die Höhe. Letzlich ist das aber ein äußerst labiler Zustand. Ein schlechtes Gewissen hat noch nie lange die Barrieren gegenüber ökonomischem Druck aufrecht erhalten. Ästhetische Überzeugungen halten hier fraglos länger stand, doch auch sie dürften insbesondere bei jüngeren Komponisten schneller ins Wanken geraten. Vielleicht sind die sich immer weiter öffnende Schere, die Zweiklassengesellschaft, die wir heute bei Komponisten beobachten, schon erste deutliche Indizien dafür, dass unsere Wertekriterien bereits vor einer großen Wende stehen.

Reinhard Schulz

 

 

 

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