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nmz-archiv
nmz 2001/02 | Seite 38
50. Jahrgang | Februar
Weltmusik
Enzyklopädien, Sammlungen und Jubiläen
Auch die Weltmusik kommt langsam in die Jahre
Im Registerband des alten MGG finden sich interessante Gedanken
über Enzyklopädien an sich mit dem Schluss, eine Fortführung
sei ausgeschlossen. nmz-Leser wissen, dass es anders kam
und auch Weltmusik ist von einer gewissen Gigantomanie nicht verschont
geblieben.
Pete Seegers und Woody Guthries langjähriger Weggefährte
Alan Lomax begann um 1930 mit musikalischer Feldforschung in den
USA, zunächst als Helfer seines Vaters, später eigenständig
als Leiter des Volksmusik-Archivs der Library of Congress, und als
solcher praktisch in der ganzen Welt. Sein Traum wurde schließlich
ein Macintosh-Computer, bei dem man eine Weltkarte an beliebiger
Stelle anklickt, Musik von dort hört und Verweise auf Ähnliches
von anderswo erhält. Der gut 80-Jährige wird das Werk
wohl nicht mehr vollenden; dafür veröffentlicht die Firma
Rounder (Import in-ak) als The Alan Lomax Collection
sukzessive über 100 CDs, dazu diverse Sampler. Nur: wer soll
das alles kaufen? Sammlung um der Sammlung willen? Historische Aufnahmen
aus den Südstaaten beispielsweise sind sicher interessant,
werden hier aber nicht zum ersten Mal veröffentlicht. Flamenco,
Südsee et cetera hat der Sammler ohnehin schon im Schrank,
und Konkurrenzprodukte gibt es in Hülle und Fülle, nicht
zuletzt bei Smithsonian/Folkways (Import Koch). Der Gedanke an Die
Echosammlung von Mark Twain drängt sich auf.
Eine enzyklopädische Musikweltkarte gibt es inzwischen
im Berliner Ethnologischen Museum, und das Hörfutter
dazu stammt aus dem Berliner Phonogramm-Archiv, welches
im vergangenen Jahr auf hundertjähriges Bestehen zurückblickte.
Stolz präsentiert man etwa einen Bestand von Tausenden alter
Walzen aus den Kindertagen der Phonographie ein Thema für
Phonofetischisten, Musikethnologen und andere. Auf deutsch und englisch
ist dazu Das Berliner Phonogramm-Archiv 1900 2000
erschienen (VWB Berlin 2000, gebunden, illustriert, zirka 264 S.,
78 Mark) mit historischen und aktuellen wissenschaftlichen Betrachtungen
zum Thema, zur Technik und zu den Beständen. Zu hören
gibt es passend vier CDs im Schuber mit hervorragender englischer
Dokumentation: Music! The Berlin Phonogramm-Archiv 19002000
(Wergo SM 1701 2) vom rauschenden Mono bis zum digitalen Stereo.
In historischer Folge geht es mehrmals um die Welt, und wer sich
durch die ältesten Beispiele gequält hat, wird schon durch
die bunte Auswahl reichhaltig belohnt. Eher populärwissenschaftlich
angelegt ist der von zahlreichen Autoren erstellte Rough Guide
Weltmusik (Metzler Stuttgart 2000, ca. 900 Seiten, 592 s/w-Abb.,
kartoniert, 58 Mark). Doch trotz gelegentlich schlechter Übersetzung
aus dem Englischen (zum Beispiel bei Fachausdrücken), trotz
einiger weißer Flecken auf der Weltkarte (Italien etwa fehlt
ganz, von Frankreich wird nur die Bretagne berücksichtigt)
und trotz manchmal nur halb richtiger Informationen (so u.a. bei
arabischer Musik): Dieser lang angekündigte Band mit seiner
atemberaubenden Detailfülle ist gleichermaßen Lektüre
wie Nachschlagewerk. Diskografien, Glossare runden die gut 70 Beiträge
ab.