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nmz-archiv
nmz 2001/02 | Seite 17
50. Jahrgang | Februar
Rezensionen
Barocker Weihnachtsstress
Bachs Oratorium neu auf DVD erschienen
Johann Sebastian Bach:
Weihnachtsoratorium BWV 248; English Baroque Soloists,
Monteverdi choir, Claron McFadden, Bernarda Fink, Christoph
Genz u.a.; Eliot Gardiner
TDK (Vertrieb: EuroVideo)
Am Weihnachtstag 1734 hatte Bach ein arbeitsreiches Jahr hinter
sich. Musikalisch verantwortlich für insgesamt vier Kirchen,
musste er wöchentlich eine Kantate komponieren, das Stimmenmaterial
anfertigen (lassen), proben und Sonntags um 7 Uhr morgens die Aufführung
in der ungeheizten Thomaskirche leiten.
Weniger kontemplativ-verinnerlicht als forsch vorwärts drängend
interpretiert es J.E. Gardiner als Auftakt seiner Bach Cantata
Pilgrimige. Die atemberaubende Rasanz der Tempi, die federnde
Attacke seiner English Baroque Soloists, der geradezu manisch ausformulierte
Klang- und Redefluss lassen ein energetisch aufgeladenes, von produktiver
Rastlosigkeit getriebenes Bach-Bild entstehen. Natürlich ist
das ein musikalischer Drahtseilakt, eine Gratwanderung, bei der
etwa die binnenrhythmische Stringenz ins Hintertreffen gerät.
Doch die Orchesterdisziplin bei der Umsetzung von Gardiners rigorosem
Ansatz, seinem hellen, obertonreichen Klangideal ist beeindruckend
auch optisch. Ermöglicht doch die Multi-Angle-Funktion,
zwischen zwei verschiedenen Blickwinkeln zu wechseln (nur Dirigent
oder Totale) und so die Interaktion zwischen dem musikalischen Feuerkopf
und seinem Klangapparat zu verfolgen. Es gelingt eine bestechend
schwungvolle, frische Sicht auf die sechs Kantaten, wobei die neuen
Möglichkeiten der Video-DVD ideal genutzt wurden: zwei halbstündige,
informativ-unterhaltende Dokumentationen begleiten Gardiner auf
seiner Pilgerreise zu 60 Orten in 14 europäischen Ländern
und den USA.