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nmz-archiv
nmz 2001/02 | Seite 17
50. Jahrgang | Februar
Rezensionen
Technik und Kondition
Eine Bestandsaufnahme der Geigenpädagogik
Ulrich
Dannemann: Kritik der Geigenpädagogik. Aufsätze und Vorträge
aus vier Jahrzehnten. Claus Wefers, Druck und Verlags GmbH &
Co. KG, Kempen 1999, 63 Seiten, 36 Mark.
Eine solide und verlässlich abrufbare Technik, das wissen
wir alle, ist das unverzichtbare Fundament jeglicher künstlerisch-musikalischer
Ausdrucksfähigkeit. Doch wie man sie erwirbt und den theoretischen
Anspruch in die Praxis umsetzt, gibt auch heute noch immer wieder
Anlass zu kontrovers geführten Diskussionen. Geigenpädagoge
Ulrich Dannemann zählt zu denen, die sich für eine wissenschaftlich
begründete Lehre stark machen. In seiner Kritik
gibt er im Lauf von vier Jahrzehnten selbst verfasste Aufsätze
und Vorträge heraus. Sie sind ein Plädoyer gegen vorwissenschaftliche
Unterrichtsmethoden, die zu sehr auf der empirischen Erfahrung des
Lernenden aufbauen. Der Schüler bleibt in diesem Fall auf sein
Talent und seine Nachahmungsgabe zurückgeworfen.
Eine theoretische Unterstützung, die ihm die Bewegungsabläufe
erklärt und dadurch nachvollziehbar macht, wird ihm vorenthalten.
Dannemann illustriert die Gefahr einer solchen Anschauung am Beispiel
eines der namhaftesten Geiger und Geigenlehrer des 19. Jahrhunderts,
Joseph Hellmesberger sen. Der empfahl einem neunjährigen Schüler,
das Geigenspiel aufgrund seiner allzu steifen Bogenführung
aufzugeben, etwas Rechtes könne er als Geiger wohl nie werden.
Der Schüler damals war kein anderer als Joseph Joachim. Auf
dem Gebiet der Begabungsforschung ist man heute glücklicherweise
einige bedeutende Schritte weiter gekommen. Einen besonders wichtigen
Aspekt gerade für Anfänger und Berufsmusiker
berührt Dannemann mit seinen Beobachtungen zu muskulären
Verspannungserscheinungen beim Geigen. Um denen entgegenzuwirken
benötigt der Spieler nämlich ein optimales Zusammenspiel
von Technik und Kondition. Nicht zuletzt spielt auch der psychophysische
Faktor, also die Persönlichkeitsdisposition des Musizierenden,
eine entscheidende Rolle. Ulrich Dannemanns Publikation ist mehr
Bestandsaufnahme denn Methode. Sie dokumentiert, welche vorwissenschaftlichen
Anschauungen glücklicherweise schon aus der Instrumentalpädagogik
verbannt werden konnten und verdeutlicht, welche Gebiete noch heute
Defizite aufweisen.