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nmz-archiv
nmz 2001/09 | Seite 37
50. Jahrgang | September
Oper & Konzert
Unverstellt neoromantisch
Jürg Baurs Konzertante Suite für Violoncello und Orchester
Zur Kieler Woche kam im Kieler Schloss in Anwesenheit des 83-jährigen Komponisten die Konzertante
Suite für Violoncello und Orchester zur Uraufführung als Auftragskomposition des Philharmonischen
Orchesters Kiel.
In Frauke Rottler-Viam, seit 1996 stellvertretende Solocellistin der Philharmoniker, hatte Baur eine Idealinterpretin
für seinen in großen Teilen melodisch geprägten, oft genug aber auch virtuos ausgreifenden Solopart.
Gekonnt lud sie jede Phrase mit Spannung auf. Im besten Sinne Tiefe und Schönheit
stellte sich im ersten und vierten Satz ein. Gleich die empfindsame Improvisation des Beginns, deren
Thema Baur auf die vor zwei Jahren in Kiel uraufgeführte Sinfonia sine nomine zurückschauen
lässt, zelebriert ein wundersames Auf- und Abtauchen des Soloparts in Einzeltönen oder Mischklängen
anderer Instrumente.
Die Kieler Philharmoniker unter dem Dirigat ihres von ihnen ungeliebten Generalmusikdirektors Ulrich Windfuhr
bewerkstelligten diese Nahtstellen mit adäquater Hellhörigkeit. Ähnlich bezaubernd und unverstellt
neoromantisch fällt die Hommage à Carl Philipp Emanuel Bach aus das schwelgerische
Herzstück des Werks. Die Wirkung beider langsamer Sätze lebt nicht zuletzt vom hektischen Kontrast,
den die anderen drei bieten. Hier wäre sogar eine Steigerung des Effekts durch eine noch größere
Präzision im Tutti denkbar gewesen. So rasant die Philharmoniker den zweiten Satz, das Perpetuum
mobile, auch angingen, die vom Komponisten intendierte Jagdszene litt unter Unschärfe.
Vor allem aber fehlte dem Scherzo-Mittelsatz mit seinen koketten Dialogsplittern und seinem frech
das freitonale Werk unterlaufenden Schmonzetten-Schlussakkord noch jene Prise von hintersinnig-grimmigem Humor,
der den Komponisten und den Menschen Baur auszeichnet.
Seine Tücken birgt auch das Finale. Es ist gefährlich knapp, beinahe aphoristisch geraten, fordert
absolute Perfektion, um die Spannung, die sich im vierten Satz und erst recht in der überleitenden, von
Frauke Rottler-Viam wunderbar in ihrer Mehrstimmigkeit aufgefächerten Cadenza auf-gestaut hat,
wieder zu entladen.
Zu Beginn des Konzerts hatte Windfuhr ein saisonales Projekt zu Ende geführt, das im Publikum nicht wenig
Widerspruch herausgefordert, aber doch auch zu einem Abbau von Schwellenängsten geführt hat: Igor
Strawinsky wurde ein vorerst letztes Mal mit den Dances concertantes gedacht bevor Beethovens Fünfte
Symphonie op. 67 für viel Beifall sorgte.