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Ausgabe 2001/09
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nmz 2001/09 | Seite 52
50. Jahrgang | September
Dossier: Musikkritik

Conducto, ergo sum

Gerhard Rohde zum siebzigtsen Geburtstag

Wer ist Gerhard Rohde? Ein Chamäleon gewiß nicht; dafür ist „der Mann im grauen Anzug“ viel zu unexzentrisch, uneitel und unprätentiös. Aber ein Mensch in seinem Widerspruch, das ist er schon. Wer ihn lange kennt, der wird wissen, wie sehr extreme Vorlieben und Verhaltensweisen bei ihm zusammengehören. Dass er ein Faible für die Neue Musik hat, ist allgemein bekannt, ebenso aber ein Herz für die österreichisch-ungarische Operette. Bei fast jedem hieße es da fast automatisch: Das verträgt sich doch nicht miteinander. Rohde jedoch hält die Gegensätze lächelnd aus. Warum wohl? Weil er ein wahrer Kunstfreund ist, der das, was Qualität hat, ernsthaft und professionell, vor allem aber mit vernünftiger Überzeugung betrieben wird, sehr wohl gleichermaßen zu goutieren weiß.

   

Der Jubilar mit dem FAZ-Kollegen Gerhard R. Koch. Foto: Oswald

Schwer verständlich ist für manche auch noch eine andere Eigentümlichkeit: das Auseinanderklaffen von Reden und Schreiben. Hört man ihn, so möchte man mitunter meinen, nichts nehme er ernst, alles überziehe er mit zynischem Spott, ein destruktiver Geist sei und bleibe er nun einmal. Liest man ihn, dann fühlt man sich gelegentlich fast an Doktor Jekyll and Mister Hyde erinnert: Der allzeit despektierliche Flaps-Ton mutiert zu äußerster, gewissenhaftester Seriosität, Differenziertheit und perspektivenreicher Argumentation. Der im Gespräch so gerne alles niedermacht, ist in seinen Artikeln oft geradezu ein Ausbund an wohlabgewogener, im besten Sinne sachlicher Auseinandersetzung mit dem ästhetischen Gegenstand. Und wo er den Übermut der modernen Pfeffersäcke zu entdecken glaubt, sei es der Spar-Politiker, sei es der Eigen-Ruhm-Sponsor, da kann er zum regelrecht idealis-tisch engagierten Verfechter, ja potenziell: Rächer der Autonomie der Kunst werden.

Doch was wäre Gerhard Rohde ohne die für ihn wichtigste Erfindung seit der Zähmung des Feuers und der Entdeckung des Rades, ja der unvergleichlichen Kombination beider Menschheits-Errungenschaften: dem Auto. Ein Rohde ohne Auto ist so unvorstellbar wie ein alkoholfreier Schnaps – schlechterdings absurd. Man versuche sich zu imaginieren, wie Rohde einem ICE entsteigt, an Bord eines Schiffes geht, gar sich auf einen Flughafen verirrt – und sofort wird man schier erschrocken feststellen: Das geht ja gar nicht! Rohdes raison d‘être ist das Reisen auf Reifen. Zwischen Kopenhagen und Pesaro, Budapest und Brüssel schwirrt er hin und her, manchmal gleich einem Weber-Schiffchen.

Dass er noch nicht in den Opernhäusern von Lissabon oder gar Nowosibirsk gesichtet wurde, möchte man kaum glauben, denn da könnte er immerhin „on the road“ hinkommen. „Conducto, ergo sum“, ich fahre, also bin ich, ist sein Lebensmotto, seine Verwirklichung auch sein Lebenselixier. Und gespannt verfolgt man wo der Mensch im Auto gewordene Brummkreisel gerade umtreibt.

Um so verblüffender ist Rohdes Lieblings-Zitat, krassester Widerruf seiner Fahr-Leidenschaft. Es entstammt den „Pensées“ von Blaise Pascal: „so fand ich, dass alles Unglück der Menschen einem entstammt, nämlich, dass sie unfähig sind, in Ruhe in ihrem Zimmer zu bleiben.“ Wie will man Rohdes schier unstillbare Reiselust, ja Rastlosigkeit mit dieser Einsicht in Einklang bringen? Gleicht sein ständiges „on the road“-Sein nicht auch Doktor Kimbles Immer-auf-der-Flucht-Existenz? Eigentlich müsste man sich Sorgen um ihn machen. Dafür jedoch ist Rohde ein viel zu gewiefter Dialektiker, für den sich Stabilität und Mobilität alles andere als gegenseitig ausschließen.

Denn was haben Wohnung, Auto, Theater, Konzertsaal und Kneipe miteinander gemeinsam? Es sind Gehäuse des Ichs, Schalen, in denen man sich, wie auch immer in Zeit und Raum bewegt, aufhält. Die Entfernungen und Geschwindigkeiten, mit denen man von zu Hause Abstand nimmt, spielen denn auch für ihn gar keine Rolle. Denn, so oder so: Er ist immer bei sich.

Gerhard R. Koch

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