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nmz-archiv
nmz 2001/09 | Seite 53
50. Jahrgang | September
Dossier: Musikkritik
Ein Mensch, mit dem man schöne Zeiten verbringt
Hans Landesmann im Gespräch mit Karl Harb über Gerhard Rohde
Hans Landesmann, der Konzertreferent und Finanzdirektor der Salzburger Festspiele von 1992 bis 2001, hat Gerhard
Rohde als Mitherausgeber für den Konzertband der großen Erinnerungskasette Das Neue. Ungesagte
(Verlag Zsolnay, Wien) über die Salzburger Festspieldekade der Ära Mortier/Landesmann verpflichtet.
In dem Band versammelt Rohde Aufsätze unterschiedlicher Art, die die Konzertdramaturgie der Salzburger
Festspiele ideen- und facettenreich spiegeln nicht nur journalistisch, sondern auch essayistisch und
dichterisch mit Lese- und Denkstücken etwa von Wolfgang Rihm oder Elfriede Jelinek.
Ich habe Gerhard Rohde erst 1992 in meinem ersten Sommer in Salzburg kennen gelernt und es ist mir sofort
aufgefallen, dass er derjenige Rezensent gewesen ist, der die meisten Konzerte besucht hat, mit sehr viel Interesse
und einer genauen kritischen Beobachtung, und das hat bis zum heutigen Tag unvermindert angehalten, so dass
ich ihn schon vermisse, wenn er einmal nicht kommt. So erzählt Hans Landesmann im Gespräch von
seiner ersten Begegnung und der Entscheidung, Rohde mit der Mitherausgeberschaft des genannten Bandes zu betrauen.
Was schätzt Landesmann, der ja jahrzehntelange Erfahrung im Musikmanagement hat und ab 1. Oktober 2001
für das Musikprogramm der Wiener Festwochen verantwortlich sein wird, an der Feder Gerhard Rohdes? Ich
schätze erstens, dass er sehr gut schreibt. Ich habe es nämlich gerne, wenn Rezensionen auch ein Stück
Literatur sind. Zweitens schätze ich es, dass er nicht wie manche Kollegen mit bestimmten Vorurteilen in
Konzerte geht, sondern stets sehr offen ist. Er hat keine bestimmten Lieblinge, aber auch keine Feindbilder,
sondern er beurteilt jede Interpretation von Fall zu Fall. Und, drittens, hat Gerhard Rohde einen trockenen,
durchaus zum Sarkasmus neigenden Humor, einen schelmischen Ausdruck, der aber nie so weit geht, dass er jemanden
verletzen würde.
Die eigene Handschrift und die eigene Sichtweise ist für Landesmann beim Schreiber
Rohde hervorragend ausgeprägt. Er hat immer bei dieser Unmenge von Veranstaltungen, die wir in Salzburg
hatten, bestimmte Zusammenhänge und Absichten klar erkannt und schnell gesehen, was die verschiedenen Beweggründe
für Programmzusammenstellungen waren. Rohde war immer ein konstruktiver Gesprächspartner, der auch
klar und deutlich gesagt hat, wenn derartige Zusammenstellungen falsch oder kritisch einzuschätzen waren.
Die Kommunikation mit Gerhard Rohde fällt naturgemäß nicht schwer. Er ist
ja ein Mensch, mit dem man sehr schöne Zeiten verbringen kann, sehr vernünftig auch dahin gehend,
dass er nicht nur für die Arbeit lebt, sondern auch an einem schönen Lebensstil, an einem guten Essen
und gutem Trinken, interessiert ist, so bringt Hans Landesmann den Genussmenschen Rohde auf
den Begriff.
Dass Gerhard Rohde als Kulturjournalist aus einer alten Schule kommt, steht für Hans Landesmann,
der an einer guten Konzertkritik immer das Informative für den Leser höher einschätzt als eine
ausschließliche Fixierung auf Interpretation, außer Zweifel. Ich glaube, dass
es einen größeren Stellenwert für Kunstkritik im engeren Sinne nicht mehr wirklich geben wird,
geht Landesmann im Gespräch ins Grundsätzliche, dazu ist die Boulevardpresse heute schon allzu
mächtig. Ich glaube aber auch, dass die qualitative Aufgabe für die so genannte seriöse Presse
dadurch wieder wichtiger wird. Man sehnt sich nach fundierter Berichterstattung, nach kritischer Auseinandersetzung,
denn ,Kulturtratsch ist auf die Dauer nicht interessant. Deswegen haben Qualitätsmedien, so lange
es noch kulturinteressierte Menschen gibt und kulturell gottlob noch so viel los ist, eine unglaublich wichtige
Funktion.
Und was wünscht Hans Landesmann ganz persönlich Gerhard Rohde zum 70. Geburtstag? Dass er
ein eigenes Buch schreibt, nicht eine Versammlung seiner Aufsätze, sondern seine Gedanken und grundsätzlichen
ästhetischen Auffassungen zur Kunst- und Kulturvermittlung. Da muss er sich dann wahrscheinlich, mit seiner
Partnerin Charlotte Oswald, einmal in das Elsaß in Klausur begeben...