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nmz-archiv
nmz 2001/09 | Seite 29
50. Jahrgang | September
Deutscher
Tonkünstler Verband
Gläserner Festschmaus für die Ohren
Zu den zweiten Europäischen GlasMusikFestspielen
Bereits zum zweiten Mal fanden vom 18. Mai bis 10. Juni 2001 die Europäischen GlasMusikFestspiele statt.
Unter der Regie des Tourismusverbandes Ostbayern e.V. und zahlreicher Mitveranstalter, darunter auch der Deutsche
Tonkünstlerverband, wurden nicht nur Konzerte Glas fürs Ohr angeboten, sondern
auch Ausstellungen Glas fürs Auge, Glaskultur in Film, Bild und Lesung,
Glas macht Spaß, Der Gläserne Steig und eine Glasstraßen-Party.
Nach dem großen Erfolg der ersten beiden Festivals 1999 und 2001 soll nun alle zwei Jahre die Gelegenheit
angeboten werden, die außergewöhnlichen Klänge von Glasmusikinstrumenten jeweils unter
wechselnden Motti auch in der Region zu erleben.
Jean-Claude Chapuis inmitten seines gläsernen Instrumentariums. Foto:
Franz Hintermann
Das GlasMusikFestival ist kein Festival im herkömmlichen Sinne; hier dreht sich alles um die faszinierende
Materie Glas, für die die bayerisch-böhmische Grenzregion weltweit einen hervorragenden Ruf hat. Obwohl
die Glasmusik eine lange Tradition hat, gibt es weltweit nur wenige Musiker, die sich überwiegend mit diesen
seltenen und fragilen Instrumenten beschäftigen, sei es zu musikalischen Schöpfungen oder zur Wiederentdeckung
des Repertoires. Zu diesen Musikern gehört der Pariser Instrumentenkundler, Musiker und Komponist Jean-Claude
Chapuis, der zwei Konzerte des Festivals bestritt (siehe Foto).
Die Verwendung von Glasglocken ist in China bereits seit dem 13. Jahrhundert belegt. Im Abendland werden musikalische
Gläser seit dem 16. Jahrhundert in der profanen und religiösen Musik eingesetzt und im 19. Jahrhundert
begeisterte man sich für Musik, die mittels Reiben von Glas entsteht. Besonders Christoph Willibald Gluck
war ein Wegbereiter der Glasmusik und spielte das Séraphin oder Gläserspiel. 1761 erfand
Benjamin Franklin die Glasharmonika: Mozart, Pleyel, Galuppi, Haydn, Beethoven und andere komponierten für
dieses Instrument. Weitere Glasinstrumente aus dieser Zeit sind das Glasklavier von Beyer, das Euphon und der
Klavizylinder von Chaldni.
Die GlasMusikFestspiele haben sich zum Ziel gesetzt, all diese verschiedenen Traditionen aufzunehmen. Während
vor zwei Jahren ausschließlich Musik auf gläsernen Instrumenten im Rampenlicht stand, war in diesem
Jahr das Angebot erweitert worden: Da die Interessen in Sachen Glas und Festspiele so vielfältig sind wie
das Thema Glas selbst, wurden die GlasMusikFestspiele um die Punkte Glaskunst und Glasgeschichte der Region
in verschiedenen Ausstellungen erweitert. Frauenau, das gläserne Herz im Bayerischen Wald, feierte zwei
Tage lang mit Ausstellungen, Konzerten und Geselligkeit rund um die Glasöfen und das Glasmuseum die Eröffnung
der GlasMusikFestspiele.
Den glasmusikalischen Part des Wochenendes bestritt die Sinfonia di vetro mit weiteren Ensembles. Die Musiker
um Sascha Reckert können fast schon als gläserne Haus- und Hofkapelle der Glashütte
Eisch bezeichnet werden. In langjähriger Zusammenarbeit wurden verschiedene Instrumente geschaffen und
erfolgreiche Opern auf der Bühne der Ofenhalle inszeniert. Der Initiative von Sascha Reckert und der Aufgeschlossenheit
der Familie Eisch sind die GlasMusikFestspiele zu verdanken.
Einige wenige Höhepunkte der diesjährigen GlasMusikFestspiele seien erwähnt: das von Sascha
Reckert konzipierte und geleitete Literarische Kammerkonzert: Glasmusik und Poesie, die musikalische
Reise durch unterschiedliche Epochen und Kulturen der beiden Multi-Instrumentalisten Heinz Grobmeier
und Helmut C. Kaiser im Waldmuseum Zwiesel, das Konzert des Wiener Glasharmonika-Duos an den Glasöfen in
Zwiesel und Mauth, wo wiederum Musik und Literatur in einen heiter-besinnlichen, aber auch geheimnisvoll-nachdenklichen
Zusammenhang gebracht wurden. Einen besonderen Erfolg feierten die Musiker der Sinfonia di vetro mit ihrem Glaskonzert
für Kinder Babar der kleine Elefant, einer Bearbeitung der Musik von Poulenc für Klavier
und Glasinstrumente. Seinem Motto Hoher musikalischer Anspruch bei maximaler Spielfreude wurde das
Schott Werksorchester gerecht, eine mit rund 35 Musikerinnen und Musikern besetzte BigBand. Pura Crema
drei Weltenbummler in Sachen Musik brachten eine Fülle von Anregungen aus aller Welt ein; sie musizierten
unter anderem Glasdidgeridoo, Glasshaker, aufblasbare Glasdundunba, Glastrommeln, chromatisch gestimmtes Glasplattenspiel,
Glascaxixi, Glasklarinette, Glasröhrenspiel, Gurkenglasbongo, Glaschimes und viele weitere unerwartete
Instrumente und Klänge. Das Glasmusik-Ensemble Kassel führte ein in Gläserne Klangwelten,
ein musikalisches Gesamtkunstwerk von überraschend harmonischem und auch bei starker Rhythmisierung zumeist
meditativem Charakter.
Ausstellungen, Filme und Vorträge rundeten das bunte Programm zum Thema Glas ab, das in seiner ganzen
Fülle erschöpfend hier nicht dargestellt werden kann. Aber auch nach Abschluss der Zweiten GlasMusikFestspiele
bleiben zahlreiche Attraktionen dieser Landschaft um das Glas erhalten der Gläserne Steig etwa,
ein 99 Kilometer langer Wanderweg durch das Glasland mit seinen historischen Hüttenstandorten, und die
Glasstraße mit kostbaren und seltenen Glasobjekten, Museen, Galerien und Glashütten. Richtig zum
Klingen kommt das Glas dann wieder im Mai 2003 beim nächsten GlasMusikFestival.