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nmz-archiv
nmz 2001/09 | Seite 22
50. Jahrgang | September
Bücher
Poetisches Universum der Fantasie
Neues über Emanuel Schikaneders Leben und Werk
Anke Sonnek: Emanuel Schikaneder. Theaterprinzipal, Schauspieler und Stückeschreiber. Bärenreiter,
Kassel/ Basel/London/New York/Prag 1999, 445 Seiten (Schriftenreihe der Internationalen Stiftung Mozarteum,
Bd. 11).
Helmut Perl: Der Fall Zauberflöte. Mozarts Oper im Brennpunkt der Geschichte. Wissenschaftliche
Buchgesellschaft Darmstadt, Atlantis-Musikbuchverlag, Zürich, Mainz 2000, 200 Seiten.
Bezaubernd schön war nicht alles, was er auf die Bühne gebracht hat, doch ist Emanuel
Schikaneders Versen die vielleicht erfolgreichste Oper aller Zeiten zu verdanken: Als Dichter der Zauberflöte
und Ur-Papageno ist er zwar eine Wiener Legende, doch die Einzelheiten seines romantischen Lebens
sind kaum bekannt. Anke Sonneks Buch über Leben und Werk von Mozarts Librettisten sowie Helmut Perls Nachforschungen
zum Fall Zauberflöte erschließen nun ein detaillierteres Bild. Während
Perl den ideologischen Hintergrund der Zauberflöte rekonstruiert, dokumentiert Sonneks Doktorarbeit
Schikaneders Biografie: Zunächst wird die vormals strittige Annahme bekräftigt, wonach der Stückeschreiber
am 1. September 1751 im niederbayerischen Straubing das Licht der Welt erblickte. Schikaneder selbst bezeichnete
Regensburg als seine Heimatstadt. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Halbwaise dort eine intensive
musikalische Früherziehung genoss. Dass Schikaneders Karriere in Wien 1789 die unehrenhafte
Entlassung als Theaterdirektor am Hofe des Fürsten von Thurn und Taxis in Regensburg vorausgegangen war,
ist bekannt. Weniger geläufig ist dagegen, dass der Vogelfänger zuvor ein Domspatz
war. Auch der weitere Lebensweg ist lü-ckenlos belegt.
Sonneks Untersuchung besticht durch die systematische Auswertung historischer Quellen: zeitgenössische
Kritiken und Spielpläne, ein kommentiertes Werkverzeichnis sowie ein Katalog der nach zeitgenössischem
Urteil mal elend und mal triumphal aufgeführten Schau- und Singspiele verleihen
dem Band den Rang eines einzigartigen Kuriositätenverzeichnisses.
Der philosophische Gehalt der Zauberflöte jedoch, Fragen der Autorschaft, der ideologische
Einfluss der Freimaurerei und die Wirkungsgeschichte werden kaum erörtert.
Dies ist dagegen das Hauptinteresse von Perls Aufsehen erregendem Buch, in dem die Zauberflöte
als Bekenntnis zum Geheimorden der Illuminaten entschlüsselt wird. Perl hat auf dem Original-Bühnenbild
sogar den Versammlungsort des Ordens entdeckt. Inwiefern Schikaneders und Mozarts Märchenoper aber ein
über die Aufklärung hinausreichendes poetisches Universum der Fantasie erschlossen hat, lassen beide
Bücher einmal mehr offen.