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nmz-archiv
nmz 2001/10 | Seite 31
50. Jahrgang | Oktober
Bayerischer Kulturrat
Unverwechselbare Formensprache
150 Jahre Bayerischer Kunstgewerbe-Verein
Nicht auf 50 wie in der letzten Zeit viele Einrichtungen bundesrepublikanischer Vergangenheit
oder 100, nein, auf 150 Jahre seit seiner Gründung blickt der Bayerische Kunstgewerbe-Verein heute zurück.
Dieser freiwillige Zusammenschluss von Einzelmitgliedern hat zwei Weltkriege und vier unterschiedliche Systeme
überdauert, hat geistige und kulturelle Veränderungen und ungeahnte technische und wirtschaftliche
Entwicklungen miterlebt man denke etwa an die unvermutete Konkurrenz, der Handwerksbetriebe um die Mitte
des 19. Jahrhunderts durch die neue industrielle Fertigungsweise plötzlich ausgesetzt waren. Aber nicht
nur auf technische Neuerungen galt es zu reagieren.
In seiner bewegten Vergangenheit musste sich der Bayerische Kunstgewerbe-Verein immer wieder einen eigenen
Ort in dem Spannungsfeld zwischen traditionellen und neuen Strömungen innerhalb des Kunstgewerbes, des
Kunsthandwerks und der angewandten Kunst suchen; immer wieder galt es, Konflikte zwischen verschiedenen Geistes-
haltungen zu lösen und bei Generationsproblemen vermittelnde Wege zu suchen.
Heute hat der Bayerische Kunstgewerbe-Verein nach wie vor seinen Anteil am kulturellen Geschehen. Er zählt
zirka 400 Mitglieder aus den verschiedenen Gewerken Glas, Holz, Keramik, Papier, Schmuck oder Textil, deren
Arbeiten in der ständigen Verkaufsausstellung in der Pacellistraße präsentiert werden. Die 1992
gegründete Galerie für angewandte Kunst stellt Mitglieder und international anerkannte
Kunsthandwerker vor. Seit der Gründung fanden 62 Ausstellungen statt. Außerdem wird zweimal pro Jahr
ein Katalog vorgelegt, sodass die Schriftenreihe mittlerweile alle Tendenzen des gegenwärtigen internationalen
Kunsthandwerks widerspiegelt.
Seine satzungsgemäßen Aufgaben, die handwerkliche Kunst in Bayern zu fördern und
kunsthandwerkliche Erzeugnisse bekannt und zugänglich zu machen, erfüllt der Verein aber
nicht nur durch Ausstellung, Verkauf und Publikation, sondern auch durch die Organisation von Zusammenkünften
der Mitglieder zum Erfahrungsaustausch und durch die Interessenvertretung in verschiedenen Gremien auf Landes-
und Bundesebene.
Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums hat der Bayerische Kunstgewerbe-Verein ein reichhaltiges
Programm vorbereitet: Der fünfteilige Ausstellungszyklus zu den Themen Licht, Stühle,
Mikromegas, Rand Boden Wand Stand und Verpackung in der Galerie für
angewandte Kunst, Pacellistraße, wurde in früheren Ausgaben auf diesen Seiten schon mehrfach angesprochen.
Die bisher erschienenen Einzelkataloge werden abschließend zu einer Gesamtpublikation zusammengefasst.
Vom 5. Juli bis 5. August organisierte das Forum für Angewandte Kunst im Nürnberger Germanischen
Nationalmuseum die äußerst erfolgreiche Ausstellung nahtlos mit Nadel und Faden zur
Kunst.
Am 21. und 22. September 2001 fand das Symposium schön und gut Positionen des Gestaltens
seit 1850 als gemeinsame Veranstaltung des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins und des Zentralinstituts für
Kunstgeschichte (ZI) München im Siemens Forum statt. Das Symposium bot Gelegenheit, sich auch theoretisch
mit dem Thema Kunsthandwerk im Spannungsfeld zwischen industrieller Produktion, Design und freier Kunst auseinander
zu setzen. Näher beleuchtet wurden die wichtigsten Reformbewegungen im Kunstgewerbe in den vergangenen
150 Jahren und die Bedeutung, die dem Bayerischen Kunstgewerbe-Verein dabei zufiel. International renommierte
Wissenschaftler aus Universitäten und Museen erläuterten anhand von Fallbeispielen exemplarisch die
Entwicklung der angewandten Kunst, bemühten sich aber auch um einen Blick in die Zukunft und die Prognose
der Tendenzen von morgen.
Als weiterer Programmpunkt folgt vom 4. Oktober bis 10. November die Ausstellung Blickrichtung
Neue Arbeiten von Mitgliedern zum Jubiläum, die in den Galerieräumen in der Münchner Pacellistraße
zu sehen ist.
Zentrale Veranstaltung des Jubiläumsjahrs ist schließlich die Ausstellung schön und
gut 150 Jahre Bayerischer Kunstgewerbe-Verein vom 19. Oktober 2001 bis 27. Januar 2002 im Münchner
Stadtmuseum. Die Ausstellung ermöglicht einen Einblick in die Entwicklung des Kunsthandwerks von der Mitte
des 19. Jahrhunderts bis in unsere Zeit. Dabei werden Werke aus verschiedenen Epochen miteinander konfrontiert,
um auf spielerische Weise das Thema neu erfahrbar zu machen. Die Ausstellung soll verdeutlichen, dass in den
letzten Jahrzehnten das Kunsthandwerk zu einer eigenen Position mit unverwechselbarer Formensprache gefunden
hat. Längst steht angewandte Kunst gleichberechtigt neben Künsten wie Malerei oder Bildhauerei. Moderne
Kunsthandwerker arbeiten grenzüberschreitend; sie experimentieren innovativ mit ungewohnten Formen, Materialien
und Techniken und überschreiten in ihren Werken auch häufig die Trennlinien zwischen den verschiedenen
Gewerken.
Begleitend erscheinen zwei Publikationen: ,Form vollendet. Der Bayerische Kunstgewerbe-Verein
1851 bis 2001, herausgegeben von der HypoVereinsbank, und ,schön und gut. 150 Jahre Bayerischer
Kunstgewerbe-Verein München, herausgegeben vom Bayerischen Kunstgewerbe-Verein München. Konzeption
und Redaktion beider Bände lag bei Dr. Christoph Hölz, ZI. Die Veranstaltungen und Publikationen zeugen
eindringlich von einer kontinuierlichen und nach wie vor lebendigen Entwicklung: der Bayerische Kunstgewerbe-Verein
während 150 Jahre ein bedeutendes Forum für die angewandte Kunst.