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nmz-archiv
nmz 2001/10 | Seite 45-46
50. Jahrgang | Oktober
Dossier: Musik -
Neue Medien - Bildung
Das moderne Klassenzimmer: multimedial und motivierend
Computer im Musikunterricht, Reflexionen aus der Schulpraxis · Von Stefan Auerswald
Einen zeitgemäßen, ansprechenden Musikunterricht zu gestalten ist das Ziel engagierter Musikpädagogen.
Die Orientierung an Schülerinteressen stellt einen Weg dar, um es zu erreichen. Untersuchungen zum Mediengebrauch
verweisen auf eine hohe Akzeptanz und Motivation Jugendlicher im Umgang mit Computertechnik. Im Zeitalter von
Multimedia und vernetzten Computern scheint es daher verlockend, bei den Schülern Motivationen zur Auseinandersetzung
mit musischen Unterrichtsinhalten durch den Einsatz moderner Medientechnik zu schaffen.
Nicht immer gelingt jedoch in der Schulpraxis ein effektvoller und ergebnisreicher Einsatz, denn es gilt, zahlreiche
Hürden bei der Integration von Computern in den Musikunterricht zu überwinden. Oft ist deren Anzahl
so hoch, dass selbst interessierte und aufgeschlossene Lehrkräfte noch kapitulieren. Neben der technischen
Ausstattung stellen die persönliche Qualifikation im Umgang mit dem Computer, die Auswahl geeigneter Unterrichtsgegenstände
sowie medienspezifische methodische Kompetenzen wichtige Komponenten für einen erfolgreichen Medieneinsatz
dar. Geeignete Hilfestellungen erhalten die Lehrkräfte gegenwärtig nicht immer in ausreichender Weise.
Einer Vielzahl von Schulbüchern fehlt es an einfach zu handhabenden Unterrichtskonzepten ebenso wie an
didaktisch-methodisch aufbereiteter Software, die auf den Schuleinsatz abgestimmt ist. Die Verlagerung des Musikunterrichts
in den Informatik-Pool führt teilweise zu mehr Unruhe als zu effektiven Ergebnissen. Eine komplette Ausstattung
von Musikräumen mit Computern steht in Anbetracht einer punktuellen Nutzung sowie vielfältiger weiterer
Zentralaspekte, zum Beispiel gemeinsames Musizieren, Musik und Bewegung, kaum als realistisches Projekt zur
Debatte. Die Erstellung eigener Unterrichtsmaterialien weist häufig ein disproportionales Verhältnis
zu weiteren Verpflichtungen und Aufgabenfeldern des Lehrers auf. Kontrovers und oftmals emotional geführte
Erörterungen um den Einsatz von Computern im Musikunterricht verunsichern zusätzlich.
Trotz dieser aktuellen Schwierigkeiten kann zuversichtlich in die Zukunft geschaut werden. Fundierte Bestandsaufnahmen,
wissenschaftliche Untersuchungen sowie Erfahrungsberichte und Unterrichtskonzepte aus dem Schulalltag versuchen
bereits seit längerem, den vielfältigen Problemen entgegenzuwirken. So sind Fragen nach der Tauglichkeit
der neuen Medientechnik und deren Einsatzmöglichkeiten überwiegend geklärt und Perspektiven durch
eine retrospektive Betrachtung technischer Entwicklungen und deren Auswirkungen auf den Unterricht diskutiert
worden. Zunehmende Hilfestellungen für eine sinnvolle und gegenstandsbezogene Integration moderner Medientechnik
erhalten Musikpädagogen darüber hinaus durch Angebote im Rahmen der Lehrerfortbildung und durch verschiedene
Publikationen in der Fachpresse. Der Themenbereich Musik und Computer gehört inzwischen zu Teilqualifikationen
innerhalb der Lehrerausbildung, er ist verbindlicher Bestandteil von Rahmenrichtlinien. Auch die musikpädagogische
Forschung hat sich der offenen Forschungsfragen multimedialer Vermittlungsformen angenommen und thematisiert
sie mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen in einigen Abständen immer wieder neu, wie der diesjährige
Kongress des Arbeitskreises für Musikpädagogische Forschung (AMPF) in Regensburg zu dem Thema MULTIMEDIA
als Gegenstand musikpädagogischer Forschung belegt.
Ein Blick auf die aktuelle Forschungslage offenbart: Die Potenzen eines Computereinsatzes im Musikunterricht
sind vielfältig. Einzelne Studien zeigen neue Interaktionsmöglichkeiten im Musikunterricht auf und
verweisen auf daraus resultierende alternative Formen und Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung. Durch
den Medieneinsatz entstehen für Schüler umfangreichere Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Musik
als bisher. Mit einer praxisorientierten Anwendung von Computerprogrammen lassen sich Motivationen für
die Auseinandersetzung mit musiktheoretischen Sachverhalten schaffen. Die Schüler sind im Freizeitbereich
erreichbar.
Die Lehrkraft wird durch den Einsatz von Trainingssoftware (etwa Gehörbildung oder Notenlesen) entlastet
und der Lernprozess für die Schüler individualisiert. Neue Formen der Informationsgewinnung und -verarbeitung
lassen sich durch das Internet im Unterricht einbinden, Medienkompetenzen werden ausgebildet. Das methodische
Repertoire des Lehrers erweitert sich. Ein erfolgreicher und motivierender Musikunterricht mit Computern wird
jedoch nur dann erreicht, wenn auch die besonderen methodischen Anforderungen Beachtung finden. Entsprechende
Fragestellungen werden gegenwärtig noch ungenügend reflektiert. Methodische Handreichungen, die eine
effektive Planung, Durchführung und Reflexion eines computerunterstützten Musikunterrichts ermöglichen,
sind rar.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Schulbuchverlage einerseits die gewonnenen Forschungserkenntnisse
zur inhaltlichen Neugestaltung ihrer Unterrichtswerke nutzen, der Lehrkraft aber methodische Anregungen für
einen effektiven, handlungsorientierten Einsatz nur partiell aufgezeigt werden. Häufig fehlt es noch an
einer angepassten, zweckmäßigen Sammlung von Software für den Unterrichtseinsatz.
Das Lehrbuch RONDO 9/10 des Mildenberg-Verlags fällt daher besonders positiv auf. Der Verlag
hat es geschafft, sein Lehrwerk zeitgemäß mit einer CD-ROM auszustatten, deren Einsatz didaktisch-methodisch
auf die Inhalte des Lehrbuchs abgestimmt ist. Die Anzahl der anfangs aufgezeigten Probleme eines Computereinsatzes
im Musikunterricht wird dadurch deutlich reduziert und die Integration des Computers spürbar erleichtert.
Der Datenträger enthält neben einem Notations-Sequenzerprogramm verschiedene Lernprogramme, einen
Karaoke-Player, einen Bild-Sythesizer, der Grafiken in Klänge umwandelt, einen Software-Drumcomputer, ein
Arrangerprogramm, mit dem sich Liedbegleitungen erstellen lassen, sowie Software zur Bearbeitung von Klangdateien
und ein Musiklexikon. In dem ausführlich gestalteten Kapitel Musik machen mit dem Computer
werden Programmfunktionen erläutert und mit interessanten Praxisaufgaben verbunden.
Darüber hinaus erhalten die Schüler konkrete Anregungen und Hilfestellungen zur Informationsbeschaffung
aus dem Internet. Von der Homepage des Verlags können unter anderem MIDI-Dateien als Begleitungen für
einzelne Lieder heruntergeladen werden. Die enthaltenen Lernprogramme ermöglichen den Schülern ein
individuelles Training im Bereich Musiktheorie außerhalb der Schule. Der Funktionsumfang einzelner Programme
ist so reduziert, dass ein schneller, intuitiver Umgang mit ihnen möglich ist. Bemerkenswert erscheint
die enge Verknüpfung der Computerprogramme mit weiteren Kapiteln des Schulbuches. In zahlreichen Abschnitten
werden hier die Schüler dazu angeregt und angeleitet, die Programme der CD-ROM gegenstandsbezogen und kreativ
einzusetzen. Es erscheint wünschenswert, dass dieses innovative Konzept zum Standard moderner Fachbücher
wird. Auf diese Weise ließen sich die zahlreichen didaktischen Potenzen des Computers zügiger für
den Musikunterricht erschließen und auf geeignete Weise medienbezogene Schülerinteressen mit musikspezifischen
Unterrichtsinhalten verbinden. Ein motivierender multimedialer Musikunterricht könnte so zur selbstverständlichen
Realität für jeden Musikpädagogen werden.
Für interessierte Lehrkräfte hält die kommende Bundesschulmusikwoche in Halle/Saale etliche
Veranstaltungen bereit, die einen Eindruck über die aktuellen Entwicklungen vermitteln und in denen neue,
praxisorientierte Unterrichtskonzepte präsentiert werden.