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nmz-archiv
nmz 2001/10 | Seite 13
50. Jahrgang | Oktober
Initiative
Konzerte für Kinder
Die Pop-Konkurrenz hat es immer gegeben
Fredrik Vahle und Rolf Zuckowski im Gespräch über das Kinderlied
Fredrik Vahle und Rolf Zuckowski prägen zusammen mit anderen das neue deutsche Kinderlied
seit mehr als zwei Jahrzehnten. Kennen gelernt haben die beiden sich aber erst vor drei Jahren beim ersten Kinderlied-Kongress
1998. Für die neue musikzeitung sprachen Stephan von Löwis und Michael Zuchold in Hamburg mit ihnen
über den anstehenden zweiten Kongress, über die Bedeutung des Kinderlieds und über die Übermacht
des Pop in den Kinderzimmern.
nmz: Was hat Sie beim ersten Kinderlied-Kongress besonders motiviert, was hat Sie begeistert?
Fredrik Vahle: Für mich war das Beeindruckende, dass so etwas wie der Kongress überhaupt
möglich war. Obwohl viele schon seit 20 Jahren und mehr dabei sind, hat es vorher keine Treffen und keinen
Austausch über die unterschiedlichen Szenen hinweg gegeben. Daraus hat sich viel entwickelt. Einige Nachfolgefestivals
haben stattgefunden, bei denen Kinderliedermacher zusammengearbeitet haben, die vorher keine Verbindung hatten
wofür ganz eindeutig Hamburg der Auslöser war. Manche Festivals sind durch den Kongress überhaupt
erst entstanden: Marburg, Kiel, Nürnberg, Berlin. Insofern hat der erste Kongress eine sehr breite Wirkung
gehabt.
nmz: Ist diese Wirkung angesichts der neuen Konkurrenz der Pop-Industrie nicht zu vernachlässigen?
Rolf Zuckowski: Die Konkurrenz hat sich nur verschärft; gegeben hat es sie immer. Wenn ich meine
Pop-Konkurrenz aufzählen wollte, würde ich bei Es steht ein Pferd auf dem Flur und Nenas
99 Luftballons anfangen. Allerdings hat Pop-Musik heute andere Mittel zur Verfügung: Videokanäle
und unglaubliche Marketing-Konzepte stehen dahinter. So etwas wie bei den No Angels zum Beispiel
hat es früher nicht gegeben; das ist eine nie dagewesene Marketing-Power. Sich dagegen zu behaupten ist
natürlich immer schwieriger.
nmz: Ist es unmöglich?
Zuckowski: Nein, es ist eher auch reizvoll. Die Musik a la No Angels hat kaum Berührungspunkte
mit dem, was Kinder in ihrer geistigen und seelischen Entwicklung brauchen. Da können wir Kinderliedermacher
Alternativen bieten. Wir können Musik geben, die wir echt fühlen, die kindliche Inhalte hat und
ergänzt, was Kinder und Eltern sonst übers Radio und auf den Musikkanälen mitbekommen. Das
sind wir den Kindern auch schuldig. Sonst würden wir aufgeben gegenüber einer Macht, die durchaus
viel Reizvolles bietet, die aber das Kind als solches nicht berücksichtigt. Diese Art von Musik kommt
nicht von der Lebenswelt des Kindes her, sondern von der Erfolgsdenke. Und zwar bedingungslos.
nmz: Wie führen Sie bei ihren Konzerten Kinder an die Musik heran, wie wird Musik für Kinder
dort erlebbar?
Vahle: Indem ich ganz vorne anfange: bei der Bewegung. Das wird auch Thema meines Workshops beim
Kongress sein, wie ich von der Bewegung zur Musik komme, von Tönen zum Singen und dann schließlich
zur Sprache, auch zur literarischen und poetischen. Ich denke, dass da Impulse aus anderen Lebenskulturen
eine Rolle spielen können, zum Beispiel aus dem Tai Chi und aus dem afrikanischen Tanz. Oft fehlt Kindern
der Zugang zum eigenen Körper als Medium der Musik. Dabei können sie Musik über den eigenen
Körper lernen. Bei meinen Konzerten versuche ich immer, einen atmosphärischen Raum zu schaffen,
in dem das möglich ist. In dem Kinder mal stampfen können oder laut Geräusche von sich geben
und so einen Bezug zu ihrer Stimme bekommen, und zum Rhythmus.
Zuckowski: Dieser atmosphärische Raum entsteht oft überraschend schnell. Bei mir spüre
ich ihn am stärksten, wenn der Saal singt, wenn ich mit Kindern und Eltern von Melodien getragen werde.
Man spürt, wie das Singen Menschen erfüllen kann, auch die Eltern. Sie fühlen, was ich als
Vater gemeint habe, als ich ein Lied geschrieben habe. Und ganz wichtig ist mir, dass die Kinder mir auf meinen
Konzerten wirklich begegnen, dass sie mich als Mensch kennen lernen, nicht nur als Medienfigur aus dem Fernsehen
oder von der CD. Dass sie auch nach dem Konzert mit mir reden können.
Stephan von Löwis / Michael Zuchold
Fredrik Vahle und Rolf Zuckowski gehören zu den Dozenten des 2. Kinderlied-Kongresses. Er findet vom
8. bis 11. November 2001 in der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg statt und will in Workshops, Seminaren,
Foren und Konzerten Liedermacher, Theatermusiker, Chorleiter, Medienvertreter sowie Mitarbeiter von Tonträgerfirmen
und Verlagen zusammenführen. Informationen und Anmeldeunterlagen gibt es bei: KinderKinder e.V., Holsteinischer
Kamp 104, 22081 Hamburg, Tel. 040/29 99 11 37, Fax 040/29 99 11 38,