[an error occurred while processing this directive]
nmz-archiv
nmz 2001/10 | Seite 6
50. Jahrgang | Oktober
Musikwirtschaft
Klanginsel im digitalen Meer: die Mehrkanal-Wiedergabe
Die Zukunft der DVD vor dem Hintergrund der Internationalen Funkausstellung 2001 · Von Diether Steppuhn
Die IFA in Berlin hat bestätigt, dass sich in der Elektronikbranche viel tut. Aber auch wenn Alles
wird digital! laut durch den Äther schallt, so hilft dem echten Musikenthusiasten der Großteil
des neuen Schnickschnacks noch nicht allzu viel.
Digitales Radio, digitales Fernsehen vieles davon ist noch umstritten, das meiste steckt noch in den
Anfängen und alles ist sehr teuer. Auch MHP, die Multimedia Home Platform, die den Fernseher
zum allumfassenden Monitor für alle TV- und PC-Technik im ganzen Haus machen soll, kann das sattsam bekannte
Alltagsproblem nicht lösen, wenn nämlich das einzige Badezimmer des Hauses dauernd von einem Familienmitglied
besetzt ist: wer darf wann und wie lange?
Wie auch immer, dem Klassikfreund bietet sich bereits ein Fixpunkt im wogenden Meer der Neuerungsbestrebungen
an: die inzwischen fest etablierte und überzeugende Mehrkanal-Musik mit laufenden Bildern
als Film auf dem Monitor oder dem Fernseher mit Surround-Sound oder ohne Bilder als klanglich bisher nicht erreichter
Musikgenuss aus sechs Lautsprechern. Möglich machts die DVD (Digital Versatile Disc), die nach allen
Voraussagen die CD ablösen wird, was Gottseidank nicht heißt, dass man seine oft mühsam erworbene
Sammlung in den Müll werfen muss; denn alle einigermaßen ordentlichen neuen DVD-Abspielgeräte
sind nach unten kompatibel, spielen also auch alle bisherigen CDs ab.
Immer noch streiten zwei Wiedergabe-Formate der neuen Silberscheibe um die Vorherrschaft im Musikgenuss, die
DVD-Audio und die Super Audio Compact Disc (SACD). Die Hersteller mit den großen Namen bei SACD
Sony und Philips, bei DVD-Audio die meisten anderen kämpfen um den Markt, die Fronten wogen hin
und her. Seit einiger Zeit hat das DVD-Audio-Format die Nase vorn; SACD versucht aufzuholen.
Der neue Mehrkanalklang im DVD-Audio-Format, im Januar 2001 zum ersten Mal vorgestellt, erobert mehr und mehr
den Markt. Die Werbung hat den Trend erkannt und will auf der neuen Woge mitschwimmen: allenthalben werden neue
Musik-DVDs ob als Opern- oder als Konzertmitschnitt angeboten, aber Vorsicht ist geboten: meist
handelt es sich um ältere Zweikanal-, also Stereoaufnahmen, die auf die neue Silberscheibe gepresst und
mit der Bezeichnung DVD angeboten werden. An wirklich echten Mehrkanalaufnahmen, eigens für
das neue Medium hergestellt, gibt es als SACD in Europa derzeit nur rund 30 Silberscheiben davon nicht
einmal die Hälfte aus dem E-Musik-Bereich , an echten Mehrkanal-Audio-DVDs dagegen innerhalb
von neun Monaten bereits 75 und das Angebot wächst zusehends.
Kampf der Formate
Der Streit zwischen den Formaten wird sich natürlich fortsetzen, aber dem Musikfreund kann er egal sein,
weil ihm endlich auch zu erschwinglichem Preis Abspielgeräte angeboten werden, die beide Formate
DVD-V/A wie SACD wiedergeben können, was bisher nicht der Fall war: der normale DVD-Player kann
keine SACD abspielen und umgekehrt. Pioneer etwa hat vor einiger Zeit schon einen Universalplayer DV-AX 10 auf
den Markt gebracht, der beides kann; weil aber das Gerät für 12.000 Mark kein Renner zu werden versprach,
gibt es nun von derselben Firma ein neues und mit rund 3.000 Mark erschwingliches Gerät, den Universal-Spieler
DV-747A für DVD-Audio/Video und SACD.
Wichtig ist auch, dass sich der Musikfreund nicht irritieren lässt durch die große Zahl von Kürzeln,
die sich um die neuen Silberscheiben ranken und mit denen die Werbung Eindruck machen will: SACD und DVD-Audio
sowie DVD-Video wurden schon genannt; dann hört man von DVD-ROM, DVD-R, DVD-RAM oder DVD-RW alles
schon bekannt von der CD, die auch alle diese Beifügungen erhielt. Denn hinter den Buchstaben verbergen
sich nur bestimmte Eigenschaften der alten und der neuen Scheiben: DVD-Video legt, wie gesagt, Wert auf viel
Sichtbares und vernachlässigt den Höranteil; DVD-Audio ignoriert den Filmanteil und widmet alle Ressourcen
der Scheibe dem reinen Klangerlebnis. Die anderen Abkürzungen bezeichnen das Talent der Scheibe, entweder
nur fest eingebrannte Musik zu speichern (DVD-ROM) oder als zunächst leere Scheibe sich
einmalig (DVD-R) oder nach Löschvorgang erneut (DVD-RAM oder DVD-RW) Musik einbrennen
zu lassen. Je nach Umfang des Angebots an Speichertechnik Anzahl der bespielten Seiten und der Informationsebenen
(Layers genannt) ergeben sich Spielzeiten zwischen zwei und acht Stunden; die längeren Zeiten bedeuten
allerdings Einschränkungen in der Klangqualität.
Was folgt aus all dem? Der Klassikfreund braucht zunächst zu seinen bisherigen beiden Stereolautsprechern
noch vier weitere, auch wenn das vielleicht den häuslichen Frieden gefährdet. Sie müssen nicht
groß sein; zwei davon stehen im Raum verteilt rechts und links den Stereoboxen gegenüber (das gabs
schon einmal beim Quadro-Sound der 70er-Jahre, der sich nicht durchsetzen konnte), dazu kommen noch ein Mittenlautsprecher
zwischen den vorderen Stereoboxen und ein irgendwo unauffällig untergebrachter Subwoofer für
Knalleffekte im Filmsound. Derartige Surroundsound-Anlagen sind seit längerem der Renner des
Handels, weil sich die bespielte Video-DVD gegenüber den bisherigen VHS-Videokassetten immer mehr durchsetzt:
sie bietet nicht nur längere Laufzeiten und bessere Bildqualität, sondern vor allem den im Cinemaxx-Kino
gewohnten Raumklang, wofür das Format-Kürzel 5.1 steht: Fünf Lautsprecher und eine Effektbox.
In vielen Haushalten haben schon die Kinder für den Aufbau einer Mehrlautsprecher-Anlage gesorgt. Und es
ist absehbar, dass aus denselben Gründen auch die weit verbreiteten VHS-Videorecorder bald durch DVD-Recorder
ersetzt werden.
Dann braucht man einen Verstärker, der alle Kanäle vom Abspielgerät bis zu den Lautsprechern
in der richtigen Weise weiterleitet. Es muss nicht Denons fast 8.000 Mark teurer Verstärker-Bolide AVC-A1SE
sein; denn selbst Denon bietet etwa mit dem Receiver AVR-3802 für etwa 2.500 Mark schon, was dem Normalnutzer
genügt.
Neue Klanggüte
Die DVD-Audio macht sich die Technik dieser Lautsprecherausrüstung zu Nutze und bringt Musik über
bis zu sechs Lautsprecher in bisher nicht gekannter Klanggüte zu Ohren: Musik aus mehr als zwei Lautsprechern
bringt eine neue Hörerfahrung. Wird der Musikklang mehrkanalig aufgenommen und weitergegeben, dann hört
man die ganze Weite und die Atmosphäre des Aufnahmeraums wie noch nie zuvor. Die Aufnahmetechnik bannt
die Musik in besonders feiner digitaler Auflösung auf die Scheibe man hört es sofort. Und es
sind wieder einmal die kleineren Labels, die sich mit der neuen Audio-DVD hervortun und zur Freude des Musikfreunds
dabei in Ausnutzung der Mehrkanalmöglichkeiten auch klanglich sogar unterschiedliche Wege gehen: TACET
etwa mit seinem Real-Surround-Sound, der den Hörer mitten ins Instrumentalensemble setzt (mehr unter www.
tacet. de) oder MDG und inzwischen auch DIVOX mit seinem neuen 2+2+2-Format (siehe
hierzu nmz 02/2001, Seite 17), das einen wirklich überwältigenden Raumklang zaubert, wovon sich vor
kurzem sowohl auf der High-End-Messe in Gravenbruch (siehe nmz 09/2001, Seite 20) als auch jetzt auf der IFA
immer mehr Interessenten vergewissern konnten, die ihren Ohren nicht trauen wollten (mehr dazu unter www.mdg.de).
MDG wurde eingeladen, den neuen Raumklang im Oktober auf HiFi-Messen in Italien, in den Beneluxstaaten und an
anderen Orten vorzuführen.
Die Industrie hat die neuen Audio-Möglichkeiten erkannt und verspricht sich einen neuen Markt. Es werden
immer mehr hochwertige Abspielgeräte angeboten, welche die anspruchsvoll echten Musik-DVDs
und, wie wir sahen, als Kombiplayer auch alle anderen möglichen Formate vollendet abspielen
können: Solche hochwertigen DVD-Audio-Spieler sind nötig, weil die meisten bisherigen DVD-Videoabspielgeräte
die echte Audio-DVD nicht verkraften. Die Industrie arbeitet mit Nachdruck daran, solche DVD-A-Player
preiswerter anzubieten: bei Denon etwa will man dem DVD-3300 für zirka 3.000 Mark mit dem DVD-1600 bald
einen halb so teuren Bruder an die Seite stellen.
Wer sich ein Bild machen will, was die DVD-Audio an neuen Erlebnissen vermittelt, greife am besten zur gerade
erschienenen MDG-Sampler-Audio-DVD (# 906 1069-5: Breakthrough ... into a new Dimension) mit fast
150 (!) Minuten Spielzeit: sie enthält 15 Ausschnitte neuester Produktionen und dazu sogar noch 30 Test-Signal-Tracks
zur Überprüfung der Lautsprecher-Aufstellung, der Anschlüsse und der Geräteeinstellung für
Mehrkanalwiedergaben. Auf einem DVD-A-tauglichen Player abgespielt, kann man gewohnte Zweikanal-Stereotechnik,
dann Surroundsound 5.1, wie er DVD-Video begleitet, oder den neuen MDG-2+2+2-Raumklang hören.