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nmz-archiv
nmz 2001/10 | Seite 36
50. Jahrgang | Oktober
Jazz, Rock, Pop
Die ungeahnten Varianten von La Paloma
Das SommerMusikFest auf dem Mosenberg mit Konzerten und Workshops
Als der in Folklore- und Weltmusikkreisen bekannte Harfenist Rüdiger Oppermann 1989 zum ersten SommerMusikFest
in die Jugendherberge Mosenberg bei Homberg/Efze einlud, stand ein kalifornisches Musik-Camp Pate, bei dem diverse
Größen unterschiedlichster Folklore-Stile ein Fest feiern und dabei für (zahlende) Gäste
Workshops anbieten. So gab es auch dieses Jahr wieder alternative Musikvermittlung, unkonventionellen Unterricht,
Austausch über unterschiedlichste Grenzen hinweg, und jede Menge Musik, Tanz und Spaß.
Vom 28. Juli bis 5. August fand das Fest auf dem Mosenberg zum dreizehnten Male statt, und das Mekka der deutschen
und benachbarten Folklore-Insider hat längst Tradition und organisatorische Routine, doch von Ermüdungserscheinungen
kann keine Rede sein.
Es ist schwer, Außenstehenden einen Eindruck zu vermitteln eigentlich muss man dabei gewesen sein.
Deutsche Folklore? besser: Volksmusik, die gibt es, handgemachte Musik, die sich an heimischen und anderen Traditionen
orientiert und sich deutlich von der Volkstümelei aus dem Fernsehen absetzt. Von den Massenmedien weitestgehend
unbemerkt existiert ein zu großen Teilen professioneller Kreis von Musikern, die das Selbstgestrickte
des anglo-amerikanisch dominierten Folk-Revivals hinter sich gelassen haben und mit Akkordeon, Dudelsack, Harfe
oder Drehleier (um nur einige Instrumente zu nennen) virtuos umgehen.
Dazu hat der Mosenberg Wesentliches beigetragen. Täglich gab es an die 75 Workshops in festen Räumen
oder Zelten, unter denen die Teilnehmer bis zur Kapazitätsgrenze wählen konnten. Viele Workshops gaben
gegen Ende des Festes Darbietungen wie Klezmer-Band, Jazz-BigBand, Chor und so weiter. Während etwa für
Renaissance-Musik oder Jazz Profis im akademischen Sinn zuständig waren, wurde beispielsweise
irisches Fiddle-Spiel oder amerikanische Old-Time-Musik von Leuten unterrichtet, die es selbst durch Vorspielen
und Nachmachen gelernt haben und es meist ebenso weitergeben. Noten sind hierbei oft nicht mehr als eine Gedächtnisstütze.
Die Workshopleiter haben inzwischen jahrelang Erfahrung gesammelt und lernen ständig hinzu.
Konzert im indischen Zelt: Rüdiger Oppermann. Foto: Wieland Ulrichs
Es ist müßig, hier Namen aufzuzählen; zum Teil waren komplette Gruppen angereist, die ihre
Spezialitäten anboten, so aus Ungarn, dem Baskenland und der Schweiz. Sie hielten Workshops und spielten
bei den zahlreichen Konzerten oder abends zum Tanz. Zahlreiche Perkussiongruppen sorgten für soliden Geräuschpegel,
der für zwei Stunden Mittagspause abnahm. Trotz des ständigen Gewusels von gut 400 Leuten herrschte
eine freundliche und friedliche Du-Atmosphäre kreativer, spaßiger und auch ulkiger Aktivitäten.
Bei allem Spaß wurde richtig gute Arbeit geleistet, wie die Abschlusskonzerte der meisten Workshops demonstrierten.
Die große Bandbreite ist ein wichtiger Aspekt; viele stil- und grenzübergreifende Sessions lösten
neue Projekte aus, die im weitesten Sinne zu Weltmusik zu zählen sind. Ein Höhepunkt dabei war das
Konzert, bei dem La Paloma in ungeahnten Varianten strapaziert wurde: per Dudelsack, Harfe und immer
wieder anders bis hin zum mongolischen Obertongesang praktisch ohne große Probe. Nachhaltig in Erinnerung
bleibt auch ein Fußtheater (!) für einen Fuß (mit Perücke und Pappnase) und zwei Hände,
die gar noch Akkordeon
spielten.
Diese Veranstaltung ist kinderfreundlich mit Babysittern, Kindergarten, Kinder-Workshops et cetera, längst
ist die zweite Generation aktiv. Die Teenager trommeln indisch oder üben Harfe, gehen zum Chor oder tanzen
Tango und wurden diesmal mit dem Auftritt einer Funk-Band belohnt.