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nmz-archiv
nmz 2001/10 | Seite 22
50. Jahrgang | Oktober
Bücher
Bekkers Blick
Pariser Feuilletons 19341936
Andreas Eichhorn (Hrsg.): Geist unter dem Pferdeschwanz Paul Bekkers Feuilletons aus dem Pariser
Tageblatt, Pfau-Verlag, Saarbrücken (Reihe Verdrängte Musik, Sonderband 1)
Für einen kritischen Blick auf deutsche Politik und Kultur scheint sich Paris von jeher geeignet zu haben.
Heinrich Heines Konzert- und Opernkritiken für die Augsburger Allgemeine Zeitung sind noch
heute Pflichtlektüre. Dies trifft in gleichem Maße auf die Feuilletons von Paul Bekker zu, die dieser
in den Jahren 1934 bis 1936 fürs Pariser Tageblatt, der einzigen im Exil gegründeten Zeitung
der deutschen Opposition gegen Hitler, schrieb. Dass sie jetzt in einer ausgezeichnet edierten Ausgabe in der
Schriftenreihe Verdrängte Musik des Pfau-Verlags auftauchen, ist erfreulich, aber auch erschreckend.
Tatsächlich ist dieser unerschrockene Chronist des deutschen Musiklebens in der Zeit der Machtübernahme
durch den Nationalsozialismus heute weitgehend vergessen. Das ist umso unbegreiflicher, wenn man liest, mit
welch analytischem Blick Bekker erkannte, wie die nationalsozialistische Kulturpolitik begann, aus dem international
geprägten Musikleben in Deutschland in rasender Geschwindigkeit eine deutschtümelnde Provinz zu machen.
Bekker sprach bereits vieles aus, das heute erst langsam wieder ins Bewusstsein von Musikern und Zuhörern
dringt: Was er über Zeitgenossen wie Schönberg, Strauss, Schreker oder Pfitzner sagt, ist heute noch
aktuell. Wie sein Vorgänger Heine war auch Bekker nicht nur an ästhetischen, sondern auch
an handfesten kulturpolitischen Fragen interessiert. Neben 54 Feuilletons von Bekker erschließen eine
ausführliche Vita, zahlreiche Anmerkungen, eine Auswahlbibliografie sowie das Personenregister einen wichtigen
Abschnitt deutscher Musikhistorie.