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nmz-archiv
nmz 2001/10 | Seite 22
50. Jahrgang | Oktober
Bücher
Johanna im Hammerklavier
Sammelarbeit: Lexikon Programmusik
Klaus
Schneider: Lexikon Programmusik, Band 2: Figuren und Personen; Bärenreiter-Verlag, Kassel 2000
Nach dem ersten Band, der nach programmatischen Sachbereichen geordnet war, ist nun der zweite Band von Klaus
Schneiders Programmusik-Lexikon erschienen, der Instrumentalmusik erfasst, die sich um Figuren und Personen
dreht. Hier kann also der Interessierte beziehungsweise Informationsbedürftige (z.B. Programmgestalter)
nachschlagen, welche Musik Schneider ausfindig machen konnte, die sich auf eine tatsächliche oder fiktive
Person aus Geschichte und Mythos bezieht. Dabei reiht Schneider Musik über eine Person oder ein Werk von
ihr ebenso unterschiedslos aneinander wie Belegtes und Spekulatives, so beispielsweise unter dem Stichwort Jeanne
dArc die Schauspielmusik von Gounod, die Ouvertüre zur Oper Giovanna dArco
von Verdi (nicht aber die Oper selbst; wo bleiben dann aber, bei Hofmannsthal, die Walzerfolgen und Suite aus
Strauss Rosenkavalier?), aber auch Beethovens Hammerklavier-Sonate, da Arnold
Schering sie einst als musikalische Umsetzung von Schillers Schauspiel gedeutet hatte. Hingegen finden wir natürlich
nicht Arthur Honeggers Oratorium, denn Textvertonungen sind hier nicht ausschlaggebend. Dass ein solch ambitioniertes
Unternehmen keineswegs fehlerfrei zu leisten ist, versteht sich von selbst. So heißt die erste Symphonie
des Mexikaners Carlos Chávez eben nicht Sinfonia de Antigone, sondern Sinfonia de Antigona
ein Werk, das laut Chávez eine Symphonie ist, kein symphonisches Gedicht, was heißt,
dass die Musik keinem Programm untergeordnet ist. Es kommen lediglich die grundlegendsten Materialien (aus Chávez
Schauspielmusik zu Cocteaus Drama, welche eigentlich in diesen Band gehört hätte) in der Partitur
zum Einsatz. Derlei halbwegs Korrektes findet sich natürlich häufiger. Gravierende Fehler habe
ich bei Stichproben nicht entdeckt, dafür umso mehr Fehlendes. Mancher Mangel gibt natürlich Aufschluss
über die Arbeitsmethoden des Autors. So dürften ihm in vielen Fällen Verlagskataloge bei der
Suche ausgereicht haben, wo Werkverzeichnisse Vollständigkeit garantiert hätten, etwa bei Felix Draeseke,
von dem die bei Kistner verlegten Tondichtungen Penthesilea und Das Leben ein Traum
genannt sind, nicht jedoch die ungedruckt gebliebene Der Traum ein Leben nach Grillparzer (aus gleichem
Grund fehlte schon im ersten Band das symphonische Tongemälde Thuner See). Ungleich ärgerlicher
ist es, wenn bei García Lorca die zahlreichen hiervon inspirierten, wichtigen Werke von Simon Holt (und
auch George Crumb) fehlen, und Adolf Wölfli mit seinem Hauptvertoner Per Nørgård nicht zu
finden ist, oder das große Carl von Linné-Tonpoem für Vocalise-Chor und Orchester Canto
del vagabondo von Anders Eliasson keinen Eingang fand. Natürlich kann man mit so einer Sammelarbeit
niemals jedermanns Ansprüche befriedigen, aber ein breiteres Berater-Netzwerk wäre ausgeglichenerem
Gelingen förderlich gewesen. Trotzdem: für den, der es zu nutzen weiß, ein brauchbares Werk.