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nmz-archiv
nmz 2001/11 | Seite 14
50. Jahrgang | November
Deutscher Kulturrat
Bundeskulturpolitik auf der Zielgeraden
Ein Jahr vor der Bundestagswahl: ein Resümee · Von Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz
Gut ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl befindet sich derzeit die Bundeskulturpolitik auf der Zielgeraden.
Bundesregierung und Regierungskoalition konnten einige der Vorhaben, die sie sich für diese Legislaturperiode
vorgenommen hatten, bereits umsetzen. Fast schon selbstverständlich ist die Einrichtung des Ausschusses
für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags sowie die Einsetzung eines Staatsministers beim Bundeskanzler
als Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien.
Mit Blick auf den Gesetzgebungsprozess ist an die Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes, die
im Frühjahr 2001 abgeschlossen wurde, zu denken sowie die Reform des Stiftungssteuerrechts, die zum Januar
2000 wirksam wurde.
Noch aus steht die zweite Stufe der Stiftungsrechtsreform. Bundesregierung und Regierungskoalition haben beide
deutlich gemacht, dass sie in dieser Legislaturperiode eine umfassende Reform des Stiftungsrechts anstreben.
Ohne eine Reform des Stiftungszivilrechts bliebe diese Stiftungsrechtsreform ein Torso. Die im letzten Jahr
vom Bundesministerium der Justiz eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Stiftungszivilrechts
muss nun ihre Ergebnisse vorlegen, damit die Reform angegangen werden kann. Betrachtet man die Stiftungsrechtsdiskussion
in den Ländern dürfte die Reform nicht schwer fallen. Erst zum September dieses Jahres hat Bayern
sein Stiftungsrecht reformiert. Viele Forderungen, die von Verbandsseite in die Stiftungsrechtsreformdebatte
eingebracht wurden, wurden in diesem Gesetz aufgenommen und umgesetzt. Wenn das Land, welches die Kulturhoheit
am offensivsten in Deutschland vertritt, den Reformkurs aufnimmt, dürften die anderen wohl auch zu überzeugen
sein, dass die Reform des Stiftungszivilrechts Impulse für die Errichtung von Stiftungen setzen kann und
ihre Hoheit nicht angetastet wird. Hier sollten Bundesregierung und Parlament zum Spurt ansetzen und auf der
noch verbleibenden Strecke bis zum Bundestagswahlkampf 2002 die Reform verabschieden. Es wäre ein positives
Signal für die Durchsetzungsfähigkeit der neu geschaffenen parlamentarischen und administrativen Kulturstrukturen;
wurde doch die notwendige Reform des Stiftungszivil- und des Stiftungssteuerrechts immer wieder als Argument
vorgebracht, als es im Bundestagswahlkampf 1998 darum ging, neue kulturpolitische Zuständigkeiten auf der
Bundesebene einzufordern.
Der Deutsche Kulturrat, der Bundesverband Deutscher Stiftungen und der Deutsche Städte- und Gemeindebund
haben in einer gemeinsamen Erklärung Reform des Stiftungsprivatrechts zügig umsetzen!
(nachzulesnen unter: www.kulturrat.de/aktuell/Stellungnahme/Stiftungsprivatrecht.htm)
das Erfordernis der Stiftungsrechtsreform umrissen und die notwendigen Reformschritte aufgeführt.
Thema Ausländersteuer
Als neues Thema wurde in dieser Legislaturperiode die Reform der beschränkten Steuerpflicht ausländischer
Künstlerinnen und Künstler, die so genannte Ausländersteuer, angestoßen. Nachdem im Jahr
1996 der Steuersatz für die so genannte Ausländersteuer von 15 Prozent des Umsatzes auf 25 Prozent
angehoben wurde, war in den letzten Jahren ein deutlicher Rückgang an Auftritten ausländischer Künstlerinnen
und Künstler in Deutschland festzustellen. Staatsminis-ter Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin sprach in
einem Gespräch mit dem Sprecherrat des Deutschen Kulturrates von einem Rückgang von Auftritten ausländischer
Künstlerinnen und Künstler in Deutschland um 30 Prozent. Dieser Rückgang hat zur Folge, dass
auch weniger deutsche Künstler in das Ausland eingeladen werden.
Der Kulturaustausch insgesamt leidet darunter. Der Deutsche Kulturrat hat in einer Resolution konkrete Vorschläge
zur Reform der Ausländersteuer unterbreitet (nachzulesen unter: www.kulturrat.de/themen/auslaendersteuer-reform.htm).
Die Reform sollte zwei Aspekten Rechnung tragen. Zum einen sollte das gesamte Verfahren dadurch vereinfacht
werden, dass ein angemessener Freibetrag pro Künstler eingeführt wird.
Dieser Freibetrag, der entweder pro Auftritt oder wie der Deutsche Kulturrat vorgeschlagen hat, pro Jahr gelten
soll, soll dazu dienen, dass bei geringen Gagen keine Steuer abgeführt werden muss und damit Veranstalter
sowie Künstlerinnen und Künstler entlastet werden. Hierdurch würde besonders der so genannte
kleine Kulturaustausch gefördert werden, der vielfach durch ehrenamtliche Organisationen getragen
wird. Darüber hinaus muss die Bemessungsgrundlage für die so genannte Ausländersteuer geändert
werden. Bislang wird davon ausgegangen, dass Künstlerinnen und Künstler, die vorübergehend in
Deutschland auftreten, von ihrem Umsatz 50 Prozent Kosten haben. Die restlichen 50 Prozent verbleiben, so wird
angenommen, als Gewinn. Diese Annahme ist nicht richtig. Aktuelles Datenmaterial aus den Niederlanden belegt,
dass im Durchschnitt von 75 Prozent Kosten und damit 25 Prozent Gewinn ausgegangen werden muss. Diese Zahlen
sind auf Deutschland übertragbar.
Konkret bedeutet das, dass der Steuersatz bei der beschränkten Steuerpflicht der realen Kostenstruktur
angepasst werden muss. Bei den bisherigen Gesprächen zeigte sich das Finanzministerium bislang hartleibig.
Eine Reform noch in dieser Legislaturperiode wird vom Bundesfinanzministerium offensichtlich nicht mehr angestrebt.
Es entsteht der Eindruck, dass das Vorhaben auf die lange Bank geschoben werden soll. Außerdem wird das
Argument angeführt, dass auch die Länder zustimmen müssen. Also auch hier wird wieder das alte
Schwarzer-Peter-Spiel ausgepackt. Die Länder schieben die Verantwortung dem Bund zu, der Bund
schiebt sie an die Länder weiter. So kann das Spiel bis zur Unendlichkeit fortgeführt werden. Der
Kulturausschuss des Deutschen Bundestags und der Staatsminister für Kultur und Medien müssen nun zeigen,
dass sie es ernst nehmen mit der kulturpolitischen Kompetenz des Bundes in Hinblick auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen.
Thema Urhebervertragsrecht
Ein drittes Vorhaben, das noch ansteht, ist das Gesetzesvorhaben Urhebervertragsrecht der Bundesjustizministerin
Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin. Die Bundesjustizministerin hatte bereits vor der Wahl angekündigt,
dass sie sich des Themas Urheberrecht und Urhebervertragsrecht annehmen wird, sollte die SPD die Wahl gewinnen.
Im Juni 2001 wurde der Gesetzesentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung der
Urheber und ausübenden Künstler in den Deutschen Bundestag eingebracht.
Bereits bevor der Gesetzesentwurf in das Parlament eingebracht worden war, fand anhand des so genannten Professorenentwurfs
der Urheberrechtsexperten Prof. Dr. Dietz, Prof. Dr. Loewenheim, Prof. Dr. Nordemann, Prof. Dr. Schricker und
Prof. Dr. Vogel eine rege und sehr kontroverse Diskussion statt. Bei keinem kulturpolitischen Thema waren die
Differenzen in dieser Legislaturperiode so groß wie mit Blick auf das Urhebervertragsrecht. Geradezu unversöhnlich
prallen die Meinungen aufeinander. Bei der gemeinsamen Anhörung des Rechtsausschusses und des Ausschusses
für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags am 15. Oktober des Jahres wurde deutlich, dass es nur schwer
sein wird, einen Kompromiss zu finden.
Zu scharf war der Ton mit dem die Argumente ausgetauscht wurden. Wurde von Seiten der Verwerter der drohende
Untergang des Kultur- und Medienstandorts Deutschlands beschworen, konterten die Urheber mit Hungerlöhnen,
mit denen sie von Verwerterseite abgespeist werden. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Gesetzesvorhaben, das in
originärer Zuständigkeit des Bundes liegt, noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden wird.
Thema Bundeskulturstiftung
Als offenes Thema steht ferner noch die Bundeskulturstiftung im Raum. Wird der Traum von Willy Brandt, Günter
Grass und anderen, eine Bundeskulturstiftung oder Nationalstiftung zu errichten, umgesetzt oder wird der Bund
sich dem Einspruch der Länder ergeben. Die Gründung der Bundeskulturstiftung wäre ein deutliches
Signal dafür, dass der Bund seine Verantwortung für Kultur und Kulturpolitik auch finanziell übernehmen
will. Für das erste Jahr (2002) hat der ansonsten nicht so freigebige Bundesfinanzminister 25 Millionen
Mark als Zuschuss zur Verfügung gestellt. Auch wenn es wünschenswerter gewesen wäre, wäre
gleich eine echte Stiftung mit einer vernünftigen Finanzausstattung errichtet worden, so kann man doch
hier sagen: Besser den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach.
Die Finanznot der Länder und Gemeinden lassen kulturelle Experimente kaum mehr zu. Die individuelle Künstlerinnen-
und Künstlerförderung muss immer mehr Federn lassen, da die Mittel für den Erhalt der Institutionen
benötigt werden. Die Bundeskulturstiftung, ausgestattet mit unterschiedlichen flexiblen Instrumenten zur
Förderung des kulturellen Lebens, kann Impulse setzen und wichtige Aufgaben in der Kulturförderung
aller Sparten übernehmen.
Jetzt wird sich zeigen, ob die Bundeskulturpolitik erfolgreich die Zielgerade passieren wird. Von diesem Ergebnis
wird auch abhängen, wie die Strukturen in der nächsten Legislaturperiode aussehen werden. Wird es
bei den bestehenden Verantwortlichkeiten bleiben oder wird es vielleicht einen Minister für Kultur plus
X auf der Bundesebene geben?
Kultur und Kulturpolitik haben bislang in dieser Legislaturperiode an Bedeutung gewonnen. Diese Stärke
sollte die Abgeordneten und den Staatsminister auch über die Zielgerade hinaustragen und ihnen helfen,
die noch ausstehenden Vorhaben zu verwirklichen.