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nmz 2001/11 | Seite 51-52
50. Jahrgang | November
Dossier: Popmusik
Träume nicht abtrainieren, sondern realisieren
Ausschnitte aus der 45. taktlos-Sendung zum Thema Popmusikförderung im September 2001
Öffentliche Gelder für Industriemusik? Subventionen für anerkannte Trommelfell-Killer? Soll
der Nachwuchs im so genannten Popularmusikbereich gefördert werden? Darüber haben sich in der 45.
taktlos-Sendung des Bayerischen Rundfunks und der neuen musikzeitung Judith Krawczyk (Musikerinnen-Initiative
rocksie!), Dirk Hewig (Bayerisches Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst), Jens
Klopp (John Lennon Talent Award) und Bernd Schweinar (Bayerischer Rockintendant) mit dem Moderator Theo Geißler
unterhalten.
Theo Geißler: Es klingt ja so ein bisschen nach Nasenchirurgie... Popularmusikförderung.
Von der Musikerinnen-Initiative rocksie! aus Dortmund kommt Judith Krawczyk. Frauen haben es in
der Rockmusik ja bekanntlich besonders leicht, Frau Krawczyk, die schlafen sich durch 42 Produzenten-Betten
und dann werden sie Stars. Warum gründen Sie da noch eine Musikerinnen-Initiative?
Judith Krawczyk: Einer der Gründe ist eben, dass so viele Männer noch davon träumen,
dass es für immer so bleiben wird...
Geißler: Bernd Schweinar ist Bayerischer Rockintendant, und ein bisschen klingt das ja so, als
hätten sich die Rolling Stones einen Dirigenten zugelegt. Bernd Schweinar, was bringt so ein Etikett?
Bernd Schweinar: Es bringt vor allem dann etwas, wenn man das ohnehin sehr wenige Geld vernünftig
einsetzt, und das bedeutet, in Infrastrukturen zu investieren.
Geißler: Dirk Hewig ist Ministerialrat im Bayerischen Kunstministerium. Was bewegt Ihr Ministerium,
sich um die Popularmusik zu kümmern?
Dirk Hewig: Peter Maffay, Herbert Grönemeyer und so fort sind bei uns schon auch präsent.
Wir wollen aber nicht diese erfolgreichen Popmusiker fördern, sondern wir wollen die Musik an der Basis
stärken, das heißt Amateurmusikern unter die Arme greifen, damit sie überhaupt erst einmal
von der Industrie entdeckt werden und in den Profibereich vorstoßen können.
Geißler: Wir haben lange nach einem echten Pop-Sponsor gesucht, der in Bayern keinen Neid erweckt.
Hoch im Norden, irgendwo hinter den Dünen liegt Itzehoe, dort gibt es eine gleichnamige Versicherung
die versichert, glaube ich, Strandkörbe gegen Gletscherbruch... und sie leistet sich den John Lennon
Talent Award, einen Band-Wettbewerb. Warum, Jens Klopp?
Jens Klopp: Nicht weil es zu wenig Wettbewerbe gibt, sondern weil zu wenig in diesen Wettbewerben,
die es gibt, auf die Bedürfnisse der Musiker eingegangen wird kreative Spielräume zu schaffen
und die Lücke zu füllen zwischen Übungsräumen und dem großen, erhofften Major-Deal.
Bei uns wird nämlich sehr viel gemacht, was das so genannte Coaching betrifft.
Geißler: Ton Steine Scherben, die haben es damals geschafft; vielleicht macht das
ja auch die Stärke einer Gruppe aus, wenn sie es aus sich selber schafft. Weshalb braucht die Szene eine
Förderung, Bernd Schweinar? Hat sich da grundsätzlich etwas geändert?
Schweinar: Auch Rio Reiser hat Jahre später ja nicht mehr mit dem Klingelbeutel hinterm Dom
gestanden, sondern er hat genauso gut dieses Musik-Business verinnerlicht, ist zum König von Deutschland
avanciert und hat sicherlich auch eine ganze Menge an Geld verdient, was er mit den Ton, Steine, Scherben
damals ohne jetzt musikhistorisch abzutauchen in die Häuser-Szene gesteckt hatte.
Geißler: Aber die Szene hat sich verändert, sie ist härter geworden. Ist es deshalb
vielleicht notwendig, dass man sich um den Nachwuchs, um die jungen Künstler kümmert?
Schweinar: Nehmen wir einmal Phänomene wie Zlatko, da wird einfach die schnelle Mark gemacht.
Das wird meines Erachtens aber auch und diese Meinung teile ich mit vielen Leuten in der Branche
irgendwann als Bumerang wieder auf die Industrie zurückkommen.
... Judith Krawczyk und Bernd Schweinar. Fotos: Martin Hufner
Geißler: Aber es gelingt ja der Industrie inzwischen sogar, einen Hit aus der Retorte zu zaubern.
Das hätte man sich noch vor 20 Jahren überhaupt nicht vorstellen können, dass man einfach eine
Gruppe von jungen Menschen gerade eben junge Mädels zusammenholt, die auf eine Bühne
stellt, sie coacht, trainiert, und schon wird ein Hit draus. Frau Krawczyk?
Krawczyk: Ich denke, wir müssten erst einmal definieren, wo Förderung beginnt. Für
mich beginnt sie sicherlich nicht bei den No Angels, sondern ganz unten, da wo ein 12-/13-jähriges
Mädel sagt, sie möchte jetzt gerne mal HipHop machen oder sie möchte die Chance haben, Schlagzeug
zu spielen. Da fange ich an mit meiner Förderung; das heißt ich versuche, einen Raum bereitzustellen,
ein Instrument und eben nach Möglichkeit auch noch eine gute Dozentin.
Hewig: Hier setzt auch das Ministerium an: Wir wollen junge Leute fördern, damit sie Musik machen
können. Die Musik ist für die jungen Leute wichtig, für ihre Persönlichkeitsentfaltung,
für die Sozialisation, aber sie ist nicht nur Instrument für etwas wir wollen die Rock- und
Popmusikförderung nicht instrumentalisieren sie ist ein wichtiger Musikstil unseres Jahrhunderts,
den wir wie andere Musikstile auch fördern wollen. Es braucht nicht jeder Jugendliche berühmt zu
werden, ins Geschäft zu kommen und später ein Album herauszugeben, das große Auflagen hat...
Die Musik als solche hat für die Jugendlichen schon einen Wert.
Industrie-Standards
Geißler: Es lässt sich aber wohl nicht wegdiskutieren, dass die Industrie Standards setzt,
dass sie Vorbilder schafft, dass sie Idole herstellt...
Klopp: Wenn man Musik macht, eifert man immer Idolen nach. Aber die No Angels sind ein
Marketing-Konzept, das auch mit Popkultur zu tun hat. Ansonsten ist wenn man über Förderung
reden will in zwei Bereichen noch ganz Wichtiges zu beackern. Das eine ist: welche kreativen Potenziale
stecken in der Musik? Was bedeutet Popkultur für unsere Gesellschaft als Spiegelbild der Politik,
der Demokratie überhaupt oder als Spielwiese, würde ich mal sagen das ist ein Bereich, der
ganz, ganz wichtig ist. Da hat die Popkultur bisher mit diesen ganzen schrägen Dingen Großartiges
geleistet, die sicherlich auch mit Marketing-Konzepten unters Volk gebracht werden. Und das andere ist eben:
Jeder, der den Beruf Musiker ergreifen möchte, muss auch eine Möglichkeit bekommen, sich zu qualifizieren.
Viele Wege führen zum Ruhm, aber ganz wenige Wege sind so bestückt, dass man Hilfestellung, Beratung,
Consulting oder Coaching bekommt. Die Pfade zum professionellen Musiker sind immer
noch steinig; und da würde ich aber immer streng trennen, zwischen dem, was Popkultur und Kreativität
ausmacht zum einen und zum anderen, was berufliche Dinge angeht.
Geißler: Aber ich denke mal, der Spagat ist riesig: auf der einen Seite hat man die Schulband,
deren Mitglieder mit zehn, zwölf Jahren anfangen, richtig loszulegen. Die brauchen doch wahrscheinlich
eine ganz andere Form von Coaching als eine Band, die auf dem Weg in die Professionalität ist.
Was macht da zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Mu-sikinitiativen (ABMI), Bernd Schweinar?
Schweinar: Einfach Know-how transferieren. Man muss den Leuten Informationen anbieten. Man kann keinem
weiterhelfen hinsichtlich seiner Stilistik da wollen wir uns auch gar nicht einmischen. Wir wollen
nicht sagen, das ist jetzt was, wo wir fördern müssen, das dürfen wir nicht fördern. Das
wäre eine Geschichte, die schlecht ausgehen würde. Das ist auch nicht zu leisten, weil sich diese
ganzen Zyklen jetzt immer schneller wiederholen 14-tägig, dreiwöchig und da setzen
wir einfach an, dass wir sagen...
Geißler: Du meinst jetzt stilistische Zyklen?
Schweinar: Ja, stilistische Zyklen, Trends, wie es so schön heißt da kann man nicht
eingreifen. Ein Geiger, der eine klassische Ausbildung hat, hat eigentlich seinen Weg vorgezeichnet. Die Mitglieder
einer einer Schülerband von heute müssen mit 15 an die Öffentlichkeit. Sie kennen keine Verträge,
sie müssen sich mit Clubbesitzern und der Presse auseinander setzen... Hier muss einfach Beratung, Know-how-Transfer
ansetzen, und das versuchen wir mit Workshops, mit Qualifizierungen in verschiedenen Bereichen.
Schule
Geißler: Warum tut da eigentlich die Schule nichts? Warum übernehmen die Lehrer nicht diese
Rolle, weder als Vorbilder noch als Ratgeber?
Hewig: Also, die Lehrer tun schon etwas. Wir bemühen uns an Universitäten und an Hochschulen,
dass die Schulmusikerausbildung auch die Popmusik miteinbezieht. Wir haben in Würzburg einen qualifizierten
Schulmusiker berufen, der ein hochkarätiger Kenner im Bereich der Pop- und Rockmusik ist. Wir versuchen,
dass die Musiklehrer mit Pop in Berührung kommen, dass sie Kenntnisse haben, dass sie mit den Schülern
umgehen, dass sie ihnen etwas beibringen können. Wir bemühen uns auch, dass die Musikschullehrer
sich hier besser einbringen. Doch die staatliche Förderung bezieht beides ein, auch die Laienmusiker,
die gar nicht in den professionellen Bereich wollen. Beide Bereiche müssen Gegenstand unserer Förderung
sein.
Geißler: Frau Krawczyk, was gibt es denn für Besonderheiten bei Rockbands, die ausschließlich
oder weitgehend von Frauen besetzt sind, in diesem Nachwuchsbereich? Gibt es da wirklich etwas, was die Gründung
einer ganzen Organisation rechtfertigen würde?
Krawczyk: Es gibt viele Mädchen zwischen 12 und 14, die eben nicht den No Angels
nacheifern, sondern wirklich Schlagzeug oder Bassgitarre lernen wollen. Bestehende Strukturen das muss
ich einfach so sagen schließen aber oft gerade Mädchen aus. Das ist der Punkt, an dem die
rocksie!-Arbeit ansetzt. Wir wollen einen Raum schaffen, in dem sie erst einmal ganz unbehindert
Sachen ausprobieren können.
Geißler: Wie sieht das beim Talent Award aus, Jens Klopp, wird da auch eine Frauen-Nische geschaffen,
frage ich mal provozierend?
Klopp: Das Entscheidende am John Lennon Talent Award ist, dass wir über den Wettbewerb Bands
kennen lernen, die semiprofessionell arbeiten, die in einer bestimmten Entwicklungsphase sind, in der sie
Begleitung brauchen. Wir versuchen ihnen zu helfen, sich klar zu werden, wohin sie wollen. Es haben sich auch
schon Bands aufgelöst während des John Lennon Talent Awards, weil wir gemeinsam feststellen konnten:
es reicht dafür, als Local hero zu arbeiten aber nicht für die große Profi-Karriere.
Und daran beteiligt sich niemand, auch nicht die, die damit Geld verdienen wollen, also die Tonträgerindustrie.
Programme aus
dem Ministerium
Geißler: Setzen wir doch einmal bei den Clubs an. Sie brechen ja wahrscheinlich weg, weil zu wenig
Geld reinkommt über die Musik, die da gemacht wird oder weil sie eben nicht gefördert werden. Gibts
da Programme aus Ihrem Ministerium, Herr Hewig?
Hewig: Also, es gibt Existenzförderdarlehen, aber nur für professionelle Musiker. Die Förderung
vor Ort, die Förderung der Clubs, die Bereitstellung von Übungsräumen, von Equipment, das ist
nicht Sache des Landes, sondern der Region, der Gemeinde. Da müssen die Gemeinden aktiviert werden, die
Landkreise, die Bezirke, hier Mittel zur Verfügung zu stellen. Und wir drängen auch die Kommunen,
aktiv zu werden. Der Staat, das Land kann nur tätig werden für landesweite Aktivitäten: das
sind Qualifizierungsprogramme, das sind zum Beispiel Rockbüros Nord, Süd in Bayern, das ist ein
zentrales Publikationsorgan... Ich könnte mir vorstellen, dass Staat und Kommunen gemeinsam ein Programm
vorlegen, um Auftrittsmöglichkeiten zu schaffen für junge Bands.
Geißler: Das könnte so eine Art Raiffeisenkasse oder ein Maschinenkombinat oder
so etwas in der Richtung sein?
Hewig: Da müssten der Staat, die Kommunen und die private Wirtschaft auch mithelfen, das wäre
wichtig, damit wir gemeinsam so ein Programm starten könnten.
Geißler: Ist das etwas, wo die Itzehoer Versicherung mitmacht, die ja in der Landwirtschaft eine
große Tradition vorzuweisen hat, Jens Klopp?
Klopp: ...ja, den Traktor vielleicht... Aber das Zusammenwirken ist das Entscheidende. Ich finde,
dass die Verantwortlichkeiten gesehen werden müssen, wo der Staat für Basisförderung sorgen
muss und wo das, was privatwirtschaftlich mit dazugegeben wird. Letzteres wird aber immer mit Situationen
zusammenhängen und kurzfristig sein; das werden nie Investitionen sein in Infrastrukturen, außer
dass man vielleicht durch Veranstaltungen versucht, die Aktiven in der Infrastruktur zusammenzuhalten.
Geißler: Nordrhein-Westfalen soll ja gebenedeit sein, was die Förderung neumodischer Medien
betrifft. Wie siehts denn aus, Frau Krawczyk, ist da das Wirtschaftsministerium, gesponsert vielleicht
von Dieter Gorny, besonders weit vorne?
Krawczyk: Also unsere Infrastrukturen sind leider Gottes auch noch nicht so, wie es vielleicht wünschenswert
wäre. Was gefördert wird, ist über Pop und Musik NRW eben landesweite Beratung, Coaching,
Consulting, diese ganze Schiene...
Coaching
Geißler: Wir müssen vielleicht nochmal, weil bei uns nicht nur Pop-Freaks zuhören, kurz
erklären, was ist eigentlich Coaching?
Klopp: Eigentlich bedeutet das so viel wie Training. Der Ausdruck kommt aus dem Sport, da werden die
Trainer ja auch nicht mehr Trainer, sondern Coaches genannt... also eben für eine längere Zeit die
Möglichkeit haben, fachlich Beratung zu erhalten.
Geißler: Ja, aber was wird da beraten? Ich meine, ich kann mir vorstellen, wenn ich jung bin,
wild und wüst bin und im Grunde genommen machen will, was ich mag, dann juckt mich das herzlich wenig,
was mir irgend so ein Trainer erzählen möchte...
Klopp: Zum John Lennon Talent Award kommen die jungen Leute ja freiwillig. Und wir sagen von vornherein,
dass der Preis das Coaching ist. Unsere Gewinner werden über ein Jahr lang von Profis betreut und beraten.
Geißler: Aber wo wäre dann die Schmerzgrenze für diese Art von Training?
Schweinar: Das Coaching muss da ansetzen: für 99 Prozent aller Bands bleibt es auf Dauer immer
ein schönes Hobby, das muss man ganz klar sagen. Es gibt nur ganz, ganz wenige, die den Schritt in die
Profiliga schaffen können, auch mit entsprechenden Veränderungen, die die Industrie dann für
diesen jeweiligen Markt vermutlich über den Produzenten versucht einzubringen. Die Spreu vom Weizen zu
trennen, das ist auch unsere Aufgabe. Umgekehrt muss man aber auch sagen, auch für solche, die keinen
Produzenten haben, kann es tolle Nischen geben, wo sie sich aktiv und kreativ ausleben können.
Geißler: Aber Träume und Visionen sind doch, denke ich mal, gerade sozusagen die Grundsubstanz
einer guten, saftigen, lebendigen Popmusik. Frau Krawczyk, wie weit kann man sich so etwas an- oder abtrainieren?
Krawczyk: Uns geht es bei rocksie! nicht darum, Träume abzutrainieren. Wir möchten
Frauen unterstützen, die einfach oft sehr spezifische Probleme haben. Zum Beispiel ist es nun einmal
leider so, dass diese Frauen oft einen gebrochenen Lebenslauf haben. Und da die Kontakte zu schaffen, dass
Musikerinnen weiter Musik machen können, dass sie von einer Agentur gut vertreten werden, Kontakte bekommen
zum Management, vielleicht auch zu einem guten Plattenlabel, darin sehe ich eher unsere Schwerpunkte. Und
nicht darin, zu einer Band zu sagen: Ihr müsst euch jetzt so und so schminken, damit ihr erfolgreich
seid.
Netzwerke
Geißler: Welche politischen Rahmenbedingungen wünschen sich denn solche Rockmusikverbände
wie ABMI oder rocksie!. Seid ihr zufrieden mit dem, was ihr von den Ministerien bekommt?
Schweinar: Prinzipiell wünschen wir uns natürlich, dass es mehr Netzwerkkunden gäbe,
wie jetzt hier bei uns in Bayern Dirk Metzger. Vorbilder sind in dieser Hinsicht zum Beispiel auch die Rockstiftung
Baden-Württemberg, rocksie! in Nordrhein-Westfalen oder das Musikzentrum Hannover in Niedersachsen.
Krawczyk: Da muss ich jetzt einhaken, weil rocksie! zum Beispiel das Problem hat, dass
es ein Projekt ist mit allen Vor- und Nachteilen der Projektförderung. Das heißt, wir wissen am
Ende des Jahres nie genau, ob es weitergeht und wie es weitergeht. Und das funktioniert im Grunde genommen
nur über ganz viel ehrenamtliches Engagement. Wünschenswert wäre, zum Beispiel für rocksie,
eine Förderung, die langfristiger angelegt wäre.
Geißler: Die fürchten die Ministerien ja inzwischen wie die Pest. Ich weiß gar nicht
warum, Herr Hewig...?
Hewig: Wir machen in Bayern keine Projektförderung, sondern eine institutionelle Förderung.
Wir geben die vorhandenen Mittel an die Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Musikinitiativen (ABMI) weiter. Die
Arbeitsgemeinschaft legt uns einen Antrag vor, sagt uns, wofür sie das Geld ausgeben will und wenn wir
das akzeptieren können, bekommt sie dieses Geld und setzt es nach ihren Vorstellungen ein. Das scheint
mir der richtige Weg zu sein. Es gibt auch den anderen Weg Niedersachsen zum Beispiel hat den beschritten
, dort wurde ein Strukturprogramm vorgelegt und ein Rockbeauftragter beim Niedersächsischen Musikrat
eingesetzt; das heißt das Land strukturiert und gestaltet die Popularszene mit. Das machen wir nicht,
wir überlassen die Gestaltung der Popularszene den Leuten vor Ort.
Vorbild Ausland?
Geißler: Trotzdem, so ein bisschen Unzufriedenheit klang ja von den Vertretern der Verbände
schon durch. Wie siehts denn im Ausland aus, herrscht da eine ähnliche Dürre, was Popförderung
betrifft oder gibts da ganz andere Beispiele?
Schweinar: Die Niederlande etwa bekommen eine Jahresförderung von 2,5 bis 3 Millionen Gulden.
Wenn man das auf Bundesebene mit Deutschland vergleicht: Deutschland hat, glaube ich, für diese beiden
nationalen Verbände gerade mal um die 300.000 Mark übrig was natürlich auch in einer
ganz anderen Dimension zu sehen ist, das rückt das Verhältnis ein bisschen zurecht. Und auch in
Bayern wird nicht immer so kurzfristig geplant... also meine Stelle ist gesichert, ist klar... aber ansonsten
ist man in Deutschland tatsächlich hauptsächlich an diese Projektförderung gebunden, und das
ist leider die Crux bei dieser Geschichte. Holland, ums mal so zu sagen, hat immer die Möglichkeit,
Vier- bis Fünf-Jahrespläne vorzulegen, das heißt die haben dort eine Planungssicherheit für
diese Zeit und können dann auch Projekte wie CDs mit Newcomern verwirklichen, können Aktionen ins
Leben rufen und die jungen Leute an die Szene, an die Musikbranche, an die Industrie und den Werbemarkt heranführen.
Aber wenn ich jeden 31. Dezember nicht weiß, ob ich zum 1. Januar nochmal Gehalt zahlen kann, dann gehts
nicht wir haben zum Beispiel auch Mitarbeiter, die hochkompetent sind und in der Zwischenzeit auch
mal wieder Taxi fahren müssen...
Geißler: Aber, Herr Hewig, ist das nicht eine riesige Ressourcen-Vergeudung? Da sind Mitarbeiter,
die sind kompetent, die haben sich über die Jahre etwas beigebracht und kennen die Szene... und dann müssen
sie wieder raus, weil so eine Projektförderung nicht mehr greift?
Hewig: Wir bemühen uns, auch Anschlussförderung bereitzustellen; das ist im Moment aber
außerordentlich schwierig. Der Vergleich mit den Niederlanden hinkt etwas, weil die Niederlande ein
zentraler Staat sind, der zentral seine Mittel gibt. Wir aber haben ein föderales System, die Länder
steuern Unterschiedliches bei; daher gibt es riesige Unterschiede bei der Rockförderung. Aber Sie haben
recht, wir stagnieren in der Förderung und Ressourcen vor allem personelle Ressourcen werden
vergeudet, weil wir im Moment nicht weiterkommen mit einer Steigerung unserer Mittel. Aber wenn Herr Schweinar
sagt, 300.000 Mark werden gerade vom Bund gegeben... das Land Bayern gibt nicht sehr viel, aber es gibt immerhin
200.000 Mark und zur Projektförderung: für ein EDV-System haben wir zusätzlich 200.000 Mark
gegeben. Jetzt im November werden 90.000 Mark Zuschuss gegeben also es kommen schon Mittel zusammen.
Das reicht natürlich nicht aus und deshalb kämpfen wir gemeinsam mit den Verbänden und den
Politikern darum, dass wir diese Förderung ausweiten können.
Schweinar: Und wir ruhen uns ja auch nicht darauf aus... wir haben mit diesem Geld, das wir über
Jahre eingesetzt hatten auch entsprechend Drittmittel akquiriert. Allein über die Industrie, was vorhin
so etwas abfällig beschienen worden ist, haben wir in den Jahren 1993 bis 1996 fast eine Dreiviertelmillion
Mark für Veranstaltungen mit Live-Bands in die Szenen hineinfließen lassen; da sind Hunderte von
Auftritten entstanden von Bands und das ist nur möglich aufgrund dieser Förderung.
eine Industriemark
Geißler: Niemand würde eine Industriemark verachten, wenn sie vernünftig ausgegeben
wird. Was könnte denn jetzt die Industrie und dabei schau ich den Jens Klopp von der Itzehoer Versicherung,
obwohl das weiß Gott keine Industrie ist, ein bisschen Rat suchend an was kann denn die Industrie
tun? Lassen sich nicht doch noch engere Netze beispielsweise zwischen Ministerien, zwischen den vorhandenen
Initiativen und eben solchen Geschichten, wie ihr sie macht, knüpfen?
Klopp: Auf jeden Fall. Ich sehe die Bands speziell in meinem Job zuerst einmal in dieser Situation,
in der sie den Sprung ins rein professionelle Musizieren machen wollen. Wenn ich zurückschaue,
sehe ich, dass den Bands also die Vergangenheit mancher Kapellen betrachtend viele kreative
Spielräume fehlen und dass ausreichende Qualifizierungen fehlen. Um kreativ zu sein, braucht man auch,
je weiter man kommt, mehr Handwerk. Das ist in der Rückschau das, was wir in dieser Grauzone versuchen,
ein bisschen aufzuarbeiten. Und wenn ich zur Tonträgerindustrie schaue, sehe ich, dass hier häufig
nach Schema X gearbeitet wird: da werden lediglich Marketing-Konzepte ausgearbeitet, die Künstlerpersönlichkeit
selbst aber wird nicht langfristig gesehen. Die Industrie, die mit der Branche sonst nichts zu tun hat, in
die sie investiert, geht häufig sehr formal vor, setzt ihre Agenturkonzepte um und schaut, wie sie ihre
Millionen einsetzen kann, um product-placement zu machen, um ein Logo sichtbar zu machen. Und
das ist manchmal sinnvoll oder gut und hilft einigen Initiativen oder Bands, aber da das alles so kurzfristig
und punktuell angesetzt ist, ist das mit Sicherheit ein schwieriger Weg, der auch sehr verunsichern kann.
Geißler: Kann da nicht so ein erfolgreicher Sender wie VIVA und der sitzt bei euch in
Nordrhein-Westfalen ja vor der Tür mit einem angeblich sehr sachverständigen Intendanten oder
Geschäftsführer Dieter Gorny. Kann der da nicht in die Bresche springen und sagen: Mensch, da habt
ihr im Jahr eure zwei Millionen, die ihr braucht, gebt sie aus, Frau Krawczyk?
Krawczyk: Schön wärs. Jetzt ist es natürlich so, dass Dieter Gorny 1992 noch
in seiner Funktion als Rockbeauftragter des Landes NRW sehr viel dafür getan hat, dass rocksie!
realisiert werden konnte. Und er tut jetzt im Moment auch sehr viel dafür, dass ein anderes Projekt Pop
und Musik NRW verwirklicht werden kann. Dieses Projekt hat wirklich und jetzt müsste ich
auch mal angeben bundesweit als einziges konkret eine Frauenberatungsstelle, die eben wiederum von
rocksie! ausgefüllt wird. Von daher klappt das mit der public privat partnership
schon mal ganz gut. Wünschen würde ich mir natürlich jetzt persönlich, dass wir auch noch
mehr Ressourcen bekommen, um wirklich diese Strukturen zu schaffen. Denn wir haben sehr viele, sehr gute Frauen,
die noch professionalisiert werden können und die vor allen Dingen noch heiß gemacht werden
können auf so Talent Awards wie den John Lennon... und sich dann dort einfach mal so massiv bewerben,
dass die gar nicht anders können, als Frauen zur Siegerband erklären!
Geißler: Man möchte sich wünschen, dass all die Kräfte, die man hinter den einzelnen
Initiativen spürt, zusammenwachsen und dass sie ein gemeinsames Netzwerk bilden. Ich vermute mal, auch
dafür wird es einen kleinen Etat brauchen, um dieses Netzwerk heutzutage vielleicht sogar auf elektronischem
Weg herzustellen. Ist so was in Planung, Bernd Schweinar?
Schweinar: Konzepte, Pläne, haben wir viele, es scheitert immer an der Realisierung, an den
Türen, die uns nicht aufgetan werden.