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nmz-archiv
nmz 2001/11 | Seite 11-12
50. Jahrgang | November
Medien
Die LeipzigBigBand im Porträt
Jahresproduktion des Mitteldeutschen Rundfunks 2001
Die LeipzigBigBand steht im Mittelpunkt der diesjährigen Jahresproduktion von MDR KULTUR. Das bedeutet,
für die LeipzigBigBand stand je eine Woche für Aufnahmen und für die Abmischung zur Verfügung.
Bisherige Jahresproduktionen waren beispielsweise Verfemte Musik jüdischer Komponisten aus
Theresienstadt, dann Orgel- und Kantatenausgrabungen sowie große Opern-Uraufführungen.
Dass Steffen Lieberwirth, Leiter der Musikabteilung beim Hörfunksender MDR KULTUR, dem Jazz eine kostenaufwändige
Jahresproduktion widmet, ist kein Zufall. Die Förderung von Jazz hält er für ebenso wichtig,
wie die Neuer Musik: Hier sehe ich MDR KULTUR als Mäzen, hier hat der Rundfunk einen öffentlichen
Auftrag im allerbesten Sinn zu erfüllen.
Hören den ersten Take ab (v.li.): Produzent Harry Nicolai, Tonmeister
Jürgen Crasser und Bandleader Frank Nowicky. Foto: Dabdoub/MDR
Innerhalb einer Woche nahmen die 16 Musiker neun Titel auf. In Absprache mit dem Orchesterchef Frank Nowicky
hat Produzent Harry Nicolai von jedem Titel neben einer Fassung in normaler Länge auch eine Radiofassung
von etwa 3-Minuten-und-30-Sekunden-Länge hergestellt. Somit erhöht Nicolai die Chancen für den
mehrmaligen Radioeinsatz auch außerhalb der traditionellen Jazzsendungen und erreicht wesentlich mehr
Zuhörer als üblich. Ein Modell, dass sich sicher nicht für jede Art von Jazzmusik eignet, aber
dennoch nachahmenswert ist. Am 13. November eröffnet die LeipzigBigBand eine neue Konzertreihe Jazz
im Gewandhaus. Bei dieser Gelegenheit soll auch die aktuelle CD dem Publikum präsentiert werden.
Dass Harry Nicolai und Steffen Lieberwirth gerade die LeipzigBigBand porträtieren, macht Sinn. Wie kaum
ein anderes Ensemble steht die erst zwei Jahre alte Band für die junge Jazzszene der Region. Jazz hatte
in Leipzig schon immer einen festen Platz im Kulturleben der Stadt. Widerstände gab es dennoch genug: In
der DDR galt Jazz als unangepasst und aufmüpfig, heute ist er als zu unkommerziell abgestempelt und leidet
an finanzieller Ausblutung. Noch mehr als anderswo klagen in Leipzig Clubs und Veranstalter über fehlende
Mittel und ausbleibende Besucher. Mittlerweile machen ausländische Künstler bereits einen Bogen um
die Stadt. Selbst den renommierten Leipziger Jazztagen, die in der ersten Oktoberwoche 2001 ihr 25-jähriges
Jubiläum feierten, wollte die Stadt wenige Wochen vor Beginn fest zugesagte Landeszuschüsse von etwa
40.000 Mark (mehr als ein Achtel des Gesamtetats) nicht auszahlen. Nur durch massive Proteste konnte dies verhindert
werden.
Wie kann eine Big Band, die ohne Subventionen auskommen muss, in einem derart schwierigen Klima leben und
gedeihen? Dazu Frank Nowicky, der Mitbegründer und Leiter des Klangkörpers: Unsere Idee bestand
darin, zweimal im Monat einen Big-Band-Abend zu gestalten, bei dem die Big Band sich eine Stunde mit konzertanten
Titeln ausprobiert und anschließend können die Besucher zwei Stunden zu kommerziellerer Musik tanzen.
Gemeinsam mit den Machern der Leipziger Schaubühne Lindenfels gelang es Nowicky, dieses Konzept zu verwirklichen.
Nach über einem Jahr regelmäßiger Auftritte scheint der Erfolg zu beweisen, dass die LBB in
eine Marktlücke gestoßen ist und sich selbstbewusst als Initiator eines Leipziger Swing-Revivals
bezeichnen kann. Inzwischen engagiert auch mal das Büro des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt
Biedenkopf das Jazzorchester für einen Galaempfang oder das Dresdner Hotel Kempinski fragt die Big Band
an.
Bei der Gründung vor zwei Jahren war den Gründungs- und weiteren Bandmitgliedern vielleicht nicht
bewusst, wie viel Arbeit vor ihnen liegen würde. Heute kann man ihnen nur gratulieren, dass sie es geschafft
haben, einem derartig komplexen Gebilde wie einer nicht subventionierten Big Band zu einem dauerhaften Leben
zu verhelfen: Es bleibt dem Orchester zu wünschen, dass es weiterhin an Profil gewinnt, sich als Kristallisationspunkt
der Leipziger Szene bewährt und annähernd zehn Jahre nach der Abwicklung der Radiobigband Leipzig
zu einem der Motoren der mitteldeutschen Jazzlandschaft wird.