Visionen des Arnold Schönberg, ein Gesprächskonzert mit Nuria Schönberg-Nono und
Boulez
Gedenkzeiten sind auch Bedenkzeiten. Zumal wenn es eine doppelte Begabung zu erinnern gilt: Am 13. Juli 2001
war der Komponist Arnold Schönberg 50 Jahre tot. Seine Visionen sind in Frankfurt in der Schirn
Kunsthalle vom 15. Februar bis 28. April 2002 zu betrachten, nämlich eine Auswahl von 150 expressionistischen
Gemälden, die meisten davon werden erstmals öffentlich gezeigt. Bekannt sind Selbstporträts und
das Alban-Berg-Porträt. Arnold Schönberg hatte viele Freunde und Kollegen gemalt, aber: Als
Maler war ich ein absoluter Amateur.
Im Hermann-Josef-Abs-Saal stellte ein Gesprächskonzert mit seiner Tochter Nuria Schönberg-Nono, Pierre
Boulez und als Moderator Christian Meyer, dem Leiter des Arnold Schönberg Center Wien, die Malerei des
Komponisten in biografische und historische Zusammenhänge. Er befasste sich ernsthaft mit der Malerei von
1907 bis 1911. In dieser Zeit hatte er Kontakt zur Wiener Sezession, insbesondere mit Gustav Klimt und Richard
Gerstl, der ihn förderte. Danach zeichnete und malte Arnold Schönberg nicht mehr, um Bilder zu publizieren,
sondern aus privater Neigung. Zwar wurden die Gemälde Arnold Schönbergs innerhalb der Künstlergruppe
Der Blaue Reiter anerkannt und ausgestellt, einige sogar verkauft, aber sie hatten nicht den künstlerischen
Rang wie die Musik, meinte Boulez, einer der besten Kenner von Schönbergs uvre. Wie überhaupt
das künstlerische Niveau der ästhetischen Medien im Vergleich wie auch intern stärker differenziert
werden müsse. Auf seinen Essay Schönberg ist tot aus den 50er-Jahren angesprochen meinte
Boulez: Ja, ich habe diesen Text damals für den britischen Rundfunk geschrieben. In Paris gab es zwei Gruppen
in Bezug auf die Zwölftonmusik: Die Verächter und die Ergebenen. Gerade über die Ergebenen, die
alle Noten von Schönberg kritiklos als Meisterwerke ansahen, habe ich mich geärgert. Für sie
bestand die Neue Musik aus einer Trinität: Schönberg war der Gott, Alban Berg der Sohn und Anton Webern
der Heilige Geist. Ich wollte voran in die Zukunft, mit Arnold Schönberg und ganz eigenen Plänen im
Gepäck.
Anekdoten dieser Art lockerten die Atmosphäre im Saal auf, denn technische Probleme mit einem Diaprojektor
hatten eine visuelle Begleitung des Gesprächs längere Zeit verhindert. Nuria Schönberg-Nono bemühte
sich, die Wahrnehmung der Musik ihres Vaters zu korrigieren: die Musik sei keineswegs nur kalt und rational,
sondern sehr gefühlsintensiv. Zum Beispiel habe ihr Vater das Streichtrio op. 45 nach einem
Herzstillstand komponiert, um dieses Erlebnis zu verarbeiten.
Das etwa 40 Minuten dauernde Bühnengespräch konnte nur punktuell Auge und Ohr verbinden, die Doppelbegabung
Schönbergs würdigen, wie Christian Meyer einräumen musste. Das Konzert brachte mit den 3
Klavierstücken op. 11 (mit Ueli Wiget, Klavier) sowie mit Boulez Dérive 1
und Memoriale ( mit Solisten des Ensemble Modern und von Boulez dirigiert) aufregende Musik in exzellenten
Interpretationen.