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nmz 2001/12 | Seite 53
50. Jahrgang | Dez./Jan.
Dossier: Musikbuch
aktuell & neue Noten

Wenn ich sonntags in mein Kino geh’

Die Autobiografie des Tonfilmkomponisten Werner Richard Heymann

Werner Richard Heymann, Hubert Ortkemper (Hg.): Liebling, mein Herz lässt dich grüßen. Der erfolgreichste Filmkomponist der großen Ufa-Zeit erinnert sich. Mit Begleit-CD, Henschel, Berlin 2001.

„Ein Traum oder ein Film“, fragte sich 1931 der Musikkritiker Oscar Bie anlässlich der Premiere von Erik Charells und Werner Richard Heymanns Tonfilmoperette „Der Kongreß tanzt“: „Endlich ist es dasselbe, endlich läuft das Bild so ohne Nähte, ohne Pausen, ja ohne Kausalität ineinander, wie es uns manchmal der Schlaf schenkt. Sie sitzen draußen beim Heurigen. Ein Liedersänger geht an den Tischen vorbei und singt jedem Tisch seine Strophe vor, so volkstümlich, so privat, so wienerisch.

Die Leute singen mit, Walzer klingt von der Ferne, die Leute tanzen. Es ist der unerschöpfliche Wiener Walzer, der in alle Winkel der Stadt dringt.“ Paul Hörbiger sang eine Melodie von Werner Richard Heymann und Josef Strauß – und ganz Wien summte sie mit: „Das muß ein Stück vom Himmel sein, Wien und der Wein!“ So hatte sich der Ufa-Produzent Erich Pommer die Musikalisierung des Kinos immer vorgestellt: „Das Auge streicht über die Bühne ins Parkett hinein“, schreibt Bie, „Bühne wiegt sich, Parkett wiegt sich, das Auge streicht hinauf in die Logen, hinter Federfächern spielt der Flirt seine Rhythmen, zurück über Parkett, Bühne, Walzer in den Heurigen hinein eine einzige Bewegung.“

„Der Kongreß tanzt“ war in den frühen 30ern ein erster Höhepunkt des neuen Genres gewesen. Während man in Hollywood noch Nummern-Revuen inszenierte, entstand in Babelsberg unter der künstlerischen Leitung von Erich Pommer eine neue Gattung: die Tonfilmoperette.

Maßgeblichen Anteil an der Entstehung hatten seine Komplizen, die beiden Kabarett-Komponisten Friedrich Hollaender („Der blaue Engel“) und Werner Richard Heymann und der Texter Robert Gilbert. Wer heutzutage das Traumteam Heymann/Gilbert nur auf ihre Gassenhauer wie „Das gibt’s nur einmal“ oder „Ein Freund, ein guter Freund“ reduziert, übersieht ihren wesentlichen künstlerischen Beitrag zum Kino der Weimarer Republik. Wie es dazu kam, erfährt man in Hubert Ortkempers klug kompilierten Heymann-Memoiren. Anfangs glaubte der ehemalige Kinokapellmeister in der Aufbruchszeit noch, die Musik sei das Primäre.
„Aber ich wurde bald zu der Erkenntnis geführt, daß ich irrte. Und so beugte ich mich ein wenig unter die Bindungen technisch-mechanischer Herkunft (...) und schrieb im ‚Liebeswalzer’ meine Melodien. Auch das war noch nicht genug. Nur der sich ganz beugt, vermag ganz zu herrschen, und so tat ich denn den letzten Schritt: Ich opferte alte geheiligte musikalische Traditionen, erhob die Musik aber gleichzeitig wieder auf ihren Herrscherthron, indem ich mit einem Film Musik machte, das heißt, ich versuchte, den Rhythmus der bildhaften Bewegungsvorgänge musikalisch zu erfassen und zu durchdringen. Denn das ist das letzte Ziel der Tonfilmkunst, Ton und Bild zu einer organischen Einheit untrennbar zu verknüpfen.“
Wie viele seiner jüdischen Kollegen ging Werner Richard Heymann, den die Ufa „mit Rücksicht auf seinen anständigen Charakter“ vergeblich zu halten versucht hatte, 1933 ins Exil. Über die Zwischenstation Paris landete er in Hollywood. Dort wurde er zu Ernst Lubitschs Hauskomponisten. Greta Garbo soll seinen ihr gewidmeten „Ninotschka“-Walzer sehr geliebt haben.

Anfang der Fünfziger hat Heymann Hollywood wieder den Rücken gekehrt: „Plötzlich war nur noch ein großes Lichtermeer zu sehen, das wie mit einem Messer abgeschnitten aufhörte. Ich verstand es zuerst nicht, und dann erkannte ich, es war das wirkliche Meer über dem wir langsam umdrehten, und ich sah ganz klein die weiße Brandung mit den vielen, vielen Laternen.“

Am Ende seines Lebens ließ sich der Königsberger in München nieder, schrieb hin und wieder noch einmal ein großes Filmchanson („Das Lied vom einsamen Mädchen“) und arbeitete an seiner Autobiografie. Diese ist leider nur ein Text-Torso geblieben. Irgendwann um 1928, also vor seinen Tonfilmerfolgen, reißt der Faden ab. Herausgeber Hubert Ortkemper hat seine Erinnerungen nun – mithilfe anderer Heymann-Zitate – weitergesponnen und kenntnisreich kommentiert.

Eine Bilderbuch-Edition im doppelten Sinne.

Viktor Rotthaler

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